Kommentar: Was können wir von den Mitgliedern in Merkels Kabinett erwarten?

Die Kanzlerin hat sich entschieden. Ins Kabinett ziehen einige neue Gesichter. Ist das alter Wein in jungem Schlauch oder echte Reform? Jedenfalls beginnt gedanklich nun die Post-Merkel-Ära.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die CDU-Vorsitzende Merkel will ihr neues Kabinett jünger und weiblicher machen. (Bild: dpa)
Die CDU-Vorsitzende Merkel will ihr neues Kabinett jünger und weiblicher machen. (Bild: dpa)

Angela Merkel hat Glück gehabt. Der Manövrierkreis der Kanzlerin hatte sich in den letzten Monaten merklich verengt – doch das Schicksal meint es derzeit gut mit der seit 2005 amtierenden Regierungschefin: Die Rochaden in ihrem neuesten Kabinett festigen die angeknabberte Herrschaft vorerst. Weil sich Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer entschied, statt eines Bundesministerinnenjobs das unter Merkel entwertete Amt der CDU-Generalsekretärin anzustreben, konnte Merkel eine Figur mehr ins Regierungsteam einbauen und beschloss eine Mischung aus Belohnung für Loyalität, Einbindung ihrer Kritiker und ein bisschen Überraschung. Die nun kursierenden Namen stehen natürlich noch unter Vorbehalt: Das Ergebnis des SPD-Mitgliedervotums über einen Regierungseintritt steht noch aus.

Wirtschaftsminister: Peter Altmaier

Peter Altmaier wird Wirtschaftsminister. (Bild: dpa)
Peter Altmaier wird Wirtschaftsminister. (Bild: dpa)

Erwartet worden war die Ernennung Peter Altmaiers zum Wirtschaftsminister. Er gilt als Merkels Joker, spielte auf der Position des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers, putzte als Umweltminister aus, hielt im Kanzleramt den Laden zusammen – und wäre wohl gern Finanzminister geworden, aber die SPD verhandelte härter. Keine Überraschung indes wäre es auch, wenn der bekennende Europäer in den nächsten Jahren als Kommissar nach Brüssel wechselt, wenn wieder ein Posten für einen deutschen Vertreter frei wird; dort arbeitete er bereits in jungen Jahren als Beamter im Höheren Dienst bei der Generaldirektion. Altmaier genießt Merkels Vertrauen und Dank. Als Wirtschaftsminister wird er vorerst im neuen Kabinett eine zentrale Rolle spielen und parteiintern mit Kramp-Karrenbauer den sozialkatholischen Kurs neu justieren – in Abgrenzung zu jenen, die einen Rechtsdrall fordern.

Gesundheitsminister: Jens Spahn

Jens Spahn wird Gesundheitsminister.
Jens Spahn wird Gesundheitsminister.

Dass Jens Spahn Gesundheitsminister werden soll, leuchtet auf den ersten Blick ein. Der 37-Jährige ist einer der profiliertesten Gesundheitspolitiker in der CDU und ärgerte sich schon vor vier Jahren zurecht, als er nicht berufen wurde. Die Zwischenzeit nutzte er, um in die Marktlücke des sich konservativ gebenden Christdemokraten vorzustoßen. Lockere bis peinliche Sprüche zur Muttersprache oder zum Islam brachten ihm den Ruf ein, irgendwie rechts zu sein; was womöglich ein Irrtum ist. Das Stänkern gegen Merkel wird für ihn nun, wo er als Minister “embedded” wäre, schwieriger. Die Fachaufgaben sind riesig, und Lorbeeren gewinnen Gesundheitsminister selten, da sie zwischen den Stühlen der Patienten, Ärzte, der Pflege- und Pharmaindustrien stehen. Spahn jedenfalls hat Zeit. Er kann Kramp-Karrenbauer zuschauen, ob sie tatsächlich zur erfolgreichen Frontfrau der CDU wird. Derweil sammelt er Fleißpunkte als Minister.

