Michael Schanze: Ein Sonnyboy und seine Abgründe

Am heutigen Sonntag wird Michael Schanze 70 Jahre alt

Na klar, er ist fülliger geworden. So ein Leben - und sei es scheinbar noch so leichtfüßig wie das seine - geht schließlich nicht spurlos an einem vorüber. Im Gesicht hat Michael Schanze (70) deutlich zugelegt, die Haare kräuseln sich immer noch wie früher, sind aber deutlich grauer und kürzer geworden. Doch die Augen blicken nach wie vor schelmisch bis belustigt in die Welt, und das Lächeln ist ihm auch geblieben, obwohl es bisweilen auch nachdenklich wirkt. Liegt das nur am Alter?

70 Jahre wird er an diesem Sonntag. Eine lange und stolze Karriere liegt hinter ihm. "Er war einer der ganz Großen der Fernsehunterhaltung", schreibt das Magazin "Gala". Er ist vor allem ein Multitalent, wie es hierzulande nur ganz wenige gibt, wobei die großen Zeiten wohl endgültig vorbei sind. Schanze versuchte sich in verschiedenen Berufen, und er war in allen überaus erfolgreich.

Der Musiker

Das musikalische Talent wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Michaels Vater Arthur Schanze war Chef eines großen Rundfunkorchesters. Als Kind sang Michael in einem namhaften Knabenchor, er bekam eine klassische Klavierausbildung. Nach dem Abitur gründete er die Band Quarter Deck Combo, mit der er von einem Plattenproduzenten entdeckt wurde. Sein erster Hit war der Song "Ich bin kein Lord". Schanze schaffte es immer wieder in die Schlager-Charts. Sein Hit "Schalt mal dein Herz auf Empfang" (1978) wurde Titellied der ARD-Fernsehlotterie. Und für den Song mit der deutschen Fußballnationalmannschaft "Olé España" anlässlich der Fußball-WM in Spanien 1982 bekam er die Goldene Schallplatte.

Der Entertainer und Moderator

Diese Karriere lief praktisch parallel zur musikalischen Laufbahn. Schanze hatte mit seiner unverstellten Wesensart das Image eines charmanten Sonnyboys erlangt, der Traum aller Schwiegermütter. Bereits 1968 holte ihn der Südwestfunk als Nachwuchskünstler in seinen "Talentschuppen". Anfang der 70er-Jahre moderierte er im Bayerischen Fernsehen das ARD-Wochenend-Journal "Mobile".

1972 erhielt er im ZDF die eigene Personality-Show "Hätten Sie heut' Zeit für mich?", ein äußerst erfolgreiches Format das zeitweise über zehn Millionen Zuschauer hatte. Die Rückkehr zur ARD wurde ihm mit der "Michael Schanze Show" versüßt, sowie mit dem "Flitterabend", eine Sendung bei der frisch vermählte Brautpaare auf Hochzeitsreise geschickt wurden.

Daneben machte er als erfolgreicher Moderator von Kindersendungen von sich reden ("Telefant", "1, 2 oder 3", "Kinderquatsch mit Michael", "Wunderland"). Schanze wurde mit dem Bambi, der Goldenen Kamera und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, und er wurde in Cannes zum besten Kinderentertainer Europas gekürt.

Der Sportler

Michael Schanze, geboren in Tutzing am Starnberger See, galt zeitweise als einer der besten Windsurfer Deutschlands. 1976 belegte er bei den Weltmeisterschaften auf den Bahamas den 7. Rang.

Der Schauspieler

Im Gegensatz zu vielen Entertainern, die auch beim Film mitmischen, hat Schanze den Beruf von der Pike auf gelernt. Er absolvierte ein Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film und nahm Schauspielunterricht. Bereits 1972 spielte er im Kinofilm "Sie nannten ihn Krambambuli" eine der Hauptrollen. Richtig in Schwung kam diese Karriere aber erst nach 2002. Schanze verbindet das auch mit seiner starken Gewichtszunahme.

