Scholz im Hochwassergebiet teils unfreundlich empfangen

Scholz reist binnen weniger Tage zum zweiten Mal in ein Hochwassergebiet - diesmal in den Vorharz im Süden Sachsen-Anhalts. Aber auch in anderen Regionen kämpfen die Menschen weiter mit Wassermassen.

Bundeskanzler Olaf Scholz besucht das Hochwassergebiet (Foto: Jan Woitas/dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz besucht das Hochwassergebiet (Foto: Jan Woitas/dpa)

Sangerhausen (dpa) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist bei seinem Besuch im Hochwassergebiet im Süden Sachsen-Anhalts von einigen Menschen unfreundlich empfangen worden. «Verbrecher», «Ihre Politik basiert auf Lügen» und «Geh gleich wieder zurück», war aus einer rund zehnköpfigen Gruppe zu hören.

Gemeinsam mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) machte er sich in Oberröblingen, einem Stadtteil von Sangerhausen, ein Bild von der Lage. Zuvor hatte sich Scholz vom Hubschrauber aus einen Überblick verschafft.

Lage in Mansfeld-Südharz weiter angespannt

Die Hochwasserlage im Landkreis Mansfeld-Südharz bleibt auch vor dem Besuch angespannt. Der Wasserstand an der Helme in Bennungen wurde am Morgen mit 2,42 Meter angegeben und überschritt damit die höchste Alarmstufe 4.

Kurz vor dem Jahreswechsel war in dem Landkreis in Sachsen-Anhalt der Katastrophenfall ausgerufen worden. Der Fluss Helme war stellenweise weit über seine Ufer getreten.

Vom Hochwasser sind im Landkreis unter anderem die Orte Berga, Kelbra und Bennungen betroffen, außerdem der Sangerhäuser Stadtteil Oberröblingen.

Bundeswehr bereitet sich auf Einsatz vor

Die Bundeswehr will zeitnah über einen Amtshilfeantrag des Landkreises entscheiden, bereitet sich nach Angaben einer Sprecherin derzeit schon auf einen Einsatz in Mansfeld-Südharz vor. Gefordert wurden 150 Soldaten, die ab Montag eine Woche lang vor allem dabei helfen sollen, Sandsäcke zu befüllen und auszulegen sowie Deiche zu sichern.

Katastrophenfall ausgerufen

Kurz vor dem Jahreswechsel wurde im Landkreis Mansfeld-Südharz der Katastrophenfall ausgerufen. Die Helme war stellenweise weit über die Ufer getreten. Bedroht sind derzeit mehrere Orte an dem Fluss.

Auch in anderen Bundesländern, vor allem in Niedersachsen, kämpfen die Einsatzkräfte seit Tagen gegen Wassermassen.

In mehreren Regionen Niedersachsens ist die Lage weiterhin kritisch. Betroffen davon sind wie seit mehreren Tagen sechs Landkreise sowie die Stadt Oldenburg, wie ein Sprecher des Innenministeriums in Hannover der Deutschen Presse-Agentur sagte. Die betroffenen Landkreise sind Celle, Oldenburg, Emsland, Osterholz, der Heidekreis sowie Verden.

Lage in Niedersachsen weiterhin kritisch

In diesen Kommunen ist demnach weiterhin ein sogenanntes außergewöhnliches Ereignis festgestellt. Dadurch können Landkreise oder Städte beispielsweise einfacher auf Hilfskräfte zugreifen. Ein Katastrophenfall wurde bislang in keiner Region ausgerufen. In Niedersachsen gibt es acht kreisfreie Städte sowie 37 Landkreise.

Mehrere Pegelstände an Flüssen liegen weiter über der höchsten Meldestufe. In Nienburg und Drakenburg an der Weser lag der Pegelstand am Morgen 15 Zentimeter über der höchsten Meldestufe, wie aus einem Lagebericht des Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN) hervorgeht. Die Behörde gab für zahlreiche Pegel an der Weser gestiegene Wasserstände an - mancherorts sank dieser minimal.

Pegelstände teilweise über der höchsten Meldestufe

Auch an der Aller bleibt die Lage angespannt. In Celle und Eitze lag der Pegelstand am Morgen jeweils rund 60 Zentimeter über der höchsten Meldestufe, an weiteren Orten wie Rethem und Ahlden waren es jeweils mehr als 20 Zentimeter. Auch an der Leine lag der Pegelstand in mehreren Gebieten über der höchsten Meldestufe - etwa in Neustadt und Schwarmstedt.

«Wir sind immer noch in einer enorm kritischen Lage, und wir konzentrieren uns voll und ganz auf die Bekämpfung des Hochwassers», sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Mittwochabend im NDR-Fernsehen.

Das Besondere an der aktuellen Lage sei, dass es Hochwasser großflächig an vielen Flüssen und Orten gleichzeitig gebe, sagte der Leiter des Ludwig-Franzius-Instituts für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen an der Leibniz-Universität Hannover, Torsten Schlurmann, der dpa.

Deiche an der Leistungsgrenze

Zudem dauere die Lage schon über Tage an. «Wir sehen keine schnell abfließende Hochwasserwelle an den Flüssen, sondern dass das Wasser quasi steht. Durch den langanhaltenden Einstau gibt es nun das Risiko, dass die Deiche an ihre Leistungsgrenzen stoßen», sagte Schlurmann.

Das Wasser trifft auch die Landwirtschaft. In Niedersachsen ist fast jeder Landwirt nach Angaben des Bauernverbandes derzeit von Überflutungen seiner Felder oder von Nässeschäden betroffen.

Hochwasserhilfe für Niedersachsen kommt auch aus dem Ausland: Ein Team des französischen Zivilschutzes will heute bei Winsen an der Aller einen mobilen Deich errichten. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens will sich vor Ort ein Bild von dem Aufbau machen.

Regen lässt in Hochwassergebieten nach - Entspannung in Sicht

Der Regen in Niedersachsen soll heute und in den kommenden Tagen nachlassen - das könnte die Lage in Niedersachsen entschärfen. Ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes teilte am Morgen mit, dass endlich von Entspannung gesprochen werden könne. Zwar werde am Freitag nochmal Regen erwartet, aber wenig im Vergleich zu den letzten Tagen. Insgesamt werde es trockener und wesentlich kälter. Ab dem Wochenende sei ein Wintereinbruch zu erwarten mit Schneeschauern, Dauerfrost tagsüber und Glätte bei Temperaturen bis zu minus sieben Grad.

Auch in Sachsen-Anhalt könnte sich die Hochwasserlage leicht entschärfen. «Es wird trockener, die ergiebigen Regenfälle hören auf», sagte Cathleen Hickmann vom Deutschen Wetterdienst. Für den Tagesverlauf und für Freitag werde zwar noch gebietsweise leichter Sprühregen erwartet, es seien aber längst nicht mehr die Mengen der vergangenen Tage. Insgesamt werde es trockener und wesentlich kälter.

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