Oscars: Bewegende Rede vom Gewinner des Ukraine-Kriegsfilms "20 Days in Mariupol"

"Ich wünschte, ich hätte diesen Film nie gemacht"

Raney Aronson-Rath (l), Mstyslaw Tschernow und Michelle Mizner posieren im Presseraum mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm für
Raney Aronson-Rath (l), Mstyslaw Tschernow und Michelle Mizner posieren im Presseraum mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm für "20 Tage in Mariupol" bei der Oscar-Verleihung im Dolby Theatre in Los Angeles. (Bild: Jordan Strauss/Invision via AP/dpa)

Für einen besonders emotionalen Moment der diesjährigen Oscar-Verleihung sorgte Mstyslaw Tschernow, der mit seinem Film "20 Days in Mariupol" den Preis für den besten Dokumentarfilm gewonnen hat. In seiner denkwürdigen Dankesrede zeigte er, welche Bedeutung der Film nicht nur für ihn, sondern auch für sein Land hat.

Er begann dafür mit Worten, die wahrscheinlich noch nie ein anderer Regisseur nach einem Oscar-Gewinn gesagt hat: "Ich wünschte, ich hätte diesen Film nie gemacht." Doch Tschernow erklärt sich: Ihm wäre es lieber, dass es keinen Krieg gäbe, auch wenn er dann natürlich keinen Film gedreht hätte. "Ich wünschte ich könnte das [den Oscar] dagegen eintauschen, dass Russland nie die Ukraine angegriffen hätte, nie unsere Städte besetzt hätte", so der Ukrainer. Natürlich sei er stolz den ersten Oscar für sein Land gewonnen zu haben, doch er freue sich auf die Zeit, wenn der Krieg vorbei ist, und die Ukraine für ihre Kunst Preise gewinnen kann.

"Ich kann die Geschichte nicht ändern", so Tschernow weiter in seiner Rede. "Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Aber wir können sicher gehen, dass die Geschichte richtig aufgezeichnet wird und dass die Wahrheit die Oberhand gewinnt und dass die Menschen von Mariupol und diejenigen, die ihr Leben geopfert haben, niemals vergessen werden."

"Es ist ein menschlicher Notfall"

Tschernows Oscar-Gewinn kommt zu einem symbolischen Zeitpunkt, wie der Regisseur in weiteren Interviews backstage betonte. Vor zwei Jahren, am 9. März 2022 wurde ein Entbindungsklinik in Mariupol bei einer russischen Attacke zerstört, vier Menschen starben und die Bilder gingen als Paradebeispiel für eines der schlimmsten russischen Kriegsverbrechen um die Welt. Tschernow erklärt: "Es ist ein signifikanter Moment, es ist ein symbolischer Moment, und dieser Moment wurde das Symbol für die russische Invasion der Ukraine."

Mittlerweile sei Unterstützung für die Ukraine aber oft zu einem politischen Spielball geworden, kritisierte der Filmemacher. Er hoffe, dass "20 Days in Mariupol" daran erinnere, dass "das eine menschliche Katastrophe ist und keine politische Frage. Es ist ein menschlicher Notfall."

Davon handelt "20 Days in Mariupol"

"20 Days in Mariupol" ist ein Film von Mstyslaw Tschernow, Michelle Mizner und Raney Aronson-Rath und dokumentiert rund drei Wochen lang die Erlebnisse von AP-Journalisten in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol während der russischen Belagerung Anfang 2022. Die Journalisten zeigen die katastrophalen Folgen der Belagerung für die Zivilbevölkerung und bringen sich dabei teilweise selber in große Gefahr. Der Film wurde bereits mit zahlreichen weiteren Preisen ausgezeichnet. Derzeit ist er auch in der ARD-Mediathek verfügbar.