"Rampensau", "Perfektionist" und Mann mit Trisomie 21: Tim Valerian Alberti lebt seinen Traum von der Schauspielerei

Tim Valerian Alberti (21) spricht im Interview über seine Träume - der junge Mann hat noch viel vor. Doch jetzt heißt es erst einmal "und bitte!" am Set der Kultserie "Rote Rosen". Am Montag, 14. August, um 14.10 Uhr, gibt er sein Debüt. Dass sein beruflicher Werdegang für einen Menschen mit Trisomie 21 nicht selbstverständlich ist, weiß Alberti ... (Bild: privat)

Von einem jungen Kerl mit vermeintlich geringen Erfolgschancen im Berufsleben zur "Rampensau" vor der Kamera: Tim Valerian Alberti (21) hat Trisomie 21 und spielt nun in der neuen, 21. Staffel "Rote Rosen" Marvins Halbbruder Tammo. Im Interview spricht der Schauspieler über Hindernisse im Alltag und seine Träume.

"Tim Alberti, die Rampensau auf der Bühne" - Das sei sein "Werbeslogan", verrät Tim Valerian Alberti in einem Clip breit grinsend. Ein Satz, der bereits viel über den jungen Mann aussagt. Oder? - Tim Valerian Alberti ist 21 Jahre alt und hat Trisomie 21. Doch das hält ihn nicht davon ab, seine Träume zu verwirklichen, wie er im Interview anlässlich seiner Rolle in einigen der neuen Folgen der 21. Staffel des Serien-Dauerbrenners "Rote Rosen" nicht müde wird, zu betonen. Zu sehen ist sein Debüt ab Montag, 14. August, 14.10 Uhr, im Ersten (und in der ARD-Mediathek).

"Angefangen hat alles im Kindergarten", erinnert sich Alberti schmunzelnd und erzählt von seiner großen Leidenschaft: der Schauspielerei. Schon in der Schule war er mit "Herzblut" beim Kinder- und Jugendtheater in Wuppertal dabei. 2018 nahm ihn die Akademie der inklusiven Künste (e.V.) auf, bis er 2020 schließlich Teil des Inklusiven Schauspielstudios Wuppertal wurde. Ein großes Glück, wie auch seine Mutter, die beim Interview kurz ihren Kopf hinter der Webcam hervorstreckt, weiß: "Wir haben als Eltern die Erfahrung gemacht, dass es vor allem im beruflichen Bereich an Möglichkeiten mangelt - auch wenn sich grundsätzlich viel tut und sich immer mehr Türen öffnen", sagt sie.

Eines sei aber noch immer in den Köpfen vieler Menschen verankert: "Wenn es gut läuft, gibt es eine inklusive Beschulung - und danach heißt es: ab in die Werkstatt!" Im Freizeitbereich gehe es dagegen steil bergauf. "Tim hatte großes Glück, dass sich dieser Weg für ihn so aufgetan hat", blickt Barbara Alberti auf eine Zeit zurück, die nicht immer einfach war.

"Die Schauspielerei ist einfach mein Herz" - das betont Tim Valerian Alberti im Interview anlässlich seines Debüts bei "Rote Rosen" immer wieder. Der 21-Jährige ist ebenso ehrgeizig wie witzig. Freimütig erzählt er von dem, was ihn bewegt - und auch von dem, was ihn bedrückt. (Bild: privat)
"Die Schauspielerei ist einfach mein Herz" - das betont Tim Valerian Alberti im Interview anlässlich seines Debüts bei "Rote Rosen" immer wieder. Der 21-Jährige ist ebenso ehrgeizig wie witzig. Freimütig erzählt er von dem, was ihn bewegt - und auch von dem, was ihn bedrückt. (Bild: privat)

"In der Schauspielerei steckt einfach mein Herzblut"

Auch wenn Menschen mit Down-Syndrom heute in vielen gesellschaftlichen Bereichen arbeiten können, beispielsweise in der Gastronomie, im Gesundheitswesen, in Altenheimen, im Verkauf oder in künstlerischen Einrichtungen, sind die sogenannten Werkstätten oft die erste Anlaufstelle. In Deutschland gibt es rund 50.000 Betroffene. Der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM) gehören laut "Rehadat-Statistik" rund 700 Hauptwerkstätten an, in denen über 310.000 Werkstattbeschäftigte arbeiten. Rund 75 Prozent aller Werkstattbeschäftigten sind Menschen mit einer geistigen Behinderung, zu denen auch Menschen mit Down-Syndrom gehören.

