Positiver Corona-Test: Was hilft gegen Angst und Sorge?

Zwei Striche bedeuten: Der Corona-Schnelltest ist positiv. Was nun?
Zwei Striche bedeuten: Der Corona-Schnelltest ist positiv. Was nun?

Manche nehmen eine Corona-Infektion locker auf, andere wirft sie mental aus der Bahn. Expertinnen geben Tipps zum Umgang mit Krankheit und Schuld - und aufkommender Ungeduld im Genesungsprozess.

Höhr-Grenzhausen/Andernach (dpa/tmn) - Eine Coronavirus-Infektion belastet nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche: Betroffene machen sich Sorgen um Langzeitfolgen, haben Angst, andere angesteckt zu haben, und sind vielleicht ungeduldig, weil die Beschwerden lange anhalten. Doch es gibt Strategien, die dagegen helfen.

«Wie in jeder stressigen Situation ist es individuell unterschiedlich, wie Menschen auf die Erkrankung als Stressor reagieren», sagt Laura Letschert, systemischer Resilienz-Coach aus Höhr-Grenzhausen in Rheinland-Pfalz.

Grundsätzlich empfiehlt sie jedem, sich zunächst einen kleinen Schutzraum zu schaffen, um sich zu sammeln. Dafür reiche schon ein Moment nach dem positiven Test, in dem man für sich selbst durchatmen kann. Was auch hilfreich sein könne: Eine Liste anzufertigen, was zu tun ist und welche Dinge in diesem Moment besonders wichtig sind.

«Vermutlich wird mir sehr schnell klar, dass es darum geht, Ruhe zu bewahren. Dass ich gut für mich sorgen muss, um schnell wieder gesund zu werden - und natürlich, dass ich keine anderen Menschen anstecke», sagt Letschert. Ein solcher Moment der Besinnung und Klarheit führt idealerweise dazu, dass man bewusst agieren kann, anstatt nur zu reagieren. Das gibt ein Gefühl der Kontrolle in dieser oft überfordernden Situation.

Die Sorgen ums Umfeld und Schuldgefühle

Vermutlich kommen schnell Gedanken und Sorgen darüber auf, wen man angesteckt haben könnte. Oder das Wissen, dass man bereits jemanden im eigenen Umfeld infiziert hat. Wie kann man damit umgehen?

«Es ist eine gesunde Reaktion in intakten Sozialgefügen, dass man diejenigen Menschen, mit denen man zusammenlebt und zu denen eine Bindung besteht, schützen will», erklärt Christa Roth-Sackenheim, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aus Andernach in Rheinland-Pfalz.

Wenn tatsächlich klar ist, dass man jemanden angesteckt hat, sei entscheidend, ob man selbst von der eigenen Infektion hätte wissen können, sagt Roth-Sackenheim. Vielleicht traten Symptome auf, die man nicht ernst genommen hat? «In diesem Fall ist eine ernste und offene Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortung unumgänglich», so die Expertin. «Am besten spricht man mit dem Infizierten darüber, fragt ihn, wie es ihm geht und berichtet von den eigenen Schuldgefühlen.»

Konnte man von der eigenen Infektion nichts wissen und hat sich an die Regeln gehalten, Maske getragen und Abstand gehalten: Dann kann man sich sagen, dass es sozusagen Schicksal war. «Zudem sind aber die weiteren Auswirkungen auf die angesteckte Person entscheidend», sagt Roth-Sackenheim. «Verstirbt jemand tatsächlich, kann das dazu führen, dass man ein lebenslanges Schuldgefühl behält.»

Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit

Auch um Ort und Zeitpunkt der eigenen Ansteckung kreisen die Gedanken vieler Betroffener. «Es ist ein Urbedürfnis des Menschen, die Gründe für einen Sachverhalt zu verstehen», erklärt die Fachärztin für Psychiatrie. «Insofern werden wir diese Frage, wo man sich angesteckt hat, nicht vermeiden können.»

