Pumpspeicher-Technologie - Plötzlich werden 100 Jahre alte Kraftwerke zum Turbo für die Energiewende

Tiefe Stollen müssen beim Ausbau des Pumpspeicherkraftwerks Forbach in den Berg gegraben werden, wie hier bei einer Aufnahme Anfang Mai<span class="copyright">Artis/Uli Deck/EnBW</span>
Tiefe Stollen müssen beim Ausbau des Pumpspeicherkraftwerks Forbach in den Berg gegraben werden, wie hier bei einer Aufnahme Anfang MaiArtis/Uli Deck/EnBW

Sogenannte Pumpspeicherkraftwerke existieren teilweise schon seit mehr als 100 Jahren. Jetzt entdecken Energieversorger die Wasserkraft-Technologie wieder für sich - und bauen die Kraftwerke für Hunderte Millionen Euro aus. Denn in der Energiewende können die alten Kraftwerke eine wichtige Rolle einnehmen.

Pumpspeicherkraftwerke sind eine ideale Ergänzung zu anderen Erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenkraft. Sie können die witterungs- und tageszeitabhängige Einspeisung ausgleichen und so zur Stabilität der Stromnetze beitragen.

280 Millionen Euro für 100 Jahre alte Technologie

Im Schwarzwald, genauer gesagt in Forbach im Kreis Rastatt, hat der 280 Millionen Euro teure Ausbau des örtlichen Pumpspeicherkraftwerks (PSW) begonnen. Herzstück des Projekts ist ein riesiger unterirdischer Wasserspeicher mit einem Fassungsvermögen von 200.000 Kubikmetern. Das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach, ursprünglich zwischen 1914 und 1926 erbaut, hat die Region seit Jahrzehnten zuverlässig mit Strom versorgt. Es besteht aus vier Einzelkraftwerken mit einer derzeitigen Gesamtleistung von rund 68 Megawatt.

Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG erweitert nun dieses bestehende Speicher- und Laufwasserkraftwerk zu einem leistungsstarken Pumpspeicherkraftwerk. Das Projekt umfasst zwei der vier Einzelkraftwerke, das Schwarzenbachwerk und das Murgwerk, die aktuell eine Leistung von 65 Megawatt haben. Nach Abschluss der Arbeiten wird die Leistung auf 77 Megawatt steigen. Besonders hervorzuheben ist die neue Pumpturbine, die zusätzlich 57 Megawatt Pumpleistung bereitstellen wird.

Ein Energiespeicher, nur aus Wasser? Das geht

Die neue Kraftwerkstechnik wird komplett in einer Kaverne im Inneren des Bergs installiert. In einer zweiten Kaverne entsteht der neue unterirdische Wasserspeicher. Zusammen mit dem bestehenden Ausgleichsbecken in Forbach werden künftig insgesamt 400.000 Kubikmeter Speicherwasser für den Pumpbetrieb zur Verfügung stehen.

Für die EnBW sind die Speicherkraftwerke daher „Möglichmacher der Energiewende“, wie es in einer Mitteilung heißt. Sie fungieren im Prinzip wie Wasserkraftwerke mit riesigen Batterien: Überschüssige Sonnen- und Windenergie wird genutzt, um Wasser von einem tiefer gelegenen in ein höher gelegenes Speicherbecken zu pumpen. Bei Bedarf wird dieses Wasser wieder abgelassen, wodurch Turbinen und Generatoren Strom erzeugen. Diese Methode ermöglicht es, Energie genau dann zu produzieren, wenn sie benötigt wird – und trägt somit zur Versorgungssicherheit bei.

Die Erweiterung soll die Stromproduktion an der Schwarzenbachtalsperre um zehn Prozent steigern und damit einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes leisten. In den kommenden Monaten werden Bergleute tiefe Stollen in den Berg treiben, um die nötigen Kavernen für die Turbinen, Generatoren und den Wasserspeicher zu schaffen. Die Spreng- und Abbrucharbeiten unter Tage sollen etwa 18 Monate dauern. Die Inbetriebnahme des neuen Pumpspeicherkraftwerks ist für Herbst 2027 geplant.

Das alte neue Kraftwerk am Freizeitsee

Nicht nur in Forbach hat man den Wert dieser alten Technologie erkannt: Auch das einst stillgelegte Kraftwerk Happurg, direkt an einem beliebten Nürnberger Stausee, soll bald wieder in Betrieb gehen.

Der Betreiber Uniper hatte dies bereits angekündigt, nun sollen die ersten Arbeiten beginnen. Bis 2028 will Uniper damit das größte Pumpspeicherkraftwerk in Bayern reaktivieren – doch zuerst müssen diverse Instandsetzungsmaßnahmen abgeschlossen werden, wie vom Oberbecken oder die Anlagentechnik.

Ursprünglich wurde das Happurger Werk vor knapp 13 Jahren aufgrund von Rissen im Oberbecken teilweise abgeschaltet – nach knapp 53 Jahren Betrieb. Die Freizeitnutzung des Sees, zum Beispiel für Angler oder Segler, soll durch die erneute Inbetriebnahme allerdings nicht eingeschränkt werden.

Seit fast 20 Jahren keine neuen Pumpspeicher

Doch wo ein Boom ist, kommt zuvor Stillstand. Wieso waren PSW jahrelang abgemeldet? Schließlich galten sie einst als zuverlässige Lieferanten, die Strom lieferten, wenn die Grundstromlast – in der Regel aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken stammend – gesichert werden musste.

Stattdessen ging fast 20 Jahre lang kein neues Pumpspeicherwerk ans Netz. Ein Grund für die jahrzehntelange Flaute: Der Bau solcher Kraftwerke ist ein großer Eingriff in die Natur. Sieht man von der Umwidmung bereits bestehender Gewässer ab, müssen neben den eigentlichen Pumpen auch Gewässerbecken zur Speicherung gebaut werden.

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Die für die Speicherung und Stromproduktion notwendige Wasserentnahme aus den Gewässern schwankt – Tiere sind darauf allerdings nicht vorbereitet, heißt es unter anderem in einer Analyse des Energiekonzerns Vattenfall. Eine australische Studie kam 2020 außerdem zu dem Ergebnis, dass Pumpspeicherkraftwerke die Trinkwasserversorgung beeinträchtigen können, wenn zu viel Wasser für die Stromproduktion und -speicherung verwendet wird.

Eine Lösung für dieses Dilemma: Stillgelegte Kohlekraftwerke und -minen zu Pumpspeichern umwidmen. Auf diese Idee kam bereits vor zehn Jahren ein Bochumer Ingenieur – doch bislang scheiterten solche Vorhaben an den hohen Kosten. Mit der Bedeutung für die Energiewende und Vorhaben wie im Schwarzwald könnte sich das vielleicht ändern.