Petrys Heil

Bei „Hart aber fair“ diskutierten Politiker und Journalisten über die Ursachen von rechter Gewalt. Für die AfD-Vorsitzende Frauke Petry gibt es hierzulande größere Gefahren: Linksextremisten und Medien.

Moderator Plasberg: War das heute Abend eine Veranstaltung der 'Lügenpresse'? (Foto: WDR)
Moderator Plasberg: War das heute Abend eine Veranstaltung der 'Lügenpresse'? (Foto: WDR)

 

Oft sagt die Mimik mehr als alle Worte. Bei Frauke Petry beispielsweise. Gestern saß die Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ und hielt – zumindest ihren Gesichtszügen zufolge – ihre Mitdiskutanten ausnahmslos für Trottel. Egal wer was sagte: Petry zog entweder ihre Mundwinkel abschätzig nach unten, lächelte süffisant oder schüttelte beleidigt ihren Kopf. Jede Faser suggerierte: Ihr habt keine Ahnung. Man kennt dieses Phänomen von Sekten aller Couleur – ein unumstößlicher Glaube, in einem Meer aus Dummheit die einzig gültige Wahrheit gefunden zu haben. Störende Fakten werden ausgeblendet, Gegenargumente zu einer Verschwörung umgedeutet.

„Vom Wutbürger zum Brandstifter – woher kommt der rechte Hass?“, lautete die Frage der gestrigen Ausgabe von „Hart aber fair“ und wer verstehen wollte, wie die AfD funktioniert, dem bot Petry reichlich Anschauungsmaterial.

Zuletzt lief es nicht so gut für die 40-Jährige. Zwar liegt die AfD Umfragen zufolge bei rund 7 Prozent, doch die Vorsitzende musste einige Niederlagen einstecken. Beim Parteitag in Hannover vor wenigen Tagen stimmten die Delegierten mehrheitlich gegen ihr Asylkonzept, ihr Noch-Ehemann distanzierte sich öffentlich von ihren politischen Positionen und für einen Auftritt beim Bundespresseball erntete sie Spott. Ausgerechnet die Chefin einer Truppe, deren Mitglieder die Medien als „Lügenpresse“ verunglimpfen, feierte im Berliner Hotel Adlon mit über 500 Journalisten. So schnell sind nicht mal die Grünen im politischen Establishment angekommen.

Bei „Hart aber fair“ gab Petry die Jean d'Arc für frustrierte Wutbürger. „Viele Leute in Deutschland haben Angst, offen zu sprechen, denn es gibt keine Meinungsfreiheit mehr“, behauptete sie. Fakt ist: Es läuft kaum eine Talkshow, in der kein AfD-Vertreter seine Thesen unters Volk bringen kann. In Dresden und anderen Städten artikulieren „besorgte Bürger“ lautstark, wie sie umgehen wollen mit Flüchtlingen (abschieben) und Politikern (aufhängen). „Sie können hierzulande alles über die politische Elite sagen, was sie wollen“, entgegnete dann auch die ZDF-Journalistin Dunja Hayali.

Ähnlich weit weg von der Realität bewegte sich Petry bei der Frage: Woher kommt der rechte Hass? Mit Brandstiftern habe die AfD nichts zu tun, sagte sie, ihre Partei sei nicht rechtsextrem und im übrigen müsse viel mehr über gewalttätige Linksextremisten diskutiert werden. Linksextremisten? Fakt ist: Allein in diesem Jahr verübten Ausländerfeinde 65 Brandanschläge auf Flüchtlingsheime. Insgesamt zählte die Polizei über 700 Angriffe auf Asylbewerber. Petrys Parteifreund Björn Höcke fordert, dass „Erfurt schön deutsch bleiben“ soll; er halluziniert von „1000 Jahren Deutschland“, von „Volksverrätern“ und „Lumpenpack“. Georg Mascolo, Leiter eines Rechercheteams von NDR, WDR und Süddeutscher erklärte: „Gewalt beginnt mit Sprache, etwa wenn Politiker ihrer Partei davon sprechen, Politiker an die Wand zu stellen.“

„Völkischen Stumpfsinn aus dem 19. Jahrhundert“, nannte Boris Pistorius, Innenminister aus Niedersachsen die Entgleisungen Höckes. „Wir müssen den Flüchtlingen helfen, die zu uns kommen und die hier eine Perspektive haben“, sagte der SPD-Politiker. Statt Ängste zu verstärken, müsse man den Menschen ihre Ängste nehmen. Frauke Petry versuchte es immerhin mit einer vorsichtigen Distanzierung. Höckes Wortwahl wäre nicht die ihre.

Inhaltlich kam von der AfD-Vorsitzenden ansonsten nicht viel. Eine Lösung für die Flüchtlingskrise? „Wir müssen die vielen Wirtschaftsflüchtlinge schneller abschieben“, erklärte Petry. Fakt ist: Die Mehrheit der Menschen kommt aus den Kriegs- und Krisengebieten Syrien, Afghanistan und Eritrea zu uns. Asylbewerber aus sicheren Balkanstaaten haben schon jetzt kaum eine Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht.

„War das heute abend eine Veranstaltung der 'Lügenpresse'?, fragte Moderator Frank Plasberg am Schluss. Sie habe dieses Wort nie benutzt, entgegnet Frauke Petry. Das stimmt. Petry spricht neuerdings von „Pinocchio-Presse“. Das ist natürlich etwas ganz anderes. Im übrigen, so die AfD-Chefin, sollten Journalisten einfach mal über sich selbst lachen. Bleibt zu hoffen, dass Petry auf Kritik an ihrer Politik künftig ebenfalls humorvoll reagiert – und sich nicht wie bislang als Opfer inszeniert.

Von Frank Brunner