Rechtswidrige Praxis in der Schweinemast: Werden gesunde Ferkel illegal getötet?

Fleischmast- und Zuchtbetriebe stehen immer wieder in der Kritik. Tierschutzorganisationen prangern die Gefährdung und Missachtung des Tierwohls an. Aktuelle Aufnahmen zur Nottötung von Ferkeln zeigen grausame Praktiken.

Eine Tierrechtsorganisation hat undercover die katastrophalen Zustände in Schweinemastbetrieben gefilmt – heftige Bilder, die einmal mehr beweisen, dass in dieser Branche endlich ein Umdenken und eine Veränderung des Systems stattfinden muss. (Bild: Getty Images)
Eine Tierrechtsorganisation hat undercover die katastrophalen Zustände in Schweinemastbetrieben gefilmt – heftige Bilder, die einmal mehr beweisen, dass in dieser Branche endlich ein Umdenken und eine Veränderung des Systems stattfinden muss. (Bild: Getty Images)

Verstörende Bilder wurden jetzt dem ARD-Magazin "Plusminus" von einer Tierschutzgruppe zugespielt, auf denen zu sehen ist, wie gesunde Ferkel in Co2-Vergasungsmaschinen getötet werden. Der Grund: Sie sind zu schlank und ihre Aufzucht wäre wirtschaftlich nicht rentabel.

Der Betrieb, in dem die Gruppe das Filmmaterial undercover aufgenommen haben soll, befindet sich in Brandenburg, südlich von Berlin. Auch aus einem anderen Betrieb, diesmal in Sachsen-Anhalt, liegen der ARD entsprechende Aufnahmen vor. Das Vergasen der Ferkel gilt in der Branche als vergleichsweise tierfreundlich, der Sterbeprozess dauert aber bis zu 16 Minuten.

Sandra Franz, von der Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch, erklärt im Interview mit "Plusminus", dass diese Fälle leider keine Ausnahme, sondern eher die gängige Praxis in der Agrarindustrie sind. Die Aktivistin sei "total geschockt" und könne es nicht fassen, dass jeden Tag so viele Ferkel auf diese Art und Weise getötet werden.

Illegale Praktik: Vergasung stellt eine Straftat dar

"Die Methode an sich, die Ferkel mit Co2 zu töten, ist legal – und sie ist trotzdem grausam und brutal", so Sandra Franz. "Was das Ganze aber eindeutig illegal macht, ist, dass hier nicht nur sterbenskranke Ferkel getötet werden, sondern Ferkel, deren Handaufzucht einfach zu teuer wäre, also dass Ferkel aus rein wirtschaftlichen Gründen getötet werden", erklärt sie den Unterschied.

Umstrittenes Medizintechnikunternehmen: Müssen wegen Elon Musk Tiere leiden?

Auch die Hessische Landestierschutzbeauftragte Dr. Madeleine Martin, selbst Tierärztin, begutachtet das Filmmaterial und kommt zu einem klaren Schluss: "Die Tiere haben das Gefühl, dass sie ersticken", so Martin über die grausame Praktik. "Was hier gemacht wird ist aus fachlicher Sicht nur als Straftat zu beurteilen."

Gnadenloser Kostendruck in der Schweinemast

Die hochgezüchteten Muttertiere der Schweinemastbetriebe bringen 20 bis 25 Ferkel zur Welt, einige davon oft schon tot. Andere wiederum werden vergast, weil sie zu schlank und zu leicht sind – die Aufzucht wäre zu teuer. Die Tötung erfolgt also aus rein ökonomischen Gründen und das ist gesetzlich verboten.

Doch nicht nur die Vergasung der Ferkel sei unzulässig, auch die Haltungs- und Zuchtbedingungen seien in den Augen der Landestierschutzbeauftragten Dr. Martin unzumutbar. "Viele tote Tiere, viele tote Ferkel, verletzte und offensichtlich kranke Sauen, verschmutzte Unterbringung", fasst sie zusammen, was die Undercover-Aufnahmen enthüllen. "Alles Dinge, die man nur strafrechtlich bewerten kann", so Dr. Martin.

Zieht die Staatsanwaltschaft Konsequenzen?

Eine Stellungnahme in Form eines Interviews oder auch in schriftlicher Form wollte keiner der beiden Betriebe auf Anfrage des Fernsehsenders abgeben. Der Sachverhalt wurde schließlich an die kontrollierenden Behörden in Brandenburg weitergeleitet und um Beantwortung der offenen Fragen, wie es zu diesen Zuständen kommen könne und warum dies nicht bereits aufgefallen sei, gebeten.

Man sei "betroffen" von den Videoaufnahmen, habe eine "Vor-Ort-Kontrolle" durchgeführt. Zudem seien "Anordnungen zur Verhütung künftiger Verstöße beschlossen" und den Fall zur Ahndung "an die Staatsanwaltschaft" weitergeleitet.

Tötung von Ferkeln aus wirtschaftlicher Not

In der Schweinemast bestimmen Preiskalkulationen und Terminlieferungen den Alltag. Das erzeugt für die Landwirte eine Kostenspirale mit hohem Druck, die nur noch den Profit im Blick hat. Da bleiben kleine und zu schlanke Ferkel dann auf der Strecke. Viel Spielraum sehen Branchenexperten daher nicht für die Landwirte – dafür müssten sich die Zustände in den Mastbetrieben grundsätzlich ändern.

Video: Hannes Jaenicke klagt Fleischindustrie an