Leonard Lansink: "Mir gefallen auch nicht alle 'Wilsberg'-Filme"

"Die Menschen in Münster haben uns quasi adoptiert", verrät Leonard Lansink im Interview. Für den 67-Jährigen sei die Stadt mittlerweile "fast schon wie eine zweite Heimat". (Bild: Claudia Stülpner)
"Die Menschen in Münster haben uns quasi adoptiert", verrät Leonard Lansink im Interview. Für den 67-Jährigen sei die Stadt mittlerweile "fast schon wie eine zweite Heimat". (Bild: Claudia Stülpner)

Für das noch junge Jahr hat sich Leonard Lansink nichts vorgenommen - außer, "vielleicht ein bisschen netter zu werden". Weshalb das auch seiner Titelrolle in der beliebten ZDF-Reihe "Wilsberg" nicht schaden würde, erklärt der Schauspieler im Interview.

Mehr als 25 Jahre hat die ZDF-Reihe "Wilsberg" mittlerweile auf dem Buckel. Seit 1998 - ab Folge zwei - steht der heute 67-jährige Leonard Lansink in der Rolle des titelgebenden Hobbydetektivs vor der Kamera. Wie Wilsberg gilt auch Lansink selbst als knorrig, trocken, immer echt und ehrlich, eben typisch westfälisch - Wesenszüge, die Fans seit Jahren an dem TV-Ermittler, aber auch an seinem Darsteller zu schätzen wissen. Ja, Wilsberg und Lansink überzeugen: Mit Höchstwerten von bis zu 8,79 Millionen Zuschauern pro Folge ist "Wilsberg" immer noch eines der erfolgreichsten ZDF-Formate überhaupt. Auf Nachschub darf sich das ZDF-Publikum am Samstag, 13. Januar, 20.15 Uhr, freuen: In der nunmehr 80. Folge ("Wilsberg - Ein Detektiv und Gentleman") verdreht ein charmanter Engländer (August Zirner) Kommissarin Anna Springer (Rita Russek) den Kopf - sehr zum Leidwesen von Wilsberg, der mit dem Besuch aus Großbritannien auch noch um den Titel als Meisterdetektiv konkurrieren muss.

teleschau: "Wilsberg goes London": Wäre das denkbar für Sie, Herr Lansink?

Leonard Lansink: Wilsberg ist bodenständig und reist nie an "It"-Orte. Deswegen war "Wilsberg" vor einigen Jahren auch nicht auf Sylt, sondern auf Norderney. Insofern würde ich Jersey statt London vorschlagen. Als Steueroase würde sich das ja auch für einen Krimi anbieten: Wilsberg schaut nach, wo die Münsteraner ihr Geld lassen! Das fände ich ganz lustig und spannend.

teleschau: Dabei könnte Wilsberg seinem neuen Freund John Cross einen Besuch abstatten - dem charmanten Engländer, der Anna in "Wilsberg - Ein Detektiv und Gentleman" den Kopf verdreht.

Lansink: Mal abwarten. Wilsberg war relativ betrübt, dass andere Kerle noch charmanter sind als er.

teleschau: Wird es jemals ein gemeinsames Happy End für Wilsberg und Anna geben?

Lansink: Wenn Ingrid Bergmann in "Casablanca" mit dem falschen Kerl ins Flugzeug gestiegen wäre, wäre es kein guter Film geworden.

teleschau: Und Wilsberg ist der falsche Kerl für Anna?

Lansink: Ich denke schon. Außerdem wäre die Geschichte dann vorbei. Es ist doch schöner, wenn wir das Ganze noch ein bisschen in die Länge ziehen können mit den beiden.

Leonard Lansink (rechts) und August Zirner teilen sich den Geburtstag: Beide Schauspieler sind am 7. Januar 1956 geboren. (Bild: ZDF / Thomas Kost)
Leonard Lansink (rechts) und August Zirner teilen sich den Geburtstag: Beide Schauspieler sind am 7. Januar 1956 geboren. (Bild: ZDF / Thomas Kost)

"Die Menschen in Münster haben uns quasi adoptiert"

teleschau: John Cross wird von August Zirner gespielt. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?

