Maut-Affäre: Geheim-Vereinbarung zeigt, wie Scheuer die Privatisierung umsetzen wollte

Am 29. Mai dieses Jahres treffen sich Vertreter des Kraftfahrtbundesamtes mit zwei Unterhändlern des Konsortiums autoTicket in der Behrenstraße in Berlin-Mitte. Ein Notar-Termin und eine heikle Mission, die sie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) von Andreas Scheuer (CSU) erfüllen. Sie sichern nachträglich die Finanzierung der Pkw-Maut ab. Dafür unterzeichnen sie eine Vereinbarung neben dem eigentlichen Betreibervertrag, der Monate zuvor geschlossen worden war und der dem Konsortium Hunderte Millionen Euro für die Erhebung und Kontrolle der Pkw-Maut in die Kassen spült. Nur drei Wochen später kippt der Europäische Gerichtshof die Maut als rechtswidrig. Bis zu 700 Millionen Euro kostet dieser Machtpoker die Steuerzahler. Seither hat Scheuer ein Problem. Der Berliner Zeitung und dem ARD-Magazin Report Mainz liegt exklusiv die bislang unbekannte Geheim-Vereinbarung vor, die belegt, wie weit die Zuständigen den Staat auspressten, um das Projekt Maut durchzudrücken. Das brisante Dokument nennt sich „Vereinbarung über die Zustimmung des Auftraggebers zum Abschluss des Unterauftragnehmervertrages zwischen dem Betreiber und der Toll Collect GmbH (,Zustimmungsvereinbarung‘)“. Der Lkw-Mautbetreiber Toll Collect gehört seit 2018 wieder dem Staat. PKW-Maut: Toll Collect als Unterauftragnehmer Auf 59 Seiten regelt dieser Vertrag, wie die Aufgabenverteilung bei der Mauterhebung zwischen dem Bund und dem privaten Konsortium hätte erfolgen sollen. Zusammengefasst setzte Scheuer zwar alles daran, die Erhebung der Pkw-Maut zu privatisieren. Doch nachdem das geschehen war, regelten die Beteiligten in diesem Nebenvertrag, dass der Staat, genauer: Toll Collect als Unterauftragnehmer die wesentlichen Aufgaben erfüllen und die Risiken tragen sollte. In dem Dokument ist etwa geregelt, dass Toll Collect „dem Betreiber das Mautstellennetz während der Laufzeit dieses Vertrages“ zur Verfügung stellt. Dazu zählen „Mautstellen und Mautstellen-Terminals im jeweiligen Bestand“. Weiterhin: „zentrale Systeme, Komponenten und Services des UAN (Toll Collect, Anm. d. Red.), insbesondere dessen Rechenzentrum, Splitservice, Netzwerkanbindung der Mautstellen-Terminals bis zur Schnittstelle zum Betreiber“. Zudem muss die Staatsfirma die Infrastruktur „pflegen, warten und instand halten“. Das Konsortium hätte kassiert, doch die entscheidenden Leistungen wären von Toll Collect als Subunternehmer erbracht worden. Vor allem, um die Kosten für die Privaten zu drücken. PKW-Maut: Toll Collect stellt privaten Betreibern zu geringe Kosten in Rechnung Das belegt eine „Innenvereinbarung“. Dort steht „TC (Toll Collect, Anm. d. Red.) erhält von der autoTicket (das Konsortium, Anm. d. Red.) … für die TC-Erhebungsleistungen keine einem Drittvergleich vollständig entsprechende (marktübliche) und mit ihren potentiellen Haftungsrisiken korrespondierende Vergütung“. Übersetzt: Toll Collect erhebt zwar die Maut, stellt dafür den privaten Betreibern aber zu geringe Kosten in Rechnung. Sogar vertraglich geregelt. Verhandlungspartner bei diesem Vertrag ist unter anderem das Kraftfahrtbundesamt (KBA). Ein Referatsleiter von Scheuer schreibt am 21. Mai 2019 einen Brief an KBA-Präsident Ekhart Zinke. „Betreff: Einbindung der Toll Collect GmbH in die Erhebung der Infrastrukturabgabe“. Dort heißt es: „Es ist nun vorgesehen, dass der Betreiber und die vom Bund gehaltene Toll Collect (TC) einen Unterauftragnehmervertrag (UAV)“ schließen. Ganz unverblümt: „Da TC für die von ihr nach dem UAV zu übernehmenden Leistungen von dem Betreiber keine einem Drittvergleich vollständig entsprechende (marktübliche) … Vergütung erhält, bedarf es des Abschlusses einer weiteren Vereinbarung.“ Gemeint ist die Vereinbarung, die wenig später in der Behrenstraße unterzeichnet wird. Vereinbarung zur PKW-Maut: Enorme Vertragsrisiken Das Konsortium kassierte auch deswegen so viel Geld, weil die Vertragsrisiken bei so komplexen Infrastrukturprojekten enorm sind. Doch auch zur Haftungsfrage heißt es in der geheimen Vereinbarung: „Ansprüche auf Schadensersatz oder Vertragsstrafen stehen dem Auftraggeber gegenüber den Betreiberparteien nicht zu.“ Grundsätzlich regelt der Betreibervertrag, dass das Konsortium Unterauftragnehmer...Lesen Sie den ganzen Artikel bei berliner-zeitung