"Lebensziele sind tickende Zeitbomben"

15 Jahre, zehn Staffeln, 99 Folgen. Mit "Pastewka" endet eine stilistisch einzigartige Sitcom, weil ihr Erfinder es so will. Zeit für die besten Erinnerungen sowie Fragen nach dem, was sich im deutschen Humor und Medienbetrieb seit 2005 deutlich verändert hat.

Als Bastian Pastewka mit der herausragenden Comedy- Familienserie "Pastewka" anfing, war er Anfang 30. Mittlerweile, nach 15 Jahren wechselhafter Formatsgeschichte bei SAT.1 und dem Streamingdienst Amazon, befindet er sich längst in der Midlife-Crisis. Im April wird Bastian Pastewka 48 Jahre alt - und steht dann ohne sein ambitioniertes Herzensprojekt da. Nun, er wollte es so. Ab Freitag, 7. Februar (Amazon Prime), steht die zehnte und letzte Staffel "Pastewka" zum streamen bereit. Nach insgesamt 99 Folgen, in denen Bastian Pastewka eine nicht immer sonderlich sympathische Version von sich selbst spielte, ist Schluss. Dabei war das Format "Pastewka", das immer wieder genial den Medienbetrieb auf die Schippe nahm, im Grunde seines Drehbuchherzens stets humanistisch gedacht, weil die Serie ihrem Personal noch die größten menschlichen Schwächen verzieh. Im Interview reflektiert der kluge Gesellschaftsbeobachter Bastian Pastewka, warum das Serienende gewollt ist und wie sich Humor mit dem Lebensalter sowie der gesellschaftlichen Entwicklung verändert hat.

teleschau: In welchem Moment haben Sie entschieden, mit "Pastewka" Schluss zu machen?

Bastian Pastewka: Eigentlich schon vor 15 Jahren, als wir anfingen. Wir ahnten, dass wir mit "Pastewka" was Gutes herzeigen konnten. Damals sagte ich prahlerisch in einem Interview, dass ich mit dieser speziellen Familienserie gerne 100 Folgen schaffen möchte. Dass es nun am Ende nur 99 geworden sind, passt perfekt zum Geist der Serie: Pastewka, der ewige Tölpel, der immer haarscharf am Ziel vorbeirauscht.

teleschau: Die fast runde Zahl kann aber nicht der einzige Grund sein, warum man eine sehr persönliche Serie nach 15 Jahren beendet.

Pastewka: Natürlich nicht. Die Autoren und ich merkten, dass die Liebes- und Beziehungsgeschichte zwischen Bastian und Anne, die das Zentrum der Erzählung war, zu einem möglichen Ende gelangt sein könnte. In der achten Staffel passierte ja das Undenkbare: Die beiden trennten sich. In Staffel neun versuchte Bastian dann, sie um jeden Preis zurückzugewinnen. In der zehnten und letzten Staffel sehen wir nun, wie das Ganze ausgeht.

"Der einzige Prominente, der schlecht gelaunt zu uns kam, war Bernd das Brot"

teleschau: Also ist "Pastewka" im Kern eine Liebesgeschichte?

Pastewka: Zum Teil ja. Dazu kam aber auch stets der Blick hinter die Kulissen des Fernsehens, denn der Serien-Bastian ist ja wie ich eine Person des öffentlichen Lebens. Mal kämpfen Bastian und seine Agentin um eine mögliche Rolle bei Quentin Tarantino, in der nächsten Folge gibt's Probleme mit der Gegensprechanlage, weil Bruder Hagen was falsch montiert hat. Beide Spielformen haben sich immer munter abgewechselt.

teleschau: Die witzigen Seitenhiebe auf den Medien- und Promibetrieb sehen viele Fans und Kritiker als herausragendes Merkmal von "Pastewka". Wurden all Ihre Erzähl-Wünsche erfüllt?

Pastewka: Wir haben uns sämtliche Wünsche erfüllt. Wir waren wir hinter den Kulissen von "Tatort" und "Lindenstraße", beim Deutschen Filmpreis und dem Kölner Stadtsender Center TV. Wir haben viele bekannte Fernseh-Persönlichkeiten sich selbst spielen lassen. Es hat allen großen Spaß gemacht, wir hatten keinen einzigen Problemfall in zehn Staffeln. Einige Kollegen fragten mich plötzlich: "Warum darf ich nicht mitspielen?" Jürgen Vogel hat sich sogar in einer Sendung von Luke Mockridge öffentlich beschwert, da haben wir gleich beide eingeladen. Auch Fernsehlegenden wie Frank Elstner oder Roger Willemsen waren zu Gast. Der einzige Prominente, der schlecht gelaunt zu uns kam, war Bernd das Brot. Aber das war in seinem Charakter begründet.

teleschau: Fühlten Sie sich mit "Pastewka" immer wertgeschätzt? Bei SAT.1 soll man Sie die letzten Jahre nicht mehr so gut behandelt haben, weswegen die letzten drei Staffeln dann beim Streaming-Dienst Amazon unterkamen ...

Pastewka: Da möchte ich widersprechen: SAT.1 hat uns über sieben Jahre auf einem festen Sendeplatz am Freitagabend laufen lassen. Ich kann mich an keine andere Sitcom erinnern, die so lange auf diesem Sender existierte. Als 2014 unsere letzte Staffel bei SAT.1 lief, hatte sich die Zeit deutlich gewandelt. Wir waren die letzten Comedy-Mohikaner. Alle anderen Freitags- Formate um uns herum gab es nicht mehr: Anke Engelkes "Ladykracher", Kaya Yanars "Was guckst du?", Hugo Egon Balders "Genial daneben". Ich habe eingesehen, dass man irgendwann keine Verwendung mehr für uns hatte.

"Wir sind keine Zyniker"

teleschau: Bei Amazon war "Pastewka" dann aber kein Auslaufmodell. Streaming-Dienste veröffentlichen zwar üblicherweise keine Zahlen, dennoch hieß es, die Serie würde dort sehr gut laufen. Wissen Sie genaueres?

Pastewka: Ich weiß gar nichts.

teleschau: Das kann man sich kaum vorstellen ...

Pastewka: Es stimmt aber. Ich habe von Amazon nie Zahlen bekommen. Sie interessieren mich nicht, weil ich mir sicher bin, dass Sendungen, die viel geschaut werden, deshalb nicht unbedingt besser oder schlechter sind. Und ich habe mit der Einschaltquoten-Deuterei immer auf Kriegsfuß gestanden.

teleschau: Erfolg ist als Parameter für Qualität also völlig ungeeignet?

Pastewka: Ich war mal Teil eines recht erfolgreichen Formats namens "Wochenshow". Woche für Woche haben wir von Montag bis Freitag gedreht: Sketche, Einspieler, Live-Elemente. Am Samstag lief dann die Sendung. Näher an der Aktualität konnte man mit dieser Arbeitsweise nicht sein. Soll ich Ihnen etwas verraten? Unsere schwächsten Sendungen waren immer die nach einer starken Quote der Vorwoche. Wenn wir gute Zahlen hatten, legten sich alle auf die faule Haut und sagten: Läuft doch! Ich übrigens auch ...

teleschau: Wie ist es mit dem Humor? Ist jener Witz, der nicht die breite Masse bedient, meist der bessere?

Pastewka: Nein, das glaube ich nicht. Viele Leute, die sich stets über den schlechten Zustand des deutschen Humors beklagen, lachen am lautesten über den ersten Pimmelwitz, der um die Ecke kommt. Ich denke auch nicht, dass "Pastewka" weit weg vom Mainstream war. Geschichten über das Fernseh-Business, über Liebe und Familie sind ja nicht besonders ungewöhnlich. Außerdem konnten unsere Zuschauer immer sehen, dass wir es grundsätzlich gut mit unseren Figuren meinen. Auch das ist etwas, das den Mainstream kennzeichnet. Wir sind keine Zyniker.

"Humor ist immer eine Generationen-Verabredung"

teleschau: Kann man in Sachen Humor heute anspruchsvoller arbeiten als vor 15 Jahren?

Pastewka: Das Publikum ist heute anspruchsvoller als vor 15 Jahren, weil es sich zwischen viel mehr Angeboten entscheiden kann. Das betrifft nicht nur lustige Formate, aber eben auch die. Meine Beobachtung ist, dass man heute mit sehr schlicht konzipierten Geschichten nicht mehr beim Publikum durchkommt. Es gibt - auch bei Streaming-Diensten - Filme und Serien mit großen Namen. Wenn die Geschichten jedoch nicht überzeugen, ist das Ding nach ein oder zwei Staffeln wieder weg. Dafür werden ungewöhnliche Stoffe vom Publikum heute oft viel häufiger gefunden und positiv bewertet.

teleschau: Wie kommt das?

Pastewka: Die Streaming-Dienste und Mediatheken legen alle Angebote gleichberechtigt offen, man kann sich im besten Fall das Interessanteste aussuchen. Es ist also nicht mehr wie früher, als drei Programme eine Auswahl für die Zuschauer trafen. Für Menschen, die um 20.15 Uhr sehen mussten, was gezeigt wurde. Durch die Entwicklungen der letzten Jahre ist der Zuschauer offener und anspruchsvoller geworden. Hin und wieder wird immer noch das Schlichtere zur besten Sendezeit gezeigt, der besondere Film kommt erst um 23.35 Uhr. Über unverschämt späte Sendezeiten muss man sich heute immerhin nicht mehr aufregen (lacht).

teleschau: Rollen wie Darsteller aus "Pastewka" sind mit der Serie gealtert. Lacht man auch deshalb heute über andere Dinge als früher?

