Müssen wir "Autos ganz abschaffen"? Harald Lesch kommt in ZDF-Doku zu eindeutigem Ergebnis

Wie sieht die Zukunft des Autos aus? Harald Lesch forscht nach. (Bild: ZDF/Oliver Roetz)
Wie sieht die Zukunft des Autos aus? Harald Lesch forscht nach. (Bild: ZDF/Oliver Roetz)

"Wir müssen es schaffen, die Autos aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen", fordert Harald Lesch. In einer neuen ZDF-Dokumentation wirft der Wissenschaftsjournalist und TV-Moderator einen Blick auf die deutschen Straßen. Sein Fazit: So wie es ist, kann es nicht bleiben.

"Wer heute in Deutschland von A nach B will, der muss wirklich gute Nerven haben", weiß Harald Lesch. In der neuen "Terra X"-Dokumentation "Der Streit ums Auto" (Dienstag, 21. Mai, 22.45 Uhr, im ZDF und bereits vorab in der ZDFmediathek) nimmt sich der Astrophysiker und TV-Wissenschaftler den Fragen unserer Mobilität an. "Kann man nicht in Zukunft entspannter fahren? Schneller und trotzdem klimafreundlicher mobil sein?", fragt er. Lesch ist sicher: "Da muss es doch einen Weg geben!"

Ein realisierbarer Weg, so zeigt der Film, ist E-Mobilität. "Wenn man sich die Fakten so ansieht, dann wird völlig klar: Die Zukunft auf der Straße wird elektrisch sein", stellt Lesch fest. Vor allem im Hinblick auf Emissionen sei das E-Auto dem Verbrenner auf das gesamte Leben des Wagens gerechnet "völlig überlegen".

Darüber hinaus könnte die aktuell noch geringe Reichweite von Elektroautos in einigen Jahren bereits ein Problem der Vergangenheit sein. So wurde an der Technischen Universität München ein E-Auto gebaut, das bis zu 600 Kilometer ohne Halt zurücklegen kann. Möglich ist dies durch die aerodynamische und leichte Bauweise des rund 60 Kilogramm schweren Wagens - eine Erkenntnis, von der auch private Käufer profitieren können: "Als Verbraucher sollte man eher keine großen Autos kaufen", rät Tim Buttkus, der Technische Leiter der Studierendengruppen TUfast Eco.

Wird der Nahverkehr in Zukunft eine Alternative bieten? Harald Lesch widmet sich verschiedenen Mobilitätsszenarien. (Bild: ZDF/Oliver Roetz)
Wird der Nahverkehr in Zukunft eine Alternative bieten? Harald Lesch widmet sich verschiedenen Mobilitätsszenarien. (Bild: ZDF/Oliver Roetz)

Lösen E-Autos all unsere Probleme?

Entscheidend sei beim privaten Autokauf jedoch meist vor allem ein Faktor: "Die Menschen sind Gewohnheitstiere", erklärt die Verkehrsforscherin Dr. Laura Gebhardt in der Dokumentation. "Viele Menschen haben Routinen entwickelt mit ihrem Verbrenner. Mit dem Umstieg auf ein E-Auto ist ganz viel neu." Zudem sei laut der Wissenschaftlerin auch Elektromobilität nur bedingt geeignet, um die nötige Verkehrswende voranzutreiben: "Selbst wenn wir alle unsere fast 50 Millionen Autos ersetzen würden durch ein E-Auto, sind ganz viele unserer Probleme nicht gelöst. Wir haben trotzdem Stau, wir haben trotzdem Flächenknappheit, wir haben trotzdem eine sinkende Lebensqualität."

Lesch ist überzeugt: "Es wäre doch besser, wir schaffen die Autos ganz ab!" Nach dem Krieg seien viele deutsche Städte in "regelrechte Autoparadiese" verwandelt worden - nun sei es an der Zeit, die Innenstädte zurückzuerobern. Aber: Wie überzeugt man die Menschen, dem Auto den Rücken zu kehren? "Jede Person macht eine Kosten-Nutzen-Rechnung", weiß Laura Gebhardt.

Der Forscherin zufolge gebe es zwei Möglichkeiten, um die Gesellschaft zum Umdenken zu bewegen: "Man kann andere Verkehrsmittel attraktiv gestalten. Oder man kann die Kosten und die Rahmenbedingungen so unattraktiv zu machen, dass ich mich dagegen entscheide."

"Wir müssen es schaffen, die Autos aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen"

Der Film stellt einen weiteren Lösungsansatz vor: die autofreie Stadtplanung. Barcelona etwa gilt als Vorbild für die Verkehrswende, seit in der Metropole auf sogenannte "Superblocks" - also verkehrsberuhigte Viertel mitten in der Stadt - gesetzt wird. In den aus mehreren Häuserblocks bestehenden Zonen ist Autofahren nur noch in Schrittgeschwindigkeit und Einbahnstraßen möglich. Manche Straßen sind ausschließlich zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar; Durchgangsverkehr ist somit ausgeschlossen. Obwohl das neuartige Konzept bei der Einführung vor einigen Jahren für Proteste sorgte, sind die Leute in den "Superblocks" laut Umfragen heute deutlich zufriedener als zuvor.

"Die Verkehrswende ist gewissermaßen eine Frage der Psychologie", resümiert Lesch. Er fordert: "Wir sollten die Fahrradwege ausbauen. Wir sollten den öffentlichen Nahverkehr stärken. Wir sollten den Menschen auf dem Land Verkehrskonzepte anbieten, damit sie aufs Auto verzichten können. Und wir könnten auch mal ein Tempolimit einführen."

Es sei an der Zeit für eine drastische Verkehrswende. "Wir müssen es schaffen, die Autos aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen und wieder die Menschen in den Mittelpunkt des öffentlichen Raumes zu stellen", stellt der Moderator klar. Denn: "Das wäre besser für uns, fürs Klima, für unsere Gesundheit - und effizienter bewegen könnten wir uns dann auch."