Panne oder Fälschung? AfD-Abgeordneter zitiert falsch aus dem Grundgesetz

Die AfD pocht oft auf das Grundgesetz. Aber weiß sie auch, was drinnen steht? (Bild: Getty Images)
Die AfD pocht oft auf das Grundgesetz. Aber weiß sie auch, was drinnen steht? (Bild: Getty Images)

Hat ein AfD-Politiker die Bundeskanzlerin beim Lügen ertappt? In einem Tweet stellt Hansjörg Müller eine Aussage von Angela Merkel dem Text des Grundgesetzes gegenüber. Mit den Reaktionen auf seine Aktion hat der AfD-Mann wahrscheinlich nicht gerechnet.

Man hätte es für einen Aprilscherz halten können, wäre der Beitrag nicht einen Tag zu früh veröffentlicht worden. Am 31. März postete Hansjörg Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD im Bundestag, einen Auszug aus dem Grundgesetz, für den er seither heftig gescholten wird.

Worum geht es? Müller stellte ein Zitat der Bundeskanzlerin, das diese am 25. Februar 2017 im Rahmen einer CDU-Parteiveranstaltung in Stralsund getätigt hatte, einem Textabschnitt aus dem Grundgesetz (GG) gegenüber. Müller wollte damit aufzeigen, dass Angela Merkel seiner Meinung nach wider geltendes Recht agiere.

Merkel sagte in Stralsund: „Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt.“ Laut Artikel 20 des Grundgesetzes heißt es aber: „Staatsvolk im Sinne des Grundgesetzes sind Deutsche mit deutscher Staatsangehörigkeit.“ Wer ist also Deutscher? Alle, die hier wohnen oder nur die mit deutschem Pass?

Wer einen Blick ins tatsächliche Grundgesetz wirft, erkennt schnell, dass sich dort ein ganz anderer Text findet, als der von Müller gepostete. Artikel 20 des GG enthält vier Absätze, von denen jedoch keiner die von Müller zitierte Stelle enthält.

Volker Beck von den Grünen war einer der ersten Politiker, der Müller in dieser Angelegenheit auf Twitter bloßstellte:

Der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat von der Linkspartei sieht es ähnlich wie sein Oppositionskollege von den Grünen.

Für den SPD-Politiker und Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber hätte sich dieses Missgeschick vermeiden lassen können:

Hat Hansjörg Müller also gelogen? Hat der AfD-Mann den Text des Grundgesetzes absichtlich verdreht, um eigene Anliegen und die Interessen seiner Partei zu pushen? Oder hat sich Müller einfach vertan? Letztes scheint der Fall zu sein.

Der von Müller zitierte Satz findet sich zwar im gesamten Grundgesetz nicht. Aber Artikel 116 enthält eine Passage, die zumindest inhaltlich dem Müller Posting nahekommt. In Absatz 1 heißt es da wortwörtlich: „Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“

Laut der Rechtsredaktion der ARD ist die Antwort, wer Deutscher sei, ganz einfach. Der ARD-Faktenfinder stellt klar: Deutscher ist man per Abstammung, per Geburtsort oder per Einbürgerung. Sprich: Wer deutsche Eltern hat, ist automatisch Deutscher. Wer in Deutschland als Kind ausländischer Eltern geboren wird, ist dann Deutscher, wenn sich ein Elternteil mindestens acht Jahre hier regelmäßig aufgehalten hat und zudem ein unbeschränktes Bleiberecht besitzt. Außerdem kann man durch Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft Deutscher werden.

Somit gilt: Nicht jeder, der in Deutschland lebt, ist auch Deutscher. Aber das hat Angela Merkel auch nicht behauptet. Die Kanzlerin sagte lediglich „Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt.“

So einfach, wie Hansjörg Müller es in seinem Tweet darstellt, ist die Wahrheit dann eben doch nicht.