Pastewka: Ja. Aber es gibt auch Dinge, die gleich bleiben. Humor ist immer eine Generationen-Verabredung. Wenn ich mich mit Leuten treffe, mit denen ich auf der Schule war, reißen wir immer noch dieselben Witze wie damals, als wir Abi machten. Meist zitieren wir Sprüche aus "Ritter der Kokosnuss" oder hauen uns einfach beim Wiedersehen mit einem Handtuch auf die Eier. Wie damals im Sportunterricht. Absoluter Pennäler-Humor! Jedoch nicht mit der Absicht, dem anderen weh zu tun, sondern um zu sagen: "Hey, schau mal, wie lustig wir füher waren." Jede Generation sucht sich zudem ihre Helden aus. Helden, über die sie lacht, mit denen sie leidet, weswegen sie ins Kino geht. Humor ist ein gutes Stück weit Prägung.

"Es gibt die Meinung, dass ältere Comedians viel mehr Saufwitze erzählen als junge"

teleschau: Aber er ist nicht statisch, oder? Sonst könnten neue Formate mit einer neuen Art Witz ja niemals Erfolg haben.

Pastewka: Natürlich können wir uns in Sachen Humor weiterentwickeln. Humor ist allerdings auch nicht erlernbar. Es gibt Leute, die heute und auch in 50 Jahren noch keine Ironie verstehen werden. Da kann man nichts machen.

teleschau: Also kann man Humor auch niemandem erklären?

Pastewka: Humor ist nicht so universell wie Musik. Die ist oft viel formelhafter. So wie der berühmte 3'30 Hit. Musik bietet auch viel mehr Projektionsfläche, die der Komiker nicht mitbringt. Komiker kommen auf die Bühne und sagen: Wir sind lustiger als ihr. Das muss man als Zuschauer erst mal schlucken. Viele gehen dann schon weg.

teleschau: Gibt es denn neue Humor-Trends am Horizont?

Pastewka: Die Polit-Satire feiert seit Jahren völlig zu Recht ein Comeback, um die verrückte Zeit, in der wir leben, zu verarbeiten. Humor ist gesellschaftlichen Schwankungen unterworfen. Er ändert sich mit dem Geschmack und dem Stilempfinden des Publikums. Er ändert sich auch mit seinem Wissen und Erfahrungen. Und dann kommt eben noch das Alter hinzu, das seine eigenen Erkenntnisse und Witze mit sich bringt.

teleschau: Das Alter ist aber minder bedeutend für die Art des Humors - jedenfalls dann, wenn man die Reihenfolge ihrer Aufzählung beachtet?

Pastewka: Nicht unbedingt in der Praxis des Komödianten. Es gibt zum Beispiel die Meinung, dass ältere Comedians viel mehr Saufwitze erzählen als junge. Warum? Weil sie zu Beginn ihrer Karriere durch Kneipen getingelt sind und ihr Publikum zu diesen Auftritten trank. Etwas, das heute weitgehend verschwunden ist. Manchmal sind es banale Dinge, warum der eine auf diese Art Witz steht und der andere auf jene.

"Ein Humorist muss generell etwas von sich preisgeben"

teleschau: Alkoholwitze sind also etwas, über die nur noch ältere Leute lachen?

Pastewka: Ältere Theaterschauspieler erzählten mir, dass es bei manchen Bühnenstücken üblich war, in jenen Szenen, in denen man nicht dabei war, schnell über extra dafür angelegte Gänge hinter der Bühne in die Kantine zu gelangen, um dort gepflegt einen zu heben. Und dann zu gucken, wer den zweiten Akt durchhält. Heute sind die allermeisten meiner Komiker-Kollegen entschiedene Anti-Alkoholiker.

teleschau: Gibt es denn ein Erfolgsrezept für erfolgreiche Comedians?

Pastewka: Man sollte Witze über Dinge machen, die man selbst witzig findet. Ein Komödiant, der sich verstellt, liefert meistens irgendeine Kopie ab. Ein Humorist muss generell etwas von sich preisgeben. Wer das nicht will, wird in der Disziplin möglicherweise keinen Erfolg haben.

teleschau: Welches Projekt wird die Stelle von "Pastewka" in Ihrem Leben einnehmen?

Pastewka: Ich habe mir diesbezüglich kein Ziel gesetzt. Lebensziele sind tickende Zeitbomben. Ich glaube, dass wir mittlerweile und glücklicherweise fast alle erkannt haben, dass wir in einer sehr fragilen Welt leben. Meine Generation ist die vielleicht letzte, die noch von ihren Eltern eingetrichtert bekam: Hast du was, bist du was! Ich komme aus Bonn, der konservativsten Stadt überhaupt. Viele von uns wurden aufs Studium gedrillt, das man unbedingt abschließen sollte. Doch heute fehlen überall Handwerker. Ich glaube daran, dass man sensibel auf das Leben und vermeintliche Trends reagieren sollte. Das versuche ich in nächster Zeit zu tun.

teleschau: Sie haben also tatsächlich keinen Plan, wie es nach "Pastewka" weitergeht?

Pastewka: Nein, ich weiß es tatsächlich nicht. Ich weiß nur: Wenn es ein nächstes Projekt geben wird, das mich auf ähnliche Weise wie "Pastewka" beschäftigen und elektrisieren soll, muss es sich sehr anstrengen, um zu toppen, was ich mit meinen Freunden aus der "Pastewka"-Familie in den letzten 15 Jahren erleben durfte.