Nach Rücktrittswelle droht das Misstrauensvotum: Die Luft für Theresa May wird dünn
Erst David Davis, jetzt Dominic Raab: Wieder ist ein Brexit-Minister zurückgetreten. Die oppositionelle Labour Partei sieht die Regierung um Premierministerin Theresa May auseinanderbrechen. Jetzt droht sogar ein Misstrauensvotum.
Der britische Brexit-Minister Dominic Raab ist aus Protest gegen den Vertragsentwurf zum EU-Austritt von seinem Amt zurückgetreten. Das teilte Raab am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Aber es droht weiteres Ungemach: Ein führender Brexit-Befürworter der britischen Konservativen will ein Misstrauensvotum gegen Premierministerin Theresa May im Parlament anstrengen.
Wie die Nachrichtenagentur Press Association unter Berufung auf einen Sprecher meldet, werde Jacob Rees-Mogg die Abstimmung offiziell beantragen. Damit diese stattfindet, sind 48 entsprechende Briefe von Parlamentariern aus Mays Partei notwendig. Diese Zahl war Medien zufolge bereits seit Monaten beinahe erreicht. Der Tory-Abgeordnete Rees–Mogg steht einer Gruppe von rund 80 Brexit-Hardlinern in der Fraktion vor. Unklar ist, ob die Gruppe May wirklich stürzen kann. Sie braucht dafür eine Mehrheit der 315 konservativen Abgeordneten.
Today, I have resigned as Brexit Secretary. I cannot in good conscience support the terms proposed for our deal with the EU. Here is my letter to the PM explaining my reasons, and my enduring respect for her. pic.twitter.com/tf5CUZnnUz
— Dominic Raab (@DominicRaab) 15. November 2018
Heute bin ich von meinem Posten als Brexit-Minister zurückgetreten. Ich kann die Bedingungen, die für unser Geschäft mit der EU vorgeschlagen werden, nicht mit gutem Gewissen unterstützen. Hier ist mein Brief an den Premierminister, der meine Gründe und meinen anhaltenden Respekt für sie darlegt.
Auch Staatssekretär legt Amt nieder
Kurz zuvor war auch der britische Nordirland-Staatssekretär Shailesh Vara zurückgetreten. Der Tory-Politiker nannte Großbritannien eine “stolze Nation”, die nicht darauf reduziert werden sollte, den Regeln anderer Länder zu gehorchen. “Die Menschen in Großbritannien verdienen Besseres”, erklärte Vara per Twitter. Medien rechneten mit weiteren Rücktritten von Politikern in diesen Tagen aus Protest gegen die Brexit-Pläne der Premierministerin Theresa May. Als mögliche Rückzugskandidaten wurden unter anderem Handelsminister Liam Fox, Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt und Arbeitsministerin Esther McVey genannt.
With much sadness and regret I have submitted my letter of resignation as a Northern Ireland Minister to the Prime Minister. A copy of my letter is attached.
It has been a joy and privilege to serve in the Northern Ireland Office and I will always cherish the fondest memories. pic.twitter.com/SN8j4OwhYD— Shailesh Vara MP (@ShaileshVara) 15. November 2018
Raab ist wie sein Vorgänger David Davis, für den er eine Zeit lang als Büroleiter arbeitete, ein Brexit-Hardliner. Auch Davis war wegen großer Differenzen mit May über den geplanten EU-Austritt im Juli 2018 zurückgetreten. Kurz nach der Ernennung Raabs zum Brexit-Minister hatte May die Brexit-Verhandlungen zur Chefsache erklärt. Sie teilte Raab eine Stellvertreterrolle bei den Gesprächen mit Brüssel zu. Großbritannien will Ende März 2019 die Europäische Union verlassen.
Staatssekretärin und Arbeitsministerin wollen nicht mehr
Auch Brexit-Staatssekretärin Suella Braverman und Arbeitsministerin Esther McVey sind von ihrem jeweiligen Amt zurückgetreten. Das teilten Braverman und McVey am Donnerstag per Kurznachrichtendienst Twitter mit. Sie protestiert damit gegen das Brexit-Abkommen von Premierministerin Theresa May.
It is with deep regret and after reflection that I have had to tender my resignation today as a Brexit Minister. Thank you for the opportunity. I look forward to working to support Brexit from the Backbenches. This has not been an easy decision. pic.twitter.com/C0kply8aLE
— Suella Braverman MP (@SuellaBraverman) 15. November 2018
Earlier this morning I informed the Prime Minister I was resigning from her Cabinet pic.twitter.com/ZeBkL5n2xH
— Esther McVey (@EstherMcVey1) 15. November 2018
Labour sieht Ende der May-Regierung
In einer fünfstündigen Debatte hatte sich May am Mittwochabend die Zustimmung ihres Kabinetts für den Entwurf des Brexit-Abkommens gesichert. Sie wollte das 585 Seiten starke Dokument an diesem Donnerstagvormittag dem Parlament in London vorstellen. Dabei muss sie sich allerdings auf starken Gegenwind einstellen. May dürfte erhebliche Probleme haben, für den Deal eine Mehrheit im Unterhaus zu finden, das den Vertrag später ratifizieren muss.
Nach dem Rücktritt Raabs sieht die britische Opposition Mays Regierung auseinanderfallen. Die Premierministerin verfüge über keine Autorität mehr. “Die sogenannte Einigung löst sich vor unseren Augen auf”, sagt ein Labour-Vertreter.
Die größte britische Oppositionspartei hat im Parlament bereits Widerstand in Aussicht gestellt. Ihr Brexit-Sprecher, Keir Starmer, sagte, die Vereinbarung sei ein “miserables Scheitern von Verhandlungen”. Er signalisierte in der Fernsehsendung “Good Morning Britain”, dass May wahrscheinlich nicht auf seine Partei zählen könne, um die Stimmen der Abgeordneten ihrer Konservativen Partei auszugleichen, die wohl dagegen stimmen werden.
Was macht EU-Ratspräsident Donald Tusk ?
EU-Ratspräsident Donald Tusk berief unterdessen einen Sondergipfel ein, um den Austrittsvertrag der Europäischen Union mit Großbritannien unter Dach und Fach zu bringen. Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs soll am 25. November in Brüssel stattfinden.
Die Opposition hatte bereits angekündigt, gegen das Abkommen zu stimmen. Herbe Kritik kam auch von Brexit-Hardlinern in ihrer eigenen Partei und der nordirischen DUP. Mays Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der DUP-Abgeordneten angewiesen.
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