Lansink: Toll! Wussten Sie, dass wir uns den Geburtstag teilen? Wir sind sogar im selben Jahr geboren! Technisch sind wir also vollkommen ähnlich. Uwe Ochsenknecht hat übrigens auch am selben Tag Geburtstag.

teleschau: Das schreit förmlich nach einer gemeinsamen Party.

Lansink: Die Party möchte ich nicht erleben (lacht). Vielleicht, wenn wir alle 75 werden! Dann kann Uwe Ochsenknecht singen und August Zirner Querflöte spielen, das tut er nämlich ganz wunderbar.

teleschau: Auch Sie lernten als Schüler, Querflöte zu spielen.

Lansink: Ja, ich habe das mal gelernt. Dann habe ich es aber sein lassen und schnell wieder verlernt.

teleschau: 80 Folgen hat "Wilsberg" mittlerweile auf dem Buckel. Feiern Sie die Jubiläen noch?

Lansink: Nein, aber diesmal waren wir mit der ganzen Truppe essen, das war prima. Wir hätten gerne eine Kinovorführung in Münster gemacht. Das ist immer sehr nett, dann buchen wir vier Kinosäle und schauen uns den Film gemeinsam mit den Münsteranern an. Leider sind uns die "Tatort"-Kollegen zuvorgekommen und hatten zwei Wochen vorher die gleiche Idee. Also haben wir es gelassen.

teleschau: Der "Münster"-Tatort, die ewige Konkurrenz ...

Lansink: Nicht wirklich. "Wilsberg" ist ein Samstagskrimi, der "Tatort" läuft am Sonntag. Alles halb so wild.

teleschau: Sie selbst leben in Berlin. Haben Sie jemals in Erwägung gezogen, nach Münster zu ziehen?

Lansink: Die Menschen in Münster haben uns quasi adoptiert. Für mich ist die Stadt fast schon wie eine zweite Heimat, ich fühle mich sehr verbunden. Trotzdem ist es für mich vernünftiger, in Berlin zu leben. In Münster müsste ich ständig irgendwelche Selfies machen. Das sind zwar meistens sehr angenehme Begegnungen, aber die Prominenz ruiniert die Freizeit.

teleschau: In Berlin werden Sie doch sicherlich auch auf der Straße erkannt.

Lansink: Natürlich, aber jeder Berliner ist für sich selbst das Zentrum der Welt. Denen ist es egal, wenn ein Schauspieler irgendwo rumsitzt. Da müsste man schon Madonna sein.

Parallelen zwischen Georg Wilsberg und seinem Darsteller Leonard Lansink gibt es durchaus. Und trotzdem: "Ich bin netter als er", glaubt Lansink. (Bild: 2017 Getty Images/Zacharie Scheurer)
Parallelen zwischen Georg Wilsberg und seinem Darsteller Leonard Lansink gibt es durchaus. Und trotzdem: "Ich bin netter als er", glaubt Lansink. (Bild: 2017 Getty Images/Zacharie Scheurer)

"Die Schauspielerei ist keine körperlich anstrengende Tätigkeit"

teleschau: Sie stehen mittlerweile seit mehr als 25 Jahren als Wilsberg vor der Kamera. Denken Sie manchmal darüber nach, in den Ruhestand zu gehen?

Lansink: Als Schauspieler ist das finanziell oft sehr schwierig. Wir haben komische Arbeitszeiten und sind dann nie so gut versichert wie jemand, der monatlich sein Geld verdient. Wir bekommen mal Geld und dann wieder keines und dann wieder ein bisschen. Schlaue Kolleginnen und Kollegen gehen in der Zwischenzeit zum Arbeitsamt und melden sich arbeitssuchend. Ich habe das nie getan, weil ich dank "Wilsberg" relativ gut verdiene und dann nicht noch mehr Geld fordern muss. Ein normaler Schauspieler, der nicht vier "Wilsberg"-Filme im Jahr dreht, hat es aber schwer mit dem Rentnerdasein.

teleschau: Vom Finanziellen abgesehen: Haben Sie denn noch Lust?

