"Sei nicht wie Patient 31": Wie eine Person Südkorea tief in die Krise stürzte

Hier in der südkoreanischen Stadt Daegu wurde durch "Patientin 31" die gesamte Virusstrategie des Landes trotz flächendeckender Tests ins Wanken gebracht. (Bild: Seung-il Ryu/NurPhoto via Getty Images)
Hier in der südkoreanischen Stadt Daegu wurde durch "Patientin 31" die gesamte Virusstrategie des Landes trotz flächendeckender Tests ins Wanken gebracht. (Bild: Seung-il Ryu/NurPhoto via Getty Images)

Der Hashtag “Don’t be patient 31” verbreitet sich gerade in Windeseile in den sozialen Medien. Dahinter steckt die Geschichte, wie eine einzige Frau die Coronakrise in Südkorea extrem verschlimmerte. Sie war der 31. Patient.

In Südkorea wurde mit der Krisensituation zunächst sehr vorbildlich umgegangen. Schneller als andere Länder erkannte die Regierung dort den Ernst der Lage und setzte notwendige Maßnahmen zügig und entschlossen um. Überall auf der Welt wurde Präsident Moon Jae-in für sein Krisenmanagement gelobt. Doch auch in Südkorea war eine entscheidende Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie das sogenannte Social Distancing.

Das setzt voraus, dass die Menschen freiwillig ihre sozialen Kontakte einschränken, zu Hause bleiben so gut es geht und öffentliche Orte gänzlich meiden. Die meisten Koreaner hielten sich daran, doch eine Frau bewegte sich weiterhin wie vorher - und stürzte mit ihrem Verhalten das ganze Land in eine Gesundheitskrise. Der Fall der “Patientin 31” zeigt, wie extrem sich das Verhalten einzelner auf die Ausbreitung des Virus auswirken kann. Und wie sehr die Eindämmung der Pandemie zwar auch von Regierungsmaßnahmen aber vor allem von der Vernunft aller abhängt.

Vorbildliches Krisenmanagement

In Südkorea wurde der erste Covid-19 Fall am 20. Januar registriert. Nach vier Wochen waren nach wie vor nur 30 Patienten infiziert, eine unglaublich niedrige Zahl. Das lag auch daran, dass der Staat flächendeckende Tests durchführte, zehn bis zwanzigtausend Koreaner wurden pro Tag getestet, um alle Fälle möglichst schnell isolieren zu können. Auch die Sterberate lag mit 0,9 Prozent deutlich niedriger, als in anderen Ländern.

Doch dann kam Patient 31 und damit ein dramatischer Wendepunkt. Das bestätigt auch der koranische Arzt Hwang Seung-sik von der Seoul National University. “Bis Mitte Februar war die Situation noch nicht sehr ernst,” sagte der Epidemiologe Pressevertretern in einem Interview. “Unsere Strategien das Virus einzudämmen, schienen zu funktionieren. Aber nachdem unzählige Menschen von Patient 31 angesteckt wurden, wurde das Virus unheimlich schwierig zu kontrollieren.”

Die Frau, die als “Patientin 31” zu trauriger Berühmtheit kommen sollte, wurde nach einem leichten Autounfall in einem Krankenhaus in der Zweimillionenstadt Daegu untersucht. Dort wurde sie allerdings nicht getestet und ging in den nächsten Tagen zweimal zu großen Gottesdiensten der Shincheonji Gemeinde. Kurz danach bekam sie Fieber, doch fuhr mit ihrem normalen Alltag fort, zu dem auch gehörte, ihr Mittagsessen am Buffet eines Hotels einzunehmen.

Erst zwei Tage später wurde sie positiv auf Covid-19 getestet. In den folgenden Tagen wurden hunderte Anhänger der Gemeinde ebenfalls mit dem Virus diagnostiziert. Ebenfalls Teilnehmer einer Beerdigung, die viele Gemeindemitglieder besucht hatten. Die beiden Krisenherde wurden zum Epizentrum der Pandemie in Südkorea. Etwa 80 Prozent aller koreanischen Fälle sind auf den Kontakt mit “Patientin 31” zurückzuführen. Inzwischen hat das Land, das die Coronakrise zunächst so gut im Griff hatte, über 8000 bestätigte Fälle und bereits 75 Tote.

Die Verantwortung jedes Einzelnen

Die Geschichte zeigt, wie viel Einfluss das Verhalten einzelner Menschen bei der stark ansteckenden Viruserkrankung haben kann. Und so verbreitet sich nun auf den sozialen Medien die Aufforderung an alle: “Don’t be patient 31” - Sei nicht Patientin 31.

Denn auch in den USA und in Europa scheint die Ernsthaftigkeit der Situation bei vielen noch nicht so recht angekommen zu sein. Die Strategie, auf die mündige Selbstverantwortung der Bürger zu zählen, scheint jedenfalls nicht aufzugehen, wenn man sich die Bilder auf den Straßen deutscher Großstädte in den vergangenen Tagen anguckt. Dabei könnte jeder einzelne Erkrankte, ob er es merkt oder nicht, zu einem neuen Patient 31 werden.