"Plötzlich war ich diese mächtige Erscheinung. Dafür bietet man mir nun Rollen aus der Weltliteratur an... Spätestens seit mir Professor Hellmuth Matiasek den bitterbösen, menschenverachtenden Charakter des Gagler in Carl Orffs Astutuli zugetraut hat, ist das manchmal nervige Image des immer gut gelaunten Sonnyboys vorbei." Er war der Milchmann Tevje im Musical "Anatevka" und er spielte eineinhalb Jahre an der Oper Chemnitz den Zirkusdirektor Obolski in "Das Feuerwerk - O mein Papa". Das Theater ist die neue Bühne von Michael Schanze geworden - er wirkt bei namhaften Festspielen in ganz Deutschland mit.

Der Komponist und Autor

Komponiert hat er eigentlich schon immer. Bereits als junger Musiker und jetzt, in seinen reifen Jahren, schreibt er Musicals. Sein Singspiel "Bambi" wird im Sommer 2017 uraufgeführt, Schanze arbeitet bereits am zweiten Musical "Heidi". Außerdem hat er sechs Kinderbücher geschrieben.

Das wahre Leben

Wo viel Licht strahlt, fällt auch der eine oder andere Schatten. Michael Schanze musste diese Erfahrung bereits als Kind machen. Sein geliebter Vater Kurt, mit dem er oft am Klavier saß und der mit ihm nächtliche Segeltouren auf dem Starnberger See unternahm, beging Selbstmord, als sein Sohn neun Jahre alt war - ein Ereignis, das ihm heute noch zu schaffen macht.

"Die Leute gingen uns teilweise aus dem Weg und wechselten aus Verlegenheit oder Verachtung die Straßenseite. Es galt nun mal als große Sünde, sich das Leben genommen zu haben. Von einem Tag auf den anderen waren wir nicht mehr die Familie des Musikers, den man im Radio hörte, sondern die Familie eines Selbstmörders", sagte Schanze dem Magazin "Bunte".

"Die Konsequenz war, dass ich nicht mehr zu Hause sein durfte. Meine Mutter musste ja arbeiten, konnte mich nicht betreuen, also kam ich ins Pfarrwaisenhaus", erinnert er sich. Dort und später auch im Kinderchor-Internat gab's reichlich Prügel. "Diese Höchstleistung, die von dem Chor verlangt wurde, kriegst du nicht hin, wenn du zu deinen jungen Sängern sagst: ,Ach, was bist du für ein süßer Kerl!' Nein, als Chorleiter haust du dem süßen Kerl eine runter und schreist ihn an: ,Was singst du denn da für eine Scheiße zusammen'."

Ein weiterer großer Rückschlag war für ihn das Ende seiner Ehe im Jahr 2000. Die Karriere hatte sein Privatleben aufgefressen, für Ehefrau Monika und die drei gemeinsamen Söhne blieb kaum noch Zeit. "Es war ein schleichender Prozess, bis ich realisierte: Ich gehöre nicht mehr dazu, ich erreiche meine Liebsten nicht mehr."

Da lernte seine Frau einen anderen Mann kennen... "Monika hatte sich in einen Tennisspieler verliebt. Das war ganz, ganz grausig für mich. Ich stand schon am Fenster, schaute nach unten und dachte: Wenn du jetzt runterhüpfst, ist alles vorbei." Hinzu kommen berufliche Misserfolge, seine Shows werden abgesetzt, Rollenangebote bleiben aus, die Selbstzweifel werden immer quälender. Schließlich verletzt er sich bei einem Skiunfall schwer, monatelange Behandlungen, eine Knieprothese und starke Schmerzen sind die Folge.

Das alles hat er überwunden. Die Krisen, die körperlichen und seelischen Schmerzen. Da ist für ihn seine Figur nur mehr der kleinste aller Brocken. "Das Gewicht schwankt zwischen 120 und 130 Kilo. Ich strebe die 1 in der Mitte an - und wenn's nur 119 Kilo wären", sagte er im vergangenen Herbst zum "Express". Der Sonnyboy ist eben ein echter Pfundskerl.

Foto(s): imago/Future Image