Pfingst-Tatort „Wer jetzt allein ist“: Mit den Waffen einer Frau

Nach dem Mord an einer Studentin ermitteln die Dresdner “Tatort”-Kommissarinnen auf einem Datingportal – als “Kinky” und “Star” jagen sie böse Buben.

Die Waffen einer Frau: In ihrem letzten Fall muss Alwara Höfels als Kommissarin Henni Sieland im Dresdner “Tatort” harte Geschütze auffahren. Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronatoie Wa
Die Waffen einer Frau: In ihrem letzten Fall muss Alwara Höfels als Kommissarin Henni Sieland im Dresdner “Tatort” harte Geschütze auffahren. Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronatoie Wa

Darum ging es:

Eine junge Studentin, Doro Meisner, wird vor einem Club tot aufgefunden, kaltblütig erwürgt. Schnell werden die Ermittler auf das (Online-)Datingverhalten der Toten aufmerksam. Im Internet war sie als Birdy auf einer Plattform namens “Love Tender” (natürlich nicht zu verwechseln mit einem Song von Elvis oder Tinder) unterwegs und wurde dort offensichtlich von einer Gruppe von Männern bedroht, die sich von ihr getäuscht fühlten. Die Kommissarinnen Hennie Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) tauchen dann ihres Zeichens als verdeckte Ermittlerinnen in Sachen Liebe, Lüge, Leidenschaft ein in die Dating- und Flirt-Hölle. Ein bisschen Angst muss sein…Es vergeht einem, so viel darf gesagt sein, spätestens nach diesem Tatort ein wenig die Freude am hemmungslosen Chatten mit Fremden. Das Drehbuch stammt von Erol Yesilkaya, der den “Tatort” zuvor mit “Taxi Driver”- und “Se7en”-Varianten bereichert hat.

Kann Höfels letzter Fall als Dresdner Kommissarin damit überzeugen? Geschmackssache…

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Unnützes Wissen am Rande:

“Wer jetzt allein ist” heißt diese Folge, in Anlehnung an ein berühmtes Rilke-Gedicht, „Herbsttag“: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“

Weniger poetisch, dafür unfreiwillig komisch kommt dieser Tatort daher.

Der Unterhaltungswert:

Drei von fünf Sternchen. Maximum.

Amüsant sind vor allem jene Szenen, in denen die Ermittlerinnen sich als perfekte Lockvögel inszenieren und Sieland von der Kollegin fordert: „Geileres Bild, geilerer Name.“ Am Ende landen sie bei „Kinky“ und „Star“, bereit Männer zu verführen im Dienste der Aufklärung…Mit den Waffen einer Frau, Lippenstift und sexy Fotos inklusive.

Galerie: Diese Stars stiegen freiwillig aus dem Tatort aus

Die Kommissarinnen widersetzen sich den Anweisungen ihres Chefs (Bild: MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronato)
Die Kommissarinnen widersetzen sich den Anweisungen ihres Chefs (Bild: MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronato)

Nebenbei erwähnt: Die beiden widersetzen sich mit ihren Netzrecherchen den Empfehlungen ihres Vorgesetzten, Herr Schnabel. Denn der hat – völlig zu Recht – so seine Bedenken an den Ermittlungsmethoden: Befangenheit, vor Gericht nicht verwertbares Beweismaterial, das Risiko.

Den Damen ist das egal. Und so landen sie flugs bei einer ganzen Reihe von mysteriösen Männern: Tja, was geschieht da wohl nun? Ohne zu viel zu spoilern: Richtig, eine der beiden gerät in die Fänge des Bösewichts…

Die Verdächtigen:

Zehn Männer kommen anfangs in Frage. Alle waren „Vogeljäger“, alle waren auf der Ü30-Party, nach deren Verlassen die junge Frau umgebracht wurde. Allesamt sind sie blass skizzierte und auf ihre Weise gestörte Typen. Da wäre zunächst etwa Thomas Frank (Bernd-Christian Althoff), der die Dating-Plattform gegründet hat – und kurzzeitig als potentieller Mörder ins Spiel gebracht wird, weil “Birdy” den meisten Traffic produzierte. Ahja. Am Ende stellt sich heraus, dass er mit der Identität von Doro ein Geschäft gemacht hatte: Das Mädchen war längst nicht mehr aktiv: Examensvorbereitung statt Flirts. Doch der Betreiber von „Love Tender“ hatte ihr Profil neu erstellen lassen und für Nebeneinkünfte benutzt.

