Oscars 2020: Das sind die Favoriten

Steht mit insgesamt elf Oscar-Nominierungen ganz oben: Todd Phillips' "Joker" mit Joaquin Phoenix (Bild: Warner Bros. Entertainment Inc. / Niko Tavernise)
Steht mit insgesamt elf Oscar-Nominierungen ganz oben: Todd Phillips' "Joker" mit Joaquin Phoenix (Bild: Warner Bros. Entertainment Inc. / Niko Tavernise)

Das Filmjahr kommt stets sehr spät aber verlässlich zu seinem Höhepunkt: Am 9. Februar entscheidet sich, wer in Hollywood das vergangene Jahr geprägt hat. Die Oscarverleihung ist der kulturelle Gradmesser und das Highlight nicht nur für die Filmbranche und seine Fans. Die ganze Welt schaut auf die Veranstaltung - in den vergangenen Jahren stark politisch durchdrungen - im Dolby Theatre in Los Angeles, wenn es wieder lautet: "And the Oscar goes to..." Doch wer sind eigentlich die Favoriten auf einen Goldjungen und warum?

Bester Film

"1917"; "The Irishman"; "Jojo Rabbit", "Joker"; "Le Mans 66 - Gegen jede Chance"; "Little Women"; "Marriage Story"; "Once Upon a Time... in Hollywood"; "Parasite".

In der "Königsdisziplin" ist Netflix gleich mit zwei Filmen vertreten, "The Irishman" von Martin Scorsese (77) und Noah Baumbachs (50) "Marriage Story". Das Scheidungsdrama punktet mit überzeugenden Darstellern und einem herausragenden Drehbuch. Aber ob die Academy den als "Feind des klassischen Kinos" verschrienen Streamingdienst den wichtigsten Preis zugestehen wird?

Szene aus "Marriage Story" (Bild: Netflix)
Szene aus "Marriage Story" (Bild: Netflix)


"Once Upon a Time... in Hollywood" von Quentin Tarantino (56) holte sich den Golden Globe als "Bester Film - Komödie/Musical", das beeindruckende Kriegsdrama "1917" von Sam Mendes (54) gewann "Bester Film - Drama". "1917" wird als heimlicher Favorit gehandelt. Oder setzt sich doch "Joker" durch, der insgesamt elf Nominierungen abstauben konnte? Mit "Parasite" könnte ein internationaler Beitrag als bester Film geehrt werden, aber Bong Joon-ho (50) fallen wohl eher Außenseiterchancen zu. Es heißt eher: Hollywood-Kino vs. Netflix-Produktion.

Beste Regie

Martin Scorsese - "The Irishman"; Todd Phillips - "Joker"; Sam Mendes - "1917"; Quentin Tarantino - "Once Upon a Time... in Hollywood"; Bong Joon Ho - "Parasite".

Die "Beste Regie" könnte eine enge Kiste werden. Martin Scorsese hat bisher "nur" einen Regie-Oscar ("The Departed") erhalten. Andererseits wäre der Award nun für "The Irishman", ein Mafia-Epos, seine Spezialität. Oscar-Preisträger Sam Mendes ("American Beauty") hat mit "1917" sehr gute Karten auf seinen zweiten Award: Die Story des Kriegsdramas ist emotional und er fesselt den Zuschauer im packenden "One-Shot-Movie". Und dann wäre da noch Quentin Tarantino mit bisher null Regie-Oscars auf dem Konto, der es trotzdem oder gerade deswegen werden könnte. "Once Upon a Time... in Hollywood" ist seine persönliche Hommage an Hollywood und er wäre jetzt einmal "an der Reihe".

Bester Hauptdarsteller

Antonio Banderas - "Leid und Herrlichkeit"; Leonardo DiCaprio - "Once Upon a Time... in Hollywood"; Adam Driver - "Marriage Story"; Joaquin Phoenix - "Joker"; Jonathan Pryce - "Die zwei Päpste".