Lansink: Klar. Wir sind ja keine Dachdecker oder Maurer. Die Schauspielerei ist keine körperlich anstrengende Tätigkeit. Man kann das noch lange übers Rentenalter hinaus betreiben, man braucht ja auch alte Schauspieler. King Lear kann schließlich nicht von einem 16-Jährigen gespielt werden.

teleschau: Stört es Sie, für die Dreharbeiten regelmäßig von Berlin nach Münster reisen zu müssen?

Lansink: Es ist ein bisschen nervtötend. Klar würde ich nach den Drehtagen oft lieber zu meiner Frau nach Hause gehen können. Aber das muss man sich einfach schönreden.

teleschau: Wie wäre es damit, Wilsberg nach Berlin zu verlegen - für ein, zwei Folgen?

Lansink: Schöne Idee eigentlich. Ich glaube aber, der gehört da nicht hin, zumindest nicht langfristig. Wilsberg ist genauso Teil von Münster wie die Studenten und die Fahrräder.

teleschau: Sie selbst sind ebenfalls leidenschaftlicher Fahrradfahrer.

Lansink: Ich bin vor allem ein Schönwetter-Radler. Ich fahre, wenn es trocken ist. Im Moment bin ich meistens zu Fuß unterwegs. Das ist ohnehin besser mit den Hunden, die können nämlich nicht Fahrradfahren, sondern nur daneben herlaufen.

Für Leonard Lansink ist es "ein bisschen nervtötend", seine Partnerin Maren Muntenbeck aufgrund von Dreharbeiten häufig nicht sehen zu können.
 (Bild: 2017 Getty Images/Sebastian Widmann)
Für Leonard Lansink ist es "ein bisschen nervtötend", seine Partnerin Maren Muntenbeck aufgrund von Dreharbeiten häufig nicht sehen zu können. (Bild: 2017 Getty Images/Sebastian Widmann)

"Immer, wenn Wilsberg etwas aus einem Buch vorliest, muss ich das vorher auswendig lernen"

teleschau: Einst verrieten Sie in einem Interview, die Schauspielerei wäre nur eine Notlösung gewesen. Könnten Sie sich aus heutiger Sicht vorstellen, einen anderen Beruf auszuüben?

Lansink: Eigentlich bin ich zufrieden mit meinem Werdegang. Die Geschichte hat gezeigt, dass es doch ganz gut war, da hartnäckig zu bleiben. Nach meinem abgebrochenen Medizinstudium habe ich Schauspiel studiert, weil ich weiter Bafög kassieren wollte (lacht). Insofern war es eine Notlösung. Außerdem dachte ich, Schauspielerei sei einfach. Das war allerdings ein Irrtum.

teleschau: Durch Ihre langjährige Erfahrung dürfte Ihnen die Schauspielerei aber mittlerweile durchaus leichtfallen, oder?

Lansink: Mit den ersten Erfolgen wurde es einfacher. Die Anerkennung von außen hilft.

teleschau: Hielten Sie sich zuvor nicht für einen guten Schauspieler?

Lansink: Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen hatte ich lange das generelle Gefühl, unzulänglich zu sein, während alle anderen alles super machen.

teleschau: Sie litten also am Impostor-Syndrom?

Lansink: Genau, den Ausdruck merke ich mir! Diese gefühlte Unzulänglichkeit hat mich lange begleitet.

teleschau: Haben Sie dieses Gefühl mittlerweile abgelegt?