Für Alberti sei dieser Weg ein Lebensmodell, das ihn auf Dauer nicht ausfülle: "In der Schauspielerei steckt einfach mein Herzblut", unterstreicht er und erzählt mit Begeisterung von seiner Zeit am Set der Kult-Soap, deren erste Folge bereits vor über 15 Jahren ausgestrahlt wurde - genauer gesagt am 6. November 2006. Dass er nun in solch einer großen Produktion mitmischt, erfüllt den jungen Mann spürbar mit Ehrfurcht - aber auch mit Stolz.

Während der durchgetakteten Drehtage stehe ihm ein Coach zur Seite, der vor jeder Szene die Texte mit ihm durchspricht. "Mit ihm mache ich Sprachtraining", erklärt der 21-Jährige. Er sei immer sehr darauf bedacht, sich alles genau einzuprägen, betont der ehrgeizige Schauspieler mit erhobenem Zeigefinger. Auch wenn Alberti alles im Griff zu haben scheint, hat hier und da etwas familiäre Unterstützung noch nie geschadet: Hin und wieder schauen auch seine Eltern am Set vorbei - dann aber wohl eher, um ihren Sohn "anzufeuern" und das Treiben zu beobachten.

Und passiert Alberti dann doch mal ein Patzer, bricht er schon mal eine Szene auf eigene Faust ab. "Ich bin eben ein Perfektionist", betont er. Dabei schwingt ein bisschen Stolz in seiner Stimme mit. "Wenn mir mal ein 'Bitte' im Hals stecken bleibt, ist das nicht so schlimm - das kann doch eh alles zusammen geschnitten werden", witzelt er. Ein weiteres Markenzeichen des aufgeweckten jungen Mannes: Humor. Während des gesamten Interviews lässt er sich keine Gelegenheit für ein kleines Wortspiel oder einen Spaß am Rande entgehen. An einem freien Tag probierte er aus Jux mit einem Kollegen verschiedene Soßen mit unterschiedlichen Schärfegraden - ein echter Härtetest, den er gewann. Natürlich. "Ich gewinne immer", sagt Alberti augenzwinkernd.

Tim Valerian Alberti ist Teil der neuen, 21. Staffel "Rote Rosen". Er spielt an der Seite von Maurice Pawlewski den aufgeweckten Tammo, der mit seiner Ankunft einiges auf den Kopf stellt, wie es vonseiten der Verantwortlichen heißt. (Bild: NDR/ARD/Nicole Manthey)
Tim Valerian Alberti ist Teil der neuen, 21. Staffel "Rote Rosen". Er spielt an der Seite von Maurice Pawlewski den aufgeweckten Tammo, der mit seiner Ankunft einiges auf den Kopf stellt, wie es vonseiten der Verantwortlichen heißt. (Bild: NDR/ARD/Nicole Manthey)

"Manchmal kommt es im Alltag schon vor, dass man mich verbal misshandelt"

Vor seiner Rolle bei der täglichen Serie "Rote Rosen" sammelte Alberti bereits erste Erfahrungen vor der Kamera in der erfolgreichen Comedyserie "Almania" (ARD Mediathek). Er spielt einen Schüler an einer Brennpunktschule, die einen neuen Lehrer bekommt, der auf tollpatschige Art und Weise rassistisch und diskriminierend durchs Leben stolpert. Mit mangelnder Bereitschaft zur Inklusion habe Alberti jedoch nicht nur in dieser Rolle zu kämpfen, wie er gefasst erzählt.

