Putin landet am "Tag des Sieges" auf der Krim


Keine Hoffnung auf eine baldige Lösung des Ukraine-Konflikts. Die Separatisten bereiten ihre umstrittene Volksbefragung vor, die Regierung in Kiew lässt sie militärisch bekämpfen. Putin reist auf die Krim - und provoziert damit erneut.



Vor der Volksbefragung in der Ostukraine über eine Abspaltung von Kiew stehen die Zeichen auf Konfrontation. Unbeirrt bereiteten prorussische Separatisten am Freitag ihr Referendum vor - ungeachtet einer Bitte des russischen Präsidenten Wladimir Putin um Verschiebung. Der Kremlchef sendete nach zuletzt mäßigenden Tönen aber auch ein provozierendes Signal Richtung Westen: Im Anschluss an die traditionelle Militärparade in Moskau zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland im reiste er demonstrativ auf die abtrünnige ukrainische Schwarzmeerhalbinsel Krim, die Russland im März annektiert hatte. 

Es war Putins erster Besuch auf der Krim seit dem international nicht anerkannten Anschluss und ein Signal der Stärke. Er nahm dort eine Parade von 10 Kriegsschiffen sowie 70 Kampfflugzeugen und Hubschraubern zum Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus ab. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bezeichnete die Visite als "unangemessen", die Krim sei nach internationalem Recht weiterhin ukrainisches Gebiet. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), wertete sie als Zeichen der Destabilisierung. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk hatte bereits im Vorfeld von einer "Provokation" gesprochen. 

Bei schweren Zusammenstößen von Sicherheitskräften mit prorussischen Kräften in der südostukrainischen Großstadt Mariupol sollen mindestens zwei Menschen getötet worden sein, wie das örtliche Internetportal 0629.ua.com meldete. Demnach ging auch ein Polizeigebäude in Flammen auf. Bei anderen Quellen war von bis zu acht Toten die Rede, zudem gab es etliche Verletzte. Ein Journalist des russischen Staatssenders RT sei in den Bauch getroffen worden und in ein Krankenhaus gekommen, schrieb Chefredakteurin Margarita Simonjan bei Twitter. 

In den Regionen Donezk und Lugansk in der Ostukraine ist den Behörden die Kontrolle trotz der seit Tagen andauernden "Anti-Terror-Operation" der Armee weitgehend entglitten. Prorussische Separatisten riefen dort zwei "Volksrepubliken" aus.


Nach Angaben lokaler ukrainischer Behörden fehlen Einsatzkräfte, um das von den moskautreuen Kräften für Sonntag angesetzte Referendum zu verhindern. Das Bürgermeisteramt der Großstadt Donezk teilte mit, aus Sicherheitsgründen werde nicht versucht, die Separatisten von der Einrichtung von Wahlbüros etwa in Schulen abzuhalten. Allen Mäßigungsappellen zum Trotz ordnete die Regierung in Kiew indes an, dass ihre Soldaten die Separatisten weiter bekämpfen sollen. 

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Mehr als drei Millionen Menschen in den russisch geprägten Gebieten Donezk und Lugansk sollen am Sonntag entscheiden, ob sie eine Abspaltung vom Rest des Landes unterstützen. Gestellt wird die Frage nach einer staatlichen Eigenständigkeit der Region. Die Bundesregierung, die Europäische Union und die USA lehnen die Abstimmung ab, ebenso die offiziellen Vertreter der Zentralregierung. 

Frankreich verlangte einen Stopp des Referendums. Am wichtigsten sei jetzt, die Lage zu entspannen, einen Dialog einzuleiten und die Präsidentenwahl am 25. Mai vorzubereiten, erklärte Außenminister Laurent Fabius. 

Übergangspräsident Alexander Turtschinow und Ministerpräsident Arseni Jazenjuk lehnten eine Beteiligung der Separatisten an Gesprächen etwa an einem Runden Tisch erneut ab. Beide bekannten sich am Donnerstagabend dennoch zu einem "nationalen Konsens" über Schlüsselfragen wie eine Dezentralisierung der Macht, eine Reform des Sicherheits- und Justizapparats sowie der Schutz der Minderheiten. Überwachen soll dies nach ihren Vorstellungen die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). 

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US-Außenminister John Kerry telefonierte erneut mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow und forderte eine Deeskalation, die Entwaffnung der Separatisten und eine Räumung besetzter Gebäude. Der Westen erwartet von Moskau, mäßigend auf die Aktivisten einzuwirken, und droht mit schärferen Sanktionen. 

Bei harten Wirtschaftssanktionen gegen Moskau erwartet die EU-Kommission nach einem Medienbericht einen Einbruch der Konjunktur in Deutschland. Im schlimmsten Fall könnte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,9 Prozentpunkte und im nächsten Jahr um 0,3 Punkte sinken, berichtet "stern.de" unter Berufung auf einen vertraulichen Bericht der EU-Kommission. 

Die EU-Kommission hatte auf Bitten der Staats- und Regierungschefs Szenarien für alle 28 Mitgliedstaaten durchgespielt. Sie reichen von leichten Sanktionen - wie einem Einfuhrverbot russischer Luxusgüter wie Pelze - über mittlere Maßnahmen wie Importstopps für russische Vorprodukte bis hin zu gravierenden Schritten wie einem Verbot der Lieferung von Erdgas und Erdöl. 

Das Thema Ukraine dürfte auch beim Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande eine Rolle spielen. Merkel wollte Hollande Stralsund am Nachmittag (16.00 Uhr) empfangen. 


(dpa)

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