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Merz fordert in Atomlaufzeit-Debatte mehr Tempo von Scholz

Berlin (dpa) - Bei der Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung der noch aktiven drei deutschen Atomkraftwerke drückt CDU-Chef Friedrich Merz aufs Tempo. Die Bundesregierung sei uneinig und gehe nicht auf das Unionsangebot ein, im Bundestag rasch über eine Bestellung neuer Brennstäbe zu entscheiden, kritisierte der Unionsfraktionschef im Bundestag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Die Ampelregierung wolle das Thema «offensichtlich auf der Zeitachse verhungern lassen. Aber das ist dann eben auch die Verantwortung der Bundesregierung.»

Merz kritisierte insbesondere die Grünen, die «erkennbar die Bremser sind, wenn es darum geht, eine Energieversorgung mit 360-Grad-Blick auf alle Optionen sicherzustellen». Die Ampel müsse sich einigen. «Damit liegt die Verantwortung beim Bundeskanzler (Olaf Scholz, SPD). Der muss von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und sagen, was er eigentlich will.»

Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies am Freitag auf den laufenden neuerlichen Stresstest, mit dem geprüft werden soll, ob ein sogenannter Streckbetrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke möglich ist. «Wenn man das Ergebnis hat, muss man sehen, ob es zu verantworten ist, das zu tun, oder nicht.» Der Bundeskanzler sei die Sicherung der Stromversorgung direkt nach Amtsübernahme angegangen.

Merz: «Bundesregierung kommt in ein wirklich großes Dilemma»

Merz bemängelte: «Es gibt erkennbar keine Einigkeit in der Koalition, ob denn überhaupt eine Laufzeitverlängerung in Erwägung gezogen wird und wenn ja, in welcher Form», bemängelte Merz. Die Folge werde sein, «dass spätestens im Frühjahr für zehn Millionen Haushalte in Deutschland eine sichere Stromversorgung ersetzt werden muss. Durch was eigentlich», fragte Merz. Insbesondere die Bestellung neuer Brennstäbe eile, sagte Merz. «Das kann man nicht erst im September, Oktober, November machen. Es müsste jetzt passieren.»

Die Behauptung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), es gebe ein Gas- und kein Stromproblem, «wird sich in den nächsten Wochen und Monaten eindeutig als falsch erweisen», sagte Merz. «Die Bundesregierung kommt bei der Energieversorgung in ein wirklich großes Dilemma, vor allem was die Stromversorgung betrifft.» Wenn etwa jeder zweite Haushalt darüber nachdenke, sich mit Strom betriebene Geräte zur Wärmeversorgung zu beschaffen, «bräuchten wir zusätzlich rund zwanzig Gigawatt Strom», sagte Merz. «Ein solcher Übergang von Öl und Gas auf Strom würde zu einem wirklichen Kollaps unseres Stromnetzes führen.»

Der CDU-Chef würde die drei bis 31. Dezember am Netz verbliebenen Kernkraftwerke Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg auch über den Jahreswechsel 2023/24 hinaus laufen lassen. Er ließ offen, ob die Unionsfraktion im Bundestag zustimmen würde, falls die Ampel sich etwa nur für eine dreimonatige Verlängerung bis Anfang 2023 entscheiden würde. «Das Atomgesetz müsste geändert werden, damit ein sicherer Betrieb auch im Jahr 2023 möglich ist. Und wenn eine solche Änderung von der Koalition vorgeschlagen wird, würden wir dem gegebenenfalls auch zustimmen. Ich sehe aber nicht, dass der Vorschlag kommt.»

Mehrheit der Bevölkerung für längere Laufzeit

Laut ZDF-«Politbarometer» plädieren in einer Umfrage 93 Prozent der Befragten für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, um die Energieversorgung in Deutschland sicherzustellen (dagegen: 6
Prozent). 65 Prozent wollen die noch aktiven Atomkraftwerke länger nutzen als vorgesehen (dagegen: 32 Prozent), und 61 Prozent sind für einen längeren Betrieb der Kohlekraftwerke (dagegen: 36
Prozent). Dabei findet sowohl eine längere Nutzung der Atom- als auch der Kohlekraftwerke in allen Parteianhängergruppen eine unterschiedlich große Mehrheit. Nur die Anhänger der Grünen
lehnen beides mehrheitlich ab.

Zu einer Wiederinbetriebnahme stillgelegter Atomkraftwerke äußerte sich Merz skeptisch. «Wenn wir in der Regierung wären, würden wir das sicher ernsthaft prüfen. Aber bei der gegenwärtigen Bundesregierung kann ich dafür keinen Willen erkennen», sagte er.