Moritz Führmann und Anna Schudt: "Tatort" zum Frühstück

Moritz Führmann (38) spielte den brutalen, aber verzweifelten Serientriebtäter Kristian Friedland im "Tatort: Nachtsicht". Es ist der erste "Tatort", nachdem Sabine Postel (62) und Oliver Mommsen (48) ihren Ausstieg aus der TV-Reihe ankündigten. Welche Rolle das beim Dreh spielte, und wie er sich auf seine tragische Figur vorbereitete, verrät der Schauspieler - und Ehemann von "Tatort"-Kommissarin Anna Schudt (42, Rolle: Martina Böhnisch, Dortmund) - im Interview mit spot on news:

Sabine Postel und Oliver Mommsen hören beim "Tatort" auf. Was sagen Sie denn dazu, nachdem Sie mit den beiden zusammengearbeitet haben?

Moritz Führmann: Die beiden sind wirklich ein starkes, eingespieltes Team und man merkt, dass die Arbeit dadurch sehr viel leichter von der Hand geht. Was mich sehr beeindruckt hat: Wir hatten am vergangenen Wochenende eine Preview in einem Kino in Bremen und da konnte man erleben, wie sehr die Bremer ihr "Tatort"-Team lieben. Da hat man schon gemerkt, was ein "Tatort" für eine Stadt bedeuten kann.

Was halten Sie von dem Entschluss der beiden aufzuhören?

Führmann: Oli hat es so erklärt, dass man irgendwann einfach auch mal neue Herausforderungen sucht. Das kann ich als Schauspieler natürlich total nachvollziehen. Für mich war es auf jeden Fall sehr besonders, nochmal mit den beiden einen "Tatort" gedreht zu haben.

Wussten Sie bei den Dreharbeiten schon, dass die beiden aufhören werden?

Führmann: Nein, ich habe es auch erst vergangene Woche erfahren. Im ersten Moment hat es mich schon etwas überrascht, weil ich das Gefühl hatte, dass sie gerade an einem Punkt sind, an dem sie sich neu erfinden und eine härtere Gangart einschlagen.

Sie spielen im "Tatort: Nachtsicht" den Serienkiller Kristian Friedland. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Führmann: Je mehr ich mich mit dem Drehbuch und meiner Rolle beschäftigt habe, umso mehr wurde es für mich eine Liebesgeschichte. Eine gescheiterte Liebesgeschichte zwischen Sohn und Vater. Und neben all den Grausamkeiten diese Familie zu erkunden, das war die eigentliche Aufgabe für mich.

Was halten Sie von Ihrer Figur Kristian Friedland?

Führmann: Für mich war es die Geschichte von jemandem, der nicht gesehen wird. Ich habe das Gefühl, die beiden Eltern könnten auch ganz gut ohne ihren Sohn. Den brauchen sie eigentlich gar nicht. Der Sohn versucht, sich mit seinen gezeichneten Bildern auszudrücken. In der Konsequenz legt er zu Beginn das Handy an den Tatort, um gefunden zu werden. Er will zeigen, zu was er fähig war. Der Vater lässt das aber bis kurz vor Schluss des Films gar nicht zu.

Und wie haben Sie sich mit den Grausamkeiten Ihrer Rolle vertraut gemacht?

Führmann: Zu Beginn der Dreharbeiten konnte ich mich einen halben Tag lang mit diesem umgebauten Auto beschäftigen. Ich bin dann damit über ein paar Sandsäcke gefahren, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es ist, über etwas zu rollen. Und schon das war echt grenzwertig.

Das Auto ist eigentlich auch einer der Hauptdarsteller des Films...

Führmann: Absolut. Mit wie viel Sorgfalt dieses Auto gebaut und mit wie viel grausamer Fantasie es versehen wurde, das hat mich schwer beeindruckt. Auch bei der Preview im Kino hat dieser Dorn unter dem Auto beim Publikum nochmal so einen richtigen Schauder hervorgerufen. Man hat gemerkt, wie die Fantasie losging. Das war wirklich krass. Man sieht ja nicht viel von den Leichen, umso intensiver ist dafür das Kopfkino, auch durch die Geräusche.

Welche gesellschaftliche Relevanz hat der "Tatort"?

Führmann: Es geht um die Problematik des Wegschauens innerhalb der Familie und des engsten Kreises. Wie können es die Angehörigen schaffen, die Anzeichen der Verzweiflung nicht auszublenden, sondern genau hinzusehen. Es ist doch schon krass, wie sehr die Hilfeschreie des Jungen - Selbstmordversuch, Drogengeschichten etc. - über Jahre hinweg nicht gesehen wurden. Stattdessen haben Eltern und Freundin einfach ihr Leben weitergelebt. Nach dem Motto: Wir vertrauen, gucken nicht genau hin und dann wird es schon gut sein. Wegschauen, um selbst klarzukommen... Das Fazit könnte also sein: Die Mitmenschen genau anschauen, versuchen, einander zu verstehen.

Sie sind mit Anna Schudt, "Tatort"-Ermittlerin in Dortmund, verheiratet. Inwiefern war Ihr "Tatort"-Einsatz daheim ein Thema?

Führmann: Sie war mit bei der Preview. Und bei der Begrüßung hat man schon gemerkt, dass es fast so eine Art Familie ist. Aber dass meine Frau die Bösen jagt und ich diesmal ein Böser war, war nur am Frühstückstisch mal kurz Thema. Ich bin ganz froh, dass nicht sie mich überführt hat. Das wäre fürs familiäre Karma schwierig gewesen. Im "Tatort: Hydra" standen wir als Staatsanwalt und Kommissarin zusammen vor der Kamera. Im Gegensatz zu Zuhause durfte ich dann mal der Chef sein (lacht).

Ist es generell komisch für Sie beide, zusammen zu spielen, oder können Sie das Private schnell ausblenden?

Führmann: Weder noch. Wir beide können ganz toll miteinander arbeiten. Wir schätzen uns auch in unserer Arbeit sehr und beflügeln uns. Wir haben uns ja auch auf der Bühne kennengelernt. Damals haben wir Geschwister gespielt. Sie war Anna Karenina, ich ihr Bruder Stiwa [Stepan A. Oblonskji], und nach der Premiere ist aus den Geschwistern dann ein Paar geworden...

Foto(s): imago/Lumma Foto, Radio Bremen