Joaquin Phoenix (45) dürfte seinen ersten Oscar erhalten - seine "Joker"-Performance ist beispiellos, obwohl er ihn für andere Filme ("Walk The Line", "The Master") auch verdient gehabt hätte. Er hat die Award-Season dominiert. Den anderen Nominierten kommt allesamt eher eine Außenseiterchance zu. Es wäre eine handfeste Überraschung, wenn Phoenix leer ausgehen würde.

Joaquin Phoenix ist der "Joker" (Bild: Warner Bros. Entertainment Inc./Niko Tavernise)
Joaquin Phoenix ist der "Joker" (Bild: Warner Bros. Entertainment Inc./Niko Tavernise)


Auch wenn Adam Driver (36) mit seiner unaufgeregten Darbietung in "Marriage Story" überzeugt. Dass Jonathan Pryce (72) für "Die zwei Päpste" den Vorzug als Hauptdarsteller vor Anthony Hopkins (82) bekommen hat, der als Nebendarsteller nominiert ist, ist durchaus verwunderlich. Eigentlich hätten beide in die Haupt-Kategorie gehört.

Beste Hauptdarstellerin

Cynthia Erivo - "Harriet - Der Weg in die Freiheit"; Scarlett Johansson - "Marriage Story"; Saoirse Ronan - "Little Women"; Charlize Theron - "Bombshell - Das Ende des Schweigens"; Renée Zellweger - "Judy".

Renée Zellweger (50) gilt als klare Favoritin auf den Oscar für "Judy". Sie hat wie Phoenix bisher alle Awards abgestaubt. In dem Biopic mimt sie Hollywood-Ikone Judy Garland (1922-1969) und derlei Geschichten zählen durchaus zu den Lieblingen der Academy. Scarlett Johansson (35), die ihre erste und zweite Oscar-Nominierung 2020 erhalten hat, brilliert in "Marriage Story", doch ihre Chancen auf den Sieg sind wohl eher gering.

Judy Garland verkörpert von Renée Zellweger (Bild: 2019 eOne Germany)
Judy Garland verkörpert von Renée Zellweger (Bild: 2019 eOne Germany)


Sollte die Academy in Sachen MeToo-Debatte ein Zeichen setzten wollen, könnte Charlize Theron (44) überraschend jubeln. Wenn man dem "#OscarssoWhite"-Vorwurf entgehen will, könnte Cynthia Erivo (33) für "Harriet - Der Weg in die Freiheit" ausgezeichnet werden.

Bester Nebendarsteller

Tom Hanks - "Der wunderbare Mr. Rogers"; Anthony Hopkins - "Die zwei Päpste"; Al Pacino - "The Irishman"; Joe Pesci - "The Irishman"; Brad Pitt - "Once Upon a Time... in Hollywood".

Es könnte tatsächlich auf den ersten Schauspiel-Oscar für Brad Pitt (56) hinauslaufen. Über seine Performance in "Once Upon a Time... in Hollywood" hat er in seinen bisherigen Dankesreden ebenso einige Witze gerissen wie über sein Privatleben bzw. seinen Single-Status. Bei den BAFTAs ließ er Co-Star Margot Robbie (29) einen Seitenhieb auf die Royals austeilen. Man möchte wissen, was er im Falle seines Oscar-Gewinns auf der Bühne zum Besten gibt.

Brad Pitt als Cliff Booth in "Once Upon a Time... in Hollywood" (Bild: Sony Pictures Entertainment)
Brad Pitt als Cliff Booth in "Once Upon a Time... in Hollywood" (Bild: Sony Pictures Entertainment)


Allerdings tritt Pitt gegen vier echte Hollywood-Schwergewichte: Anthony Hopkins, die "Irishman"-Darsteller Al Pacino (79) und Joe Pesci (76) sowie Tom Hanks (63). Hanks, der die Titelfigur in "Der wunderbare Mr. Rogers" spielt, scheint in der Nebendarsteller-Kategorie fehlplatziert. Sollte Pitt den Kürzeren ziehen wäre es eine handfeste Überraschung.

Beste Nebendarstellerin

Kathy Bates - "Der Fall Richard Jewell"; Laura Dern - "Marriage Story"; Margot Robbie - "Bombshell - Das Ende des Schweigens"; Scarlett Johansson - "Jojo Rabbit"; Florence Pugh - "Little Women".