Lansink: Ja, das hat sich mit der Zeit gelegt. Und dann verwaltet man seine eigenen Mängel. Etwa, dass ich hinke. Das ist nicht mehr zu ändern, weil ich Schrauben im Sprunggelenk habe, die es relativ unbeweglich machen. Also muss der Wilsberg auch hinken. Einen Hürdensprinter würde ich nicht mehr spielen können. Es sei denn, jemand anderes rennt, und ich spiele den Rest (lacht).

teleschau: Wie viel Leonard Lansink steckt mittlerweile in Georg Wilsberg?

Lansink: Meine körperlichen Unzulänglichkeiten muss er mittragen. Er spielt allerdings ohne Lesebrille, obwohl ich schon längst eine brauche. Das heißt: Immer, wenn Wilsberg etwas aus einem Buch vorliest, muss ich das vorher auswendig lernen. Oder es muss sehr dick und groß geschrieben sein. Das Rauchen hat er mit mir aufgehört, aber ansonsten ist er so geblieben, wie er eben ist. Ich bin netter als er, glaube ich. Wilsberg ist wie eine Wand, gegen die alle anderen Tennis spielen.

Leonard Lansink freut sich, Fans zu begegnen. "Würden wir nicht angesprochen werden, hätten wir etwas falsch gemacht", erklärt der 67-Jährige im Interview. (Bild: Sina Uhlenbrock)
Leonard Lansink freut sich, Fans zu begegnen. "Würden wir nicht angesprochen werden, hätten wir etwas falsch gemacht", erklärt der 67-Jährige im Interview. (Bild: Sina Uhlenbrock)

"Würden wir nicht angesprochen werden, hätten wir etwas falsch gemacht"

teleschau: Beim Publikum scheint Wilsbergs stoffeliges Wesen seit jeher anzukommen. Was ist das Erfolgsrezept der Reihe?

Lansink: Ich halte die Konstellation der Figuren für das wahre Erfolgsgeheimnis. Die Struktur ist familienähnlich. Man sieht sich nicht immer gerne, gehört aber trotzdem zusammen. Das kennt jeder. Wenn uns unsere Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Straße begegnen, glauben sie deshalb oft, uns zu kennen.

teleschau: Wie reagieren Sie darauf?

Lansink: Ganz normal. Das ist oft der Fehler, wenn man diesen mittleren Bekanntheitsgrad erreicht hat: Man denkt, die Leute benehmen sich komisch, dabei benimmt man sich als Schauspieler komisch. Für die Leute sind wir keine Fremden, und sie treffen auch nur selten jemanden, den sie aus dem Fernsehen kennen. Als Schauspieler trifft man hingegen tausendmal verschiedene Menschen, die man alle noch nie gesehen hat.

teleschau: Stört es Sie, auf der Straße angesprochen zu werden?

Lansink: Überhaupt nicht! Würden wir nicht angesprochen werden, hätten wir etwas falsch gemacht.

teleschau: Ist das Feedback ausschließlich positiv?

Lansink: Meistens schon, aber nicht immer. Ich kann das allerdings verstehen. Mir gefallen auch nicht alle "Wilsberg"-Filme. Auch ich habe Lieblingsfolgen. Ich bin großer Fan der Weihnachtsfolgen!

teleschau: Das neue Jahr ist noch jung. Haben Sie sich Vorsätze genommen?

Lansink: Ein Vorsatz wäre, nicht wieder mit dem Rauchen anzufangen. Ich habe lang geraucht und aufgehört. Eigentlich habe ich keine guten Vorsätze. Vielleicht, ein bisschen netter zu werden.

Georg Wilsberg (Leonard Lansink) oder Sherlock Holmes? Der Hobbydetektiv setzt bereits seit den 90-ern alles daran, Mordfälle aufzuklären. (Bild: ZDF / Thomas Kost)
Georg Wilsberg (Leonard Lansink) oder Sherlock Holmes? Der Hobbydetektiv setzt bereits seit den 90-ern alles daran, Mordfälle aufzuklären. (Bild: ZDF / Thomas Kost)