Aber ein Mörder? Nein, das ist er nicht.

Ins Visier geraten im Lauf der drögen Ermittlungen – wisch und weg – schließlich zwei weitere vermeintliche Liebessuchende: Die beiden Kommissarinnen nehmen mutig (oder naiv?) mit den beiden Hauptverdächtigen Kontakt auf – und die gehen ins Netz. Andreas Koch und Petrick Wenzel heißen die bösen Buben. Koch und Gorniak treffen sich ganz unverfänglich im Restaurant, Sieland hingegen besucht Wenzel ganz unbedarft zu Hause.

Kommissarin Sieland lässt sich undercover auf ein Blind Date ein (Bild: MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronato)
Kommissarin Sieland lässt sich undercover auf ein Blind Date ein (Bild: MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronato)

Romantisch knuspern sie Erdnussflips („Mag ich, die kleben nicht so am Gaumen“), die Kommissarin zeigt sich erst gerührt, dass Wenzel liebevoll seine kranke Mutter pflegt– bis sie die Fotos von Doro Meisner auf dem Smartphone entdeckt. Wenig überraschend entpuppt sich der zunächst so charmante Mann, Typ Traumschwiegersohn, als Psycho. Alfred Hitchcock hätte an ihm seine Freude. Der Zuschauer weniger. Zu flach bleibt die Rolle – und alles ein wenig zu vorhersehbar.

Das Finale:

Am Ende folgt ein gewollt dramatischer SEK-Einsatz, die Kommissarin wird gerettet – und es folgt ein nicht minder dramatisch inszenierter, kitschig anmutender Epilog, der den abrupten Abschied von Henni Sieland verkündet – und mit einer tiefen Sinn- und Lebenskrise erklärt. Das betrifft, das sei der Vollständigkeit halber betont, natürlich die Figur, nicht die Schauspielerin Alwara Höfels, die wiederum die Zusammenarbeit wegen „künstlerischer Differenzen“ nach „vielen Gesprächen“ beendet hat.

Damals und heute: Tatort-Duos im Wandel der Zeit

Sinn sucht man jedoch auch in diesem Tatort ein wenig vergeblich.

Der letzte „Tatort“ mit Höfels ist nicht ihr schlechtester, im Gegenteil. Doch leider ist er stellenweise ermüdend, darüber kann auch das an sich gut durchdachte Drehbuch nicht hinwegtäuschen. Schon der Plot insgesamt wirkt zu sehr wie „schon mal dagewesen“, die Idee an sich, einen Krimi in die gar nicht so schöne Schweinwelt von Tinder und Co. zu verlagern ist nicht originell – und in diesem Fall vor allem nicht besonders einfallsreich umgesetzt. Zu durchschaubar, zu konstruiert wirkt der Ablauf stellenweise.

Zu Gute halten kann man eines:

Es wirkt nie so, als komme dieser Tatort – wie so oft – mit dem moralischen Zeigefinger daher, dem öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag, der uns hier aufklären und warnen will vor gefährlichen Flirts mit unbekannten und dem bösen Internet mit all seinen dunkelsten Abgründen und all den Killern, die da irgendwo an ihren Bildschirmen nur auf das nächste Opfer lauern…

Doch einmal mehr beweist der Tatort:

Die Dichte der psychisch Auffälligen ist Sonntagabend (oder in diesem Fall feiertagsbedingt am Montagabend) im Fernsehen im Ersten größer als in der Realität einer Geschlossenen.

Ob Alwara Höfels deswegen geschmissen hat? Es bleibt spannend, wo die Ex-Kommissarin künftig zu sehen sein wird. Ihre Nachfolgerin jedenfalls ist bereits bekannt. In der kommenden Dresden-Ausgaben wird Cornelia Gröschel das Team unterstützen. Willkommen in der Welt der Verrückten!

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