Kanzleramtsminister: Helge Braun

Helge Braun wird Kanzleramtsminister. (Bild: Bernd Von Jutrczenka/dpa)
Helge Braun wird Kanzleramtsminister. (Bild: Bernd Von Jutrczenka/dpa)

Helge wer? Wenig bekannt ist der amtierende Staatsminister im Kanzleramt. Helge Braun, gelernte Mediziner, kam erst 2009 in die Bundespolitik und gewann Merkels Neugierde durch bestechenden Pragmatismus, Organisationstalent und Intelligenz. Im Hintergrund bügelt der Workaholic manche Falte glatt. Als neuer Kanzleramtsminister wird er nun nur mehr und größere Aufgaben übernehmen, für den Multifunktionalen keine Herkulesaufgabe. Braun aber wird blass bleiben, dem Amt keine neuen Konturen verleihen. Er soll Merkel den Rücken freihalten. Dabei hilft ihm, dass er zum Formulieren klarer politischer Botschaften eher in den Keller geht.

Landwirtschaftsministerin: Julia Klöckner

Julia Klöckner wird Landwirtschaftsministerin. (Bild: dpa)
Julia Klöckner wird Landwirtschaftsministerin. (Bild: dpa)

Ähnlich wie Spahn säße auch Julia Klöckner im Landwirtschaftsministerium beim fachlich gesehen richtigen Job. Sie kommt aus einer Winzerfamilie, war Weinkönigin und diente bereits als Staatssekretärin im Agrarministerium. Und sie galt immer wieder als Merkels Kronprinzessin, trotz zweier Niederlagen als Spitzenkandidatin der CDU bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz. Als Ministerin wird sich Klöckner in der zweiten Reihe positionieren. Merkel gegenüber ist sie loyal, aus dieser Richtung ist kein Sperrfeuer zu erwarten. Sollten sich Kramp-Karrenbauer und Spahn in Flügelkämpfen aufreiben, könnte sie darin ihre Chance sehen, Merkels Nachfolge anzutreten.

Verteidigungsministerin: Ursula von der Leyen

Ursula von der Leyen bleibt Verteidigungsministerin. (Bild: Gregor Fischer)
Ursula von der Leyen bleibt Verteidigungsministerin. (Bild: Gregor Fischer)

Sie hält sich: Ursula von der Leyen soll weiterhin Verteidigungsministerin bleiben – dieser Job trägt hohe Verantwortung mit sich, auch für die vielen Malaisen und Fehler in Behörde und Streitkräften. Auch von der Leyen sah sich einmal als natürliche Nachfolgerin Merkels, doch allzu schnell geriet sie in die Schusslinie von Neidern und jenen, die ein Problem mit Frauen in hohen Ämtern haben; von der Leyen zog diese Kritiker mehr an als andere Frauen. Im aktuellen Amt ist sie durchaus umstritten. Sollte sie indes weiter durchhalten, garantierte ihr schon allein die Größe dieses Postens, dass sie bei allen wichtigen Anliegen mitzureden hat.

Bildungsministerin: Anja Karliczek

Anja Karliczek wird Bildungsministerin. (Bild: Achim Melde/Deutscher Bundestag/dpa)
Anja Karliczek wird Bildungsministerin. (Bild: Achim Melde/Deutscher Bundestag/dpa)

Anja Karliczek als Bildungsministerin zu ernennen, ist eine Überraschung. Bisher hatte die 46-Jährige keine besonderen Kompetenzen in Sachen Bildungspolitik sammeln können, sie arbeitete zu Finanzthemen und als Parlamentarische Geschäftsführerin. Ob Karliczek das Amt ausfüllen kann, ist ungewiss. So manche Baustelle erwartet sie, vor allem der Kampf mit den Ländern um mehr Hoheit des Bundes. Die Seiteneinsteigerin könnte frischen Elan mitbringen – oder schnell zur Fußnote werden.