Laura Dern (l.) zusammen mit Scarlett Johansson (Bild: Netflix/Wilson Webb)
Laura Dern (l.) zusammen mit Scarlett Johansson (Bild: Netflix/Wilson Webb)


Laura Dern (52) wählt ihre Rollen mit Bedacht. Sie ist die vermeintlich klare Favoritin als gewiefte Anwältin in "Marriage Story". Derns Zeit auf einen Oscar scheint gekommen. Außenseiter-Chancen hat vielleicht die junge Britin Florence Pugh (24), die in "Little Women" aus dem beachtlichen Cast hervor sticht. Ihre Amy ist als charmantes und egoistisches Nesthäkchen die auffallendste der vier March-Schwestern. Ob mit oder ohne Oscar, es dürfte erst der Anfang für Florence Pugh sein.

Bestes Originaldrehbuch

Noah Baumbach - "Marriage Story"; Bong Joon-ho und Han Jin-won - "Parasite"; Rian Johnson - "Knives Out - Mord ist Familiensache"; Sam Mendes und Krysty Wilson-Cairns - "1917"; Quentin Tarantino - "Once Upon a Time... in Hollywood".

Noah Baumbach wurde für sein Drehbuch zu "Marriage Story" hoch gelobt, es punktet mit pointierten Dialogen, ausgearbeiteten Figuren, keinen gekünstelten Szenen oder langatmiger Handlung. Die beiden Hauptdarsteller Johansson und Driver glänzen nicht zuletzt dank Baumbachs Vorlage. Ihm könnte aber Quentin Tarantinos "Once Upon a Time... in Hollywood" die Auszeichnung strittig machen, er gewann bereits den Golden Globe für das "Beste Drehbuch". Es wäre sein dritter Drehbuch-Oscar nach "Pulp Fiction" (1994) und "Django Unchained" (2012).

Scarlett Johansson und Adam Driver in "Marriage Story" (Bild: Netflix/Wilson Webb)
Scarlett Johansson und Adam Driver in "Marriage Story" (Bild: Netflix/Wilson Webb)


Vielleicht setzt sich aber auch Sam Mendes mit "1917" durch, oder aber Rian Johnson (46, "Star Wars: Die letzten Jedi"), dem mit der Krimi-Komödie "Knives Out - Mord ist Familiensache" ein echter Überraschungserfolg gelungen ist.

Bestes adaptiertes Drehbuch

Greta Gerwig - "Little Women"; Anthony McCarten - "Die zwei Päpste", Todd Phillips und Scott Silver - "Joker", Taika Waititi - "Jojo Rabbit", Steven Zaillian - "The Irishman".

Keine Regie-Nominierung für Hoffnungsträgerin Greta Gerwig (36), dafür aber die Oscar-Chance mit "Little Women" in der Kategorie "Bestes adaptiertes Drehbuch". Gerwig macht aus der Romanvorlage von 1868 ein witziges und kluges Erzählstück mit spannend interpretierten March-Schwestern - ein Plädoyer auf den liberalen Feminismus. Ihren ersten Oscar macht Greta Gerwig etwa "The Irishman" und Drehbuchautor Steven Zaillian (67, "Schindlers Liste") streitig, der sich Charles Brandts Roman "I Heard You Paint Houses" bedient hat. Zaillian ist ein Autor-Schwergewicht, der in der Kategorie bereits 1994 siegte, für "Schindlers Liste" (1993).

Szene aus "The Irishman" mit Joe Pesci und Robert De Niro (Bild: 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Wilson Webb)
Szene aus "The Irishman" mit Joe Pesci und Robert De Niro (Bild: 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH / Wilson Webb)


Hinzukommt Taika Waititi (44) mit seinem Drehbuch zu "Jojo Rabbit", basierend auf dem Roman "Caging Skies" von 2008. Der Neuseeländer hat in seine schräge Hitler-Satire viel Mut und Witz gesteckt und dadurch eine kuriose Interpretation geschafft, die mit ihren urkomischen Figuren zugleich provoziert und berührt.