Eine Polonaise vergisst man nicht: Kölner Tanzschule bietet Kurse für Demenzkranke an

Der Andrang bei dem monatlichen Termin ist groß.

Um kurz nach 14 Uhr wird es turbulent in der kleinen Haltebucht an der Bonner Straße. In rascher Folge halten kurz nacheinander vier Kleinbusse, die Türen fliegen auf und die Fahrgäste steigen aus. Die wenigsten schaffen das ohne Hilfe. Die meisten sind auf den Rollstuhl oder den Rollator angewiesen. Hans-Georg Stallnig eilt herbei, begrüßt jeden Gast mit Handschlag, ein paar Damen bietet er galant seinen Arm an und geleitet sie persönlich in Innere. Der 63-Jährige leitet mit seiner Frau Constanze die Tanzschule Stallnig-Nierhaus. Rollstuhl, Rollator, Tanzsaal? Finde den Fehler! Es gibt keinen. Einmal im Monat heißt es in der Schule „Wir tanzen wieder!“. An diesen Nachmittagen gehört das Parkett Menschen, die an Demenz erkrankt sind, ihren Angehörigen und Gästen. Eifrigster Tänzer ist Stefan Kleinstück. Der Koordinator des Demenz-Servicezentrums Region Köln und das südliche Rheinland lässt keinen Termin und keinen Tanz aus. Die Initiative „Wir tanzen wieder!“ ist sein „Kind“. 2007 ging es los. Der begeisterte Hobbytänzer hatte die Idee, Demenzkranke zum Tanzen zu motivieren. Ganz bewusst in einer öffentlichen Tanzschule und nicht an einem „künstlichen Ort“ wie einem Bastelraum oder Gymnastikraum, den man für den Tanztee behelfsmäßig in der Mitte etwas freigeräumt hat. Es geht nicht um Leistung, sondern das vertraute Gefühl „Ich habe mir gedacht, Bewegung, Tanz und Musik, das müsste funktionieren. Auch dann noch, wenn aufgrund der Demenz vieles nicht mehr geht.“ Richtig gedacht. Der Zuspruch zu den Tanznachmittagen ist groß. Zwischen 40 und 60 Personen nehmen jeweils teil. Die Gruppen und Paare kommen aus Köln und der Region. Mitmachen darf jeder, der Lust zum Tanzen hat. Mittlerweile gibt es „Wir tanzen wieder!“ in ganz Deutschland. Tanzlehrer Georg Stallnig ist bei diesen Nachmittagen Conférencier, Tänzer, Disc-Jockey und Charmeur. Mindestens drei verschiedene Damen erhebt er zu „meiner Königin“. Die Atmosphäre ist heiter-beschwingt. Neulinge und Stammgäste harmonieren prächtig. Stallnig bietet Walzer, Cha-Cha, Samba, Foxtrott, Swing, Rock’n’Roll und Hip-Hop an. Einen flotten Standardtanz legt hier niemand aufs Parkett. Es sind vielmehr Wiegeschritte, leichte Drehungen und ganz beliebt – Polonaisen. Es geht nicht um sportliche und choreografische Leistungen, sondern um das Wecken von vertrauten Gefühlen über die Bewegung und die Musik. Der Tanzschul-Leiter legt auch Schlager und kölsche Klassiker auf. Bei „Bye, Bye My Love“ von den Bläck Fööss bewegt auch die Dame, die zuvor fast eineinhalb Stunden nahezu regungslos in ihrem Rollstuhl gesessen hat, zum ersten Mal den Arm und winkt. Am Montag, 4. September, 14.30 Uhr, heißt es in der Tanzschule Stallnig-Nierhaus erneut „Wir tanzen wieder!“. www.wir-tanzen-wieder.de...Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta