Rudolph Moshammer als Grand Monsieur der Modeindustrie der 80er Jahre

Thomas Schmauser gibt den Modezaren Moshammer. Hier gemeinsam mit seiner Mutter Else Moshammer, gespielt von Hannelore Elsner. Foto: BR/Producers at Work GmbH/Julie Vrabelova
Thomas Schmauser gibt den Modezaren Moshammer. Hier gemeinsam mit seiner Mutter Else Moshammer, gespielt von Hannelore Elsner. Foto: BR/Producers at Work GmbH/Julie Vrabelova

Es ist kein leichter Stoff, den Regisseur Alexander Adolph auf die ARD-Leinwand bringt. Rudolph Moshammer war ein Modezar der 80er Jahre. Eine Ikone mit Schattenseiten. Einer, dem am Ende seines Lebens eine Figur spielte zwischen überzeichnetem Modepüppchen und glanzloser Karikatur einer ehemaligen Berühmtheit. Mit “Der große Rudolph” schafft es Adolph allerdings auf anrührende Weise den Philosophen Moshammer in all seiner Emotionalität zu zeichnen.

Im Film “Der große Rudolph” geht es um ein kurzes Intermezzo. Es treffen sich zwei, die sich fremder kaum sein könnten. Zumindest auf den ersten Blick scheint es so. Der erste Blick, dem so viel zugesprochen wird und der doch so flüchtig ist bei näherem Hinsehen.

Der Modedesigner Rudolph Moshammer (mal zart und feinfühlig, dann wieder kurz aufbrausend und gefährlich gespielt von Thomas Schmauser) lebt in den 80er Jahren ein Leben abseits großer Kaufhausketten. Natürlich muss auch er sich gegen die Konkurrenz von Karstadt und Co. wehren, doch einem echten Künstler macht das nichts. Die Steuern von ’81 und ’82 haben seine Miteigentümer gezahlt. “Du musst mehr Geld verdienen” geben sie ihm auf den Weg. Doch Moshammer kümmert sich lieber auf intime Art und Weise um seine Kunden. Nicht körperlicher Natur, sondern seelischer.

Den Unsicheren gibt er das Gefühl etwas Besonderes zu sein, einzigartig: “Ein Smoking ist eine Uniform”, sagt er gleich zu Beginn des Films. “Wenn Sie den tragen, dann sind um Sie herum lauter Männer im Smoking. Alle sind gleich. Aber ein guter Smoking betont das Individuum. Er macht etwas mit Ihnen”, erklärt er seinem Kunden. Um dann die Kirsche auf das Kompliment zu setzen, das so zweifelhaft ehrlich begann: “Da ist ein Mut, eine Präsenz dahinter.” Gekauft.

Die hohe Kunst des Verkaufens, die beherrscht der Moshammer wie kein Zweiter. Immer angetrieben von seiner Mutter Else (gespielt von Hannelore Elsner), die sich selbst auch für eine Grand Dame der Modeindustrie hält, für eine Frau von Welt, eine mit Geschmack und Stil. Und doch lässt sie immer wieder ihr ordinär kleingeistiges, machtbesessenes Wesen durchscheinen. Ein Wesen, das den hoch sensiblen Sohn bedrängt und manchmal auch kränkt. Beispielsweise, wenn sie ihn nötigt aus seiner Arbeit für die Armen von München, Profit zu schlagen, damit zu werben, dass man sich für die gute Sache engagiert. Moshammer findet das obszön und fügt sich dann doch in den Wunsch der Frau Mama.

Und als Gegenspielerin ist da Evi (Lena Urzendowksy). Ein junges Mädchen aus Augsburg ist nach München gekommen, um dort zu arbeiten. Moshammer entdeckt sie in einem Kosmetikstudio und stellt sie als Verkäuferin bei sich ein. Er bittet sie eins seiner Etuikleider anzuziehen. “Aber warum?”, fragt Evi, der ihre Mutter anscheinend eine gehörige Portion Skepsis mit auf den Weg in die Großstadt gegeben hat. “Weil Sie noch keine Ahnung haben, wer Sie sind und wer nicht weiß, wer er ist, ist noch kein fertiger Mensch”, antwortet ihr Moshammer, der immer wieder im Film durch philosophische Ausfälle glänzt.

Zu seiner Mutter sagt er allerdings etwas ganz anderes und offenbart damit die Kehrseite seines Wesens: “Das ist eine kleine verhuschte Sau, die niemand kennt. Die brauche ich für den Kunden von dem Toni und von der Gerti, danach verschwindet sie wieder in der Versenkung.” Doch natürlich kommt es wie es kommen muss: Die beiden – Evi und Herr Moshammer – finden auf freundschaftliche, väter- und töchterliche Art zueinander. Moshammer gefällt Evis Zurückhaltung. Evi gefällt, dass Moshammer sie gut behandelt und ihr Selbstbewusstsein verleiht. Doch ihre Zuneigung zueinander hält nur kurz – bis Moshammers Mutter sich einmischt.

Das Problem des “großen Rudolph”

Ein Problem, das der Film beim Zuschauer hervorruft: Er ist nicht echt. Er beruht auf wahren Begebenheiten, denn es gab einen Modedesigner namens Rudolph Moshammer und der hatte eine Mutter, mit der er bei zahllosen Auftritten zu sehen war. Es ist bekannt, dass er sich gern mit den Obdachlosen umgab, ihnen gern half. Sein Vater – einst Versicherungsangestellter – war dem Alkohol verfallen und landete auf der Straße. Und es wird vermutet, dass er sich gern junge Männer in seinen Rolls Royce lud und sie für Sex bezahlte.

Alles Details eines Lebens, die in “Der große Rudolph” nur angeschnitten werden oder völlig auf die Spitze getrieben werden. Was beim Zuschauer bleibt, ist ein trauriges Gefühl. Der Moshammer im Film war ein Opfer. Opfer seiner Branche, Opfer seiner Mutter, Opfer der Ansprüche, die er an sich selbst hatte. Er war bemitleidens- und bewundernswert zugleich. Und er hatte wenig gemeinsam mit dem Mann, den man aus der realen Welt zuletzt nur noch im Teleshopping sah. Doch wie viel an dieser Geschichte vom jungen Rudolph aus den 80ern ist wirklich wahr? Man möchte sie glauben und doch ist sie als fiktiver Spielfilm gedreht. Wo also hin mit seinen Gefühlen für einen Moshammer, der vielleicht so war, vielleicht aber auch nicht? Möglicherweise auf die Münchner Maximilianstraße, auf die Suche nach den kleinen Boutiquen, um den Duft längst vergangener Zeiten zu inhalieren.