Osterruhe wieder gekippt - Merkel übernimmt Verantwortung

Alles zurück auf den Anfang: Die erst wenige Stunden alte und hoch umstrittene Corona-Osterruhe wird es nicht geben. Die Kanzlerin macht einen Rückzieher und entschuldigt sich für die Verunsicherung. Der Opposition reicht das nicht.

Kanzlerin Angela Merkel. (Bild: Filip Singer - Pool/Getty Images)
Kanzlerin Angela Merkel. (Bild: Filip Singer - Pool/Getty Images)

Nach dem überraschenden Kippen der umstrittenen Osterruhe-Regelung hat sich Kanzlerin Angela Merkel bei den Menschen in Deutschland entschuldigt. Der ganze Vorgang habe zusätzliche Verunsicherung ausgelöst, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch in Berlin. «Das bedauere ich zutiefst und dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung.»

Merkel übernahm dafür die volle Verantwortung. «Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler», betonte sie. «Denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung. Qua Amt ist das so.» Ein Fehler müsse als solcher benannt und vor allem korrigiert werden - «und wenn möglich hat das noch rechtzeitig zu geschehen, sagte Merkel weiter.

Die Idee sei «mit bester Absicht entworfen worden», betonte Merkel. Man müsse es unbedingt schaffen, die dritte Welle der Pandemie zu bremsen. «Dennoch war die Idee der sogenannten Osterruhe ein Fehler. Sie hatte ihre guten Gründe, war aber in der Kürze der Zeit nicht gut genug umsetzbar, wenn sie überhaupt jemals so umsetzbar ist, dass Aufwand und Nutzen in einem halbwegs vernünftigen Verhältnis stehen», sagte Merkel.

Lesen Sie auch: Mehr als 75 000 Corona-Tote in Deutschland seit Pandemiebeginn

Die Kanzlerin erläuterte, dass zu viele Fragen - von der Lohnfortzahlung bis zur Lage in Geschäften und Betrieben - in der Kürze der Zeit nicht so hätten gelöst werden können, wie es nötig gewesen wäre.

Zuvor hatte die Kanzlerin in einer kurzfristig angesetzten Konferenz den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ihre Entscheidung mitgeteilt. Auch die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag wurden informiert. Merkel wiederholte die im Kanzleramt vorgetragene Erklärung anschließend nochmals zum Beginn der Regierungsbefragung im Bundestag. Dabei entschuldigte sie sich auch bei den Abgeordneten.

Gemeinsame Verantwortung

Bund und Länder hatten in der Nacht zu Dienstag unter anderem einen verschärften Oster-Lockdown vom 1. bis 5. April beschlossen, um das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben stärker herunter zu fahren. Der Gründonnerstag und der Karsamstag sollten dafür zu Ruhetagen erklärt werden. Daran war aber massive Kritik laut geworden, es gab zudem große Verwirrung um die praktische Umsetzung.

In der kurzen Bund-Länder-Runde drückten nach dpa-Informationen die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ihren Respekt für die Kanzlerin aus und betonten die gemeinsame Verantwortung. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte nach Angaben von Teilnehmern: «Ich habe persönlichen Respekt vor der Erklärung der Kanzlerin. Es ist am Ende besser, jetzt abräumen, wenn es rechtlich nicht geht.» Letztlich seien die Verfahrensabläufe «auch Teil des Problems».

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) äußerte Teilnehmern zufolge seinen «großen Respekt» dafür, dass die Kanzlerin die Verantwortung für das in der Corona-Pandemie bislang einmalige Vorgehen übernehmen wolle. Aber: «Das müssen wir alle auf uns nehmen. Wir haben diesen Weg mitgetragen und nicht widersprochen.» Es sei richtig und zwingend notwendig, dass Politik berechtigte Kritik aus der Praxis aufnehme und Fehlentscheidungen korrigiere. Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU) sagte dem Vernehmen nach ebenfalls, es sei gut, Dinge auch mal zurückzunehmen.

"Veritable Vertrauenskrise"

FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner begrüßte die Rücknahme der Osterruhe. «Einen Fehler zu korrigieren, verdient Respekt», schrieb er bei Twitter. Die Entscheidung sei richtig. «Allerdings ist der Vorgang Ausdruck des gesamten Managements der Pandemie», fügte Lindner hinzu. Das Pandemiemanagement müsse unter Einbeziehung des Parlaments auf neue Grundlagen gestellt werden. «Wir sind zur Mitwirkung bereit.»

Lesen Sie auch: EU will Exportregeln wegen Impfstoffstreits mit Astrazeneca verschärfen

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte die Kanzlerin auf, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. «Wir haben inzwischen eine veritable Vertrauenskrise gegenüber der politischen Führung des Landes», sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio fragte die Kanzlerin später im Bundestag, ob sie nicht die Vertrauensfrage stellen müsse. «Ich habe meinen Worten von eben nichts hinzuzufügen», antwortete Merkel darauf.

Merkel verteidigt Bund-Länder-Runden

Merkel hat die Runden mit den Ländern als Steuerungsgremium in der Corona-Krise grundsätzlich gegen Kritik verteidigt. Es gebe sehr viele und sehr gute gemeinsam getragene Entscheidungen mit den Ministerpräsidenten, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. "Über die Verbesserung der Arbeitsweise (...) werden wir auch noch einmal miteinander reden." Dies sei in den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch so besprochen worden. So wie im Parlament gebe es bei den Bundes- und Landesregierungen Sachverstand. "Das zeichnet unsere föderale Ordnung aus."

Merkel hob zugleich die jeweilige Zuständigkeit des Bundes und der Länder im Krisenmanagement hervor. "Jede Ebene in der Demokratie hat ihre Verantwortung." Der Bund könne bei vielem unterstützen, aber nicht alles machen. "Die Verteilung von Selbsttests an Schulen gehört wirklich nicht zu den Aufgaben, die eine Bundesregierung leisten kann", sagte die Kanzlerin und verwies auf die Länder und Kommunen. Die Länder hätten erklärt, dass ihr Bedarf (...) bei der Bestellung der Tests gedeckt sei. "Wir bestellen jederzeit nach, wenn die Länder der Meinung sind, dass sie mehr von den Tests brauchen."

Zu Forderungen, der Bundestag direkt solle über das Corona-Vorgehen entscheiden, verwies Merkel auf ein generelles Spannungsverhältnis zwischen Bund und Ländern. Die Länder hätten beim Infektionsschutz eine Vielzahl von Verordnungsmöglichkeiten, von denen sie auch Gebrauch machen wollten - landesweit oder je nach Landkreis. Wenn der Bundestag einen Stufenplan beschließen würde, wäre dies nicht so einfach. Dies müsste dann auch vom Bundesrat so akzeptiert werden.

Im Video: Zu viele Partytouristen: Miami Beach verlängert Ausnahmezustand