Libanon: Gestrandete Gastarbeiterinnen machen mit Musikvideo auf ihre Not aufmerksam

Mit anderen gestrandeten Gastarbeiterinnen hat Lucie Turay die Band Thewanthdean gegründet (Bild: Screenshot/Youtube)
Mit anderen gestrandeten Gastarbeiterinnen hat Lucie Turay die Band Thewanthdean gegründet (Bild: Screenshot/Youtube)

Korruption, politische Unruhen, Corona: Der Libanon steckte schon vor der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut tief in der Krise. Wie so oft bekommen diese die gesellschaftlich am stärksten benachteiligten Gruppen diese am härtesten zu spüren.

Im Libanon sind das neben Millionen von geflüchteten Palästinensern und Syrern vor allem Hunderttausende Gastarbeiter aus ärmeren afrikanischen und asiatischen Ländern, die dort seit jeher unter prekären Bedingungen leben - viele von ihnen junge Frauen, die als Hausangestellte arbeiten.

Wie in einigen anderen arabischen Ländern unterliegen die Arbeiterinnen und Arbeiter dem “Kafala”-System. Dabei ist der Aufenthaltsstatus des Arbeiters an eine Bürgschaft des Arbeitgebers gekoppelt. Das Ergebnis ist ein Machtgefüge, das von Kritikern mit einer modernen Form der Sklaverei gleichgesetzt wird und Missbrauch jeder Form Tür und Tor öffnet.

Gestrandet in der Pandemie

Schon seit Beginn der Wirtschaftskrise im Oktober wurden zahllose Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen kurzerhand auf die Straße gesetzt, andere flüchteten vor ihren gewalttätigen Arbeitgebern und strandeten mittellos in Beirut. Eine Aussicht auf eine Rückkehr in die Heimatländer besteht insbesondere jetzt in der Pandemie oftmals nicht.

So geht es auch einer Gruppe von Frauen aus Sierra Leone, die vom Konsulat ihres Heimatlands in einer Notunterkunft untergebracht wurden, für Rückflüge fehlen die Mittel. Die Frauen fanden einen kreativen Weg, um auf ihre Notlage aufmerksam zu machen: Mit Unterstützung der Fotojournalistin Aline Deschamps produzierten sie ein Musikvideo.

Der Song “Bye and Bye” stammt von Lucy Turay, die aus der Wohnung ihrer Arbeitgeber geflohen war, nachdem sie dort mit dem Tod bedroht wurde. Zusammen mit einigen ihrer Mitbewohnerinnen gründete sie die Band Thewanthdean, was soviel wie “vereinte Schwestern” bedeutet.

Keine Hoffnung auf ein Wiedersehen

Das melancholische Lied zeichnet ein schonungsloses Bild der Arbeitsverhältnisse im Libanon, von Vernachlässigung, einbehaltenen Löhnen und Gewalt. Es zeugt von der wirtschaftlichen Not, die die Frauen in die Fänge des “Kefala”-Systems getrieben hat und von der Sehnsucht nach der Heimat und ihren Familien.

Die Arbeiterinnen zeigen Fotos ihrer Kinder auf ihren Handys (Bild: Screenshot/Youtube)
Die Arbeiterinnen zeigen Fotos ihrer Kinder auf ihren Handys (Bild: Screenshot/Youtube)

Das von Deschamps in Szene gesetzte Video zeigt den Alltag in der Notunterkunft, in der die Arbeiterinnen auf engstem Raum zusammenleben. Gegen Ende zeigen viele der Frauen auf ihren Handys die Fotos ihrer Kinder - die Hoffnung auf ein Wiedersehen hätten sie aufgegeben, heißt es im Abspann.

Der Clip wurde im Juli veröffentlicht, noch vor der verheerenden Explosion in Beirut, die die Lage für die Arbeiterinnen erneut verschärfte. Nach der Katastrophe gab es eine weitere Entlassungswelle unter den Hausmädchen, wie Turay im Interview mit “BBC Focus on Africa” berichtet. Da die Häuser zerstört seien, würden ihre Dienste nicht mehr benötigt, lautete oftmals die Begründung.

Aline Deschamps hat eine Spendenaktion ins Leben gerufen, um Lucy Turay und die anderen Arbeiterinnen aus der Unterkunft zu unterstützen und Geld für ihre Heimreise zu sammeln.