Russen erweisen Michail Gorbatschow die letzte Ehre

Russland nimmt Abschied vom ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow, der vor allem im Ausland großes Ansehen genoss.

Der Friedensnobelpreisträger, der als einer der Väter der Deutschen Einheit gilt, soll am Samstag in Moskau bestattet werden. Er war am Dienstag nach langer schwerer Krankheit im Alter von 91 Jahren gestorben.

Ein Staatsbegräbnis wird es anders als nach dem Tod des russischen Präsidenten Boris Jelzin (1931-2007) nicht geben. Es werden zudem keine führenden Politiker Europas zu dem Begräbnis erwartet. Hintergrund sind die westlichen Sanktionen gegen Moskau wegen des Ukraine-Kriegs.

Trauerfeier und Teilnehmer

Die Trauerfeier für Gorbatschow hat in Moskau begonnen. Hunderte Menschen versammelten sich am Haus der Gewerkschaften in Sichtweite des Kremls. Dort wurde der Leichnam des Friedensnobelpreisträgers aufgebahrt. Viele warteten mit Blumen in den Händen vor dem Gebäude.

Am frühen Nachmittag soll der frühere Staats- und Parteichef auf dem Moskauer Prominentenfriedhof am Neujungfrauenkloster in der Nähe des Stadtzentrums neben seiner Frau Raissa bestattet werden.

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin wird nicht teilnehmen. Sein Sprecher Dmitri Peskow begründete dies mit Terminproblemen. Putin hatte Gorbatschow an dessen Sarg am Donnerstag die letzte Ehre erwiesen. Gorbatschow kritisierte als Miteigentümer der kremlkritischen Zeitung «Nowaja Gaseta» unter anderem Beschränkungen der Pressefreiheit und andere autoritäre Machtzüge unter Putin.

Weltweite Trauer um Gorbatschow

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew hat Gorbatschow hingegen die letzte Ehre erwiesen.Der heutige Vizechef des Sicherheitsrats kam zu der Trauerfeier in Moskau, wie russische Nachrichtenagenturen meldeten. Medwedew legte im Haus der Gewerkschaften unweit des Kremls Blumen am Sarg nieder.

Deutschland wird durch den Geschäftsträger der Botschaft in Moskau vertreten sein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begründete seinen Verzicht auf eine Teilnahme damit, dass es keine Einladung gebe. In mehreren Bundesländern wurde eine Trauerbeflaggung angeordnet.

Für viele ausländische Politiker wäre eine Teilnahme an dem Begräbnis ohnehin nicht möglich gewesen, weil sie von russischer Seite als Reaktion auf die westlichen Sanktionen mit Einreiseverboten belegt wurden. Gesperrt ist zudem der Luftraum in Russland für Flugzeuge aus «unfreundlichen EU-Staaten». Deshalb werden vor allem ausländische Botschafter und Diplomaten von Gorbatschow Abschied nehmen.

Verdienste von «Gorbi»

Gorbatschow galt als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges. Unter seiner Führung schloss die Sowjetunion in den 1980er Jahren mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle. In seiner Heimat leitete er als Generalsekretär der Kommunistischen Partei mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess ein.

Der politische Prozess führte letztlich zu einem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums. Viele Politiker und Bürger Russlands sehen Gorbatschow deshalb als «Totengräber der Sowjetunion», der Russland damals ins Chaos stürzte. Vor allem im Osten Deutschlands genoss «Gorbi» wegen der Öffnung des kommunistischen Systems und des von Moskau damals zugelassenen Mauerfalls großes Ansehen. Sein Tod löste international Trauer aus.

VIDEO: Putin nimmt nicht an der Beerdigung teil