Mini-Serie "A Very English Scandal": Besser war Hugh Grant noch nie

Eine verbotene Beziehung, eine dreiste Erpressung, ein dilettantisches Mordkomplott - und eine wahre Geschichte: "A Very English Scandal" zeigt Hugh Grant und Ben Whishaw in Bestform.

Es gäbe nur einen Weg, den großen Skandal zu verhindern, erklärt Jeremy Thorpe: "Norman Scott muss sterben." Er erklärt das seinem besten Freund und Parteikollegen so sachlich, als würde er ihm die nächsten Schritte seiner Wahlkampfstrategie vorstellen. Und irgendwie tut er das auch, denn das letzte, was Jeremy Thorpe, Shooting-Star der britischen Liberalen, jetzt gebrauchen könnte, wäre ein längst abgelegter Ex-Lover, der in der Presse über ihre Beziehung auspackt. Thorpe sollte damit Recht behalten: Tatsächlich entwickelte sich die Angelegenheit zu einem der größten Polit-Skandale Großbritannien, den Stephen Frears mit seinem Dreiteiler "A Very English Scandal" (19 September, Sony Channel, empfangbar unter anderem über Amazon, Magenta TV oder Vodafone Giga TV) nun genüsslich seziert. In den Hauptrollen: Hugh Grant und Ben Whishaw.

Aber von vorn: Im Jahr 1965, als Homosexualität in England noch unter Strafe stand, erhält Jeremy Thorpe (Hugh Grant), oder besser gesagt, seine Mutter, einen expliziten Brief. Verfasst wurde er von Norman Scott (Ben Whishaw), Thorpes ziemlich naiven, vielleicht etwas dummen, auf jeden Fall instabilem Ex-Lover. Mit seinen Drohungen, alte Liebesbriefe und damit die Beziehung öffentlich zu machen, will Scott eigentlich nur erreichen, dass Thorpe sich um eine neue Sozialversicherungskarte für ihn kümmert. Doch Thorpe wittert sein öffentliches Image in Gefahr - und für das hat er immerhin das Opfer gebracht, entgegen seiner eigentlichen Neigung zu heiraten und einen Sohn zu zeugen. Für ihn ist klar: Norman Scott muss verschwinden, auf welchem Weg auch immer.

Tragisch, komisch, britisch

Je älter er werde, desto britischer werde er, hieß es einmal über Stephen Frears - und das schon, bevor er sich in "The Queen" (2006) und "Victoria & Abdul" (2017) zwei britischen Königinnen widmete. Tatsächlich versteht sich kaum ein anderer Regisseur so gut darauf, die berühmte englische Zurückhaltung in Gefühlsdingen sichtbar zu machen und dabei trotzdem den größtmöglichen komischen oder dramatischen Effekt zu erzielen.

Für jene Momente bietet der Skandal um Politiker Jeremy Thorpe, der 1979 schließlich vor Gericht landete, mehr als genug Material. Für die tragischen etwa, wenn ganz nebenbei die Situation homosexueller Männer zur Sprache gebracht wird, die in England und Wales bis 1967 als Straftäter galten, in Schottland und Nordirland sogar noch länger. Für die komischen ausgerechnet, wenn es um das Mordkomplott gegen Norman Scott geht, das dilettantischer kaum hätte ausgeführt werden können.

Noch mehr sticht in diesem Dreiteiler aber eine andere Qualität Frears' ins Auge: Sein unbestrittenes Talent, das Beste aus seinen Darstellern herauszuholen. Wie komplex der Charakter des Norman Scott wirklich ist, zeigt sich spätestens im dritten Akt, der der spektakulären Gerichtsverhandlung gewidmet ist. Whishaw zeigt ihn zerbrechlich und naiv, aber mutig im offenen Umgang mit seiner Homosexualität und in der Lage, gewiefte Anwälte vor Gericht mit schlagfertigen Antworten zu beeindrucken.

Und Hugh Grant? Dem wurde schon bei seiner letzten Zusammenarbeit mit Frears, "Florence Foster Jenkins", die beste Leistung seiner Karriere bescheinigt. Verfrüht, wie sich nun zeigt. Sein Jeremy Thorpe ist eine höchst unterhaltsame Gratwanderung zwischen eiskalter Berechnung und einnehmendem Politikercharme. Eine Parodie auf das reale Vorbild, könnte man meinen, doch Zeitgenossen bescheinigten Grant in der britischen Presse, seine Performance sei auf den Punkt. Gut möglich, dass er dafür am 22. September den Emmy gewinnt. Der BAFTA zumindest, die höchste britische Film- und Fernsehauszeichnung, ist ihm wohl jetzt schon sicher.