Man müsse sich aber klar machen, dass es nie eine hundertprozentige Sicherheit im Leben gebe. So lassen sich ja auch durch Vorsicht im Straßenverkehr oder eine gesunde Lebensweise nicht zwingend Unfälle oder Erkrankungen verhindern. «Letztlich hat man keine Wahl», sagt Roth-Sackenheim: «Man muss akzeptieren, dass man infiziert wurde und gegebenenfalls erkrankt ist. Dann geht es im Grunde nur noch darum, dass man medizinisch im Fall der Fälle gut versorgt wird.»

Wie geht man mit Worst-Case-Szenarien um?

Auch wenn die Covid-19-Erkrankung zunächst ohne schwere Symptome verläuft: Die Angst vor Langzeitfolgen besteht bei vielen. Wie stark sie ausgeprägt ist, hängt von der individuellen Einstellung ab. «Die Frage ist, wie sehr man generell in Worst-Case-Szenarien eintaucht», sagt Resilienz-Coach Laura Letschert.

Ihre Empfehlung dazu: «Immer, wenn ich merke, ich bewege mich in Was-wäre-wenn-Prozesse, dann sollte ich es im ersten Schritt erkennen - und dann bewusst einen anderen Gedanken setzen, der mir guttut, Hoffnung gibt und mich stärkt.»

Um die eigenen Gedankenkreise zu unterbrechen, sei es hilfreich, kleine Zettel als Erinnerung in die Wohnung zu hängen oder mit Familienmitgliedern darüber zu sprechen, rät Letschert. «Man kann sie bitten, einen immer daran zu erinnern, dass man sich nicht so viele negative Gedanken machen wollte.»

Gleichzeitig sei es wichtig, Sorgen und Ängsten den nötigen Raum zu geben. «Wenn man sie unterdrückt, kommen sie umso lauter und stärker zurück», so Letschert. Es gehe um den Mittelweg zwischen Anerkennung der eigenen Sorgen und einer positiven Einstellung zur Zukunft.

Ein weiterer Tipp: Einzelne Beschwerden nicht überbewerten. «Wenn ich schon vorher oft Kopfschmerzen hatte, dann bedeuten Kopfschmerzen nach der Infektion nicht, dass etwas Schlimmes im Körper passiert», sagt die Expertin. «Man muss sich bewusst machen, dass man diese Beschwerden schon vorher hatte und dass es schon immer gesundheitlich bessere und schlechtere Tage gab.»

Geduld im Genesungsprozess

Vielen fällt es schwer, geduldig mit sich selbst und dem Genesungsprozess zu sein. «Auch hier hilft die Akzeptanz: Man sollte sich lösen von Gedanken daran, wie es früher war», sagt Letschert. Die Situation hat sich verändert und sie wird sich wieder verändern - das sei auch ohne eine solche Erkrankung der natürliche Lauf des Lebens. «Wir können nicht an einem gewünschten Zustand festhalten.»

Trotzdem ist es normal, diese Lage als frustrierend und belastend zu erleben. «Letztlich ist es eine Situation, die eine enorme Anpassungsleistung abverlangt», sagt Roth-Sackenheim, die Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP) ist. Es hänge unter anderem von der eigenen Persönlichkeit, individuellen Resilienzfaktoren und sozialer Unterstützung ab, wie gut man diese Herausforderung bewältigt.

Die Expertin rät, sich auszutauschen mit anderen Betroffenen, sich zu vernetzen und Erfahrungen zu teilen. Aber: «Man sollte nicht ständig googeln!» Hilfreich, um die eigene Widerstandsfähigkeit und Akzeptanz zu steigern, seien auch Entspannungsverfahren wie Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training oder Yoga.

«Aber nicht unter dem Aspekt der Leistung, sondern der Achtsamkeit», sagt Roth-Sackenheim, «und um zu lernen, was der Körper und der Geist jetzt brauchen.»