"Manchmal kommt es im Alltag schon vor, dass ich mich angegriffen fühle. Dass man mich verbal misshandelt", erinnert er sich an Vorfälle, auf die er nun lieber nicht näher eingehen möchte. Denn, so betont der Jungschauspieler: "Da gebe ich gar nichts drauf!" Solche Menschen könnten ihm nichts anhaben: "Das lasse ich nicht an mich ran."

Eine Veränderung, die er sich sehr wünsche, gibt es dann aber doch. Es müsse ein Ruck durch die Gesellschaft gehen, um den Alltag für Minderheiten in mancherlei Hinsicht noch bestreitbarer zu machen: "Vor allem im Umgang mit Zahlen würde ich mir etwas mehr Hilfe und Unterstützung wünschen - aber ansonsten würde ich es auch auf jeden Fall alleine schaffen." Der junge Mann ist ohne Frage ein selbstbewusster Kämpfer, dem es nicht an Selbstvertrauen und Ehrgeiz mangelt.

Marvin (Maurice Pawlewski, links) ist sehr froh, dass Malte (Marcus Bluhm, rechts) Tammo (Tim Valerian Alberti) vor einem Unfall mit einem E-Bike gerettet hat. Mit Tammo wird es eben nie langweilig - er hält seinen Halbbruder Marvin auf Trab. (Bild: NDR/ARD/Nicole Manthey)
Marvin (Maurice Pawlewski, links) ist sehr froh, dass Malte (Marcus Bluhm, rechts) Tammo (Tim Valerian Alberti) vor einem Unfall mit einem E-Bike gerettet hat. Mit Tammo wird es eben nie langweilig - er hält seinen Halbbruder Marvin auf Trab. (Bild: NDR/ARD/Nicole Manthey)

Tim Valerian Alberti über seine Träume

Apropos alleine und apropos Ehrgeiz: Tim Valerian Alberti möchte unbedingt ein festes "Schauspiel-Engagement" bekommen und nach Wuppertal ziehen. Auf die Frage, ob er dann auch alleine leben möchte, antwortete er kess: "Ich bin doch nie alleine, ich habe meine Kolleginnen und Kollegen um mich." Aber Spaß beiseite: Ja er hofft, sich eines Tages eine eigene Wohnung zulegen zu können. Alberti träumt nicht nur diesen einen Traum.

Was ihn ebenfalls nicht loslässt, ist die Vorstellung, als Choreograf zu arbeiten, andere zu unterrichten und seiner zweiten Leidenschaft, dem Tanzen, zu frönen. Wenn man mit Tim Valerian Alberti spricht, bekommt man den Eindruck, dass vieles möglich ist. Wer, wie er, bereit ist, für seine Träume zu kämpfen, schafft es, na, klar. Tim, der im Gespräch ganz schnell zum Du übergeht, der so präsent und sympathisch ist, und von der Gesellschaft dennoch so häufig übersehen oder unterschätzt wird, macht es uns allen vor.

Seit dem 24. Juli ist die Daily "Rote Rosen" (immer werktags, 14.10 Uhr, im Ersten) übrigens schon wieder aus der Sommerpause zurück. Was das Storyboard für den Neueinsteiger vorsieht, liest sich so: "Marvins (Maurice Pawlewski) Halbbruder Tammo (Tim Valerian Alberti) kommt im August nach Lüneburg und stellt Marvins Leben erst einmal gründlich auf den Kopf" ... Außerdem stehen nun vor allem Anette Roth (Sarah Masuch) und Staatsanwalt Ralf Sobotta (Hardy Krüger) im Mittelpunkt der beliebten Nachmittagsserie. Ob sich die beiden näherkommen?

Marvin (Maurice Pawlewski, links) ist froh, seinen Halbbruder Tammo (Tim Valerian Alberti) an seiner Seite zu haben. Doch mit den beiden ist es nicht immer einfach ...
 (Bild: NDR/ARD/Nicole Manthey)
Marvin (Maurice Pawlewski, links) ist froh, seinen Halbbruder Tammo (Tim Valerian Alberti) an seiner Seite zu haben. Doch mit den beiden ist es nicht immer einfach ... (Bild: NDR/ARD/Nicole Manthey)