Bei "Maybrit Illner": Kanzleramtschef Helge Braun räumt "Fehler" ein

Wie kommen wir durch die Krise - und wie kommen wir da wieder raus? Zu diesem Themenkomplex hatte Maybrit Illner am Donnerstagabend eine kompetente Runde geladen.

"Wird Deutschland jetzt von Virologen regiert?" - So oder so ähnlich lauteten viele Schlagzeilen in den letzten Tagen. Zumindest in den TV-Talkshows haben zuletzt tatsächlich die Mediziner das Ruder übernommen. Dort, wo sonst zumeist Politiker verbal über einander herfallen, sitzen nun Ärzte und Professoren, um das Publikum mit Sachkenntnis auf den neuesten Stand in Sachen Corona-Pandemie zu bringen. Auch bei "Maybrit Illner" war am Donnerstagabend viel Fachexpertise versammelt. Zum Thema "Testen, Tracken, Impfen - Wettlauf gegen die Zeit" diskutierten die Humanmedizinerin Christiane Woopen, der Gesundheitsdezernent in der Städteregion Aachen Michael Ziemons, die Virologin Melanie Brinkmann und der Physiker Dirk Brockmann. Einziger Politiker in der Runde: CDU-Mann und Kanzleramtsminister Helge Braun. Aber Braun ist nicht nur Politiker, sondern auch Mediziner.

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Was die Deutschen derzeit umtreibt, beschäftigte auch die Illner-Runde: Sollen wir jetzt alle Masken tragen? Bringt das überhaupt etwas? Und: Gibt es genügend Schutzausrüstung in Deutschland? Braun räumte in Bezug auf die Verfügbarkeit Versäumnisse der Politik ein: "Es ist aus heutiger Sicht ein Fehler, dass wir eine solche Produktion nicht im Inland oder zumindest in Europa im großen Stil haben", sagte er. "Das ist jetzt natürlich ein zeitkritisches Problem." Selbstgenähte Masken seien aber "eine gute Ergänzung", auch wenn man sich nicht der Illusion hingeben dürfe, dann auf den nötigen Sicherheitsabstand verzichten zu können. "Hundertprozentigen Schutz gibt es mit den Masken nicht", stellte auch Virologin Brinkmann klar. Michael Ziemons mahnte, dass die verfügbaren Masken vor allem an medizinisches Personal und Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen abgeben werden müssten, bevor die Gesamtbevölkerung versorgt werden könne.

Einig waren sich alle in der Frage, dass die Krise noch lange nicht überstanden sei. "Wir brauchen Zeit", forderte Braun. "Es braucht noch Zeit", sagte auch Virologin Brinkmann. Man wisse noch viel zu wenig über die Übertragungswege des Coronavirus.

Kommt die "Umkehrisolation"?

Ob eine App helfen könnte, den Menschen ihre Freiheit zum Teil zurückzugeben, ohne die Gesundheit anderer zu gefährden, wollte Illner wissen. Die Bundesregierung diskutiert momentan über eine derartige Handy-Anwendung, und auch Helge Braun hält sie für sinnvoll - Freiwilligkeit vorausgesetzt, denn niemand dürfe gezwungen werden, sensible Daten wie Standort und Bewegungsprofil zu teilen. Es wäre gut, wenn "mehr als die Hälfte der Bevölkerung" mitmachen würde, so der CDU-Politiker. Auch Christiane Woopen, Medizinerin und Vorsitzende des Europäischen Ethikrates, hält eine derartige App für sinnvoll, weil sie "Freiheit schaffen" könnte.

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Freiheit - für Woopen ein Thema, das aktuell nicht vernachlässigt werden dürfe. Man müsse schon jetzt, mitten in der Krise, über die Zeit danach nachdenken, mahnte sie. Ob die sogenannte "Umkehrisolation" eine Option sei, wollte Maybrit Illner wissen - die Idee also, dass nicht mehr sämtliche Bürger ihr Leben einschränken müssen, sondern nur noch Risikogruppen wie ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen. Es seien schon "genug gesunde Menschen" gestorben, gab Woopen zu bedenken, dennoch sei die "Umkehrisolation" durchaus eine Möglichkeit.

Man müsse überlegen, ob man nicht "nach Regionen" unterscheiden und die Einschränkungen dort lockern könne, wo etwa Infrastruktur und Verhaltensweisen der Menschen eine Lockerung zuließen. Eine Überlegung sei es auch, "nach wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sektoren" zu unterscheiden, die Menschen also dort zu Arbeit zu lassen, wo Sicherheitsmaßnahmen und Hygieneregeln eingehalten werden können. Denn eines sei klar, so Woopen: Man müsse diskutieren, "wie man da rauskommt" - das sei die Politik den Bürgern schuldig.

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