Seltenes Susac-Syndrom: Frau kämpft mit Erinnerungsverlust

Jeder Tag ist für Jess Lydon aus dem englischen Coventry wie ein Neubeginn. Doch mit positivem Umbruch hat das wenig zu tun - sie hat an den vorangegangenen Tag schlicht keine Erinnerung. Die 19-Jährige leidet am Susac-Syndrom, einer äußerst seltenen neurologischen Krankheit.

Gerade mal zwei Wochen ist es laut der britischen Tageszeitung „Daily Mail“ her, dass bei Lydon das Susac-Syndrom diagnostiziert wurde. Doch ihr Leben hat die seltene Krankheit schon länger im Griff. Ihr Gedächtnis deckt höchstens die letzten 24 Stunden ab, aber auch jüngste Ereignisse behält sie mitunter nur schwer. Sie weiß weder, was sie gestern zu Abend gegessen hat, noch kann sie sich an Weihnachten oder ihren Geburtstag erinnern. Auch daran, dass sie von ihrem Freund getrennt ist, hat sie keine Erinnerung.

Festgehaltene Moment-Aufnahmen aus ihrem Leben helfen nicht weiter. „Wenn ich mir Fotos anschaue, finde ich das einfach verwirrend“, so Lydon laut „Daily Mail“.  Selbst die Beerdigung ihrer Großmutter, die im vergangenen Jahr verstorben ist, habe sie nicht mehr im Kopf – für sie eine besonders schmerzliche Lücke.

Weltweit sind nur etwa 200 Fälle des Susac-Syndroms bekannt. Der Name gehe zurück auf den Entdecker der Krankheit, J.O. Susac, der zwei junge Frauen mit den typischen Symptomen behandelte, erklärte Dr. Ilka Kleffner vom Universitätsklinikum Münster gegenüber Yahoo! Nachrichten. Bei dem Syndrom handele es sich um eine Autoimmunerkrankung der Blutgefäße des Gehirns, der Netzhaut und des Innenohrs. „Es äußert sich oft als innerhalb weniger Tage eintretende schwere Störung der geistigen Leistungsfähigkeit und kann auch mit Lähmungen, Gefühlsstörungen oder Bewusstseinsstörungen einhergehen. Innerhalb kurzer Zeit, oft über Nacht, können Hörverlust und Tinnitus einsetzen.“ Gesichtsfelddefekte und Kopfschmerzen seien bei fast allen Patienten und Patientinnen vorhanden.

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Neben ihrer Gedächtnisstörung hat Lydon auch mit dem Verlust ihrer Sinneskräfte, starken Kopfschmerzen und einer Abneigung gegen Tageslicht zu kämpfen – ebenfalls mögliche Begleiterscheinungen des Syndroms. Die Krankheit bedeutete für sie einen riesigen Einschnitt in ihr bis dato selbstständig geführtes Leben. Noch im vergangenen Jahr konnte sich die aufstrebende Schauspielerin das gesamte Drehbuch des Musicals „We Will Rock You“ merken. Mittlerweile zog sie wieder zu ihrer Mutter, die ihr bei der Bewältigung vieler alltäglicher Aufgaben – wie Haare waschen oder baden - unter die Arme greift. Jetzt droht Lydon auch das letzte Stückchen Unabhängigkeit zu verlieren. Ihren Job in einem Restaurant muss sie möglicherweise wegen Gleichgewichtsschwierigkeiten aufgeben. „Ich kann nicht alleine nach draußen gehen, da ich umfallen könnte“, sagte Lydon. Vergangene Woche sei sie die Treppe heruntergefallen.

Zudem machen ihr die ständige Verwirrung und regelmäßige Wahnvorstellungen zu schaffen. Als sie zur Diagnostik in die Universitätsklinik eingeliefert wurde, dachte sie zunächst, die Ärzte wollten einen Schuh, von dem sie annahm, sie hätten ihn während einer Operation in ihrem Bauch vergessen, entfernen. Nach zwölf Tagen Untersuchungen stellten die Experten fest, dass Lydon am Susac-Syndrom leidet.

„Es ist schwer, den Zustand zu diagnostizieren, da es kein einzelnes, typisches Symptom und keinen Bestätigungstest gibt“, so Holger Allroggen, Facharzt für Neurologie, laut „Daily Mail“. Mittlerweile werde die Patientin mit Steroiden behandelt.

Die hochdosierten Cortison-Gaben helfen laut Kleffner in einer akuten Episode der Erkrankung, die gut behandelt werden könne, wenn sie rechtzeitig erkannt werde. „Die Beschwerden bilden sich dann zurück. Die immunsuppressive Therapie hilft, neue Episoden zu verhindern.“ Allgemein werde das Syndrom zusätzlich mit Chemotherapie zur Immunsuppression behandelt. Außerdem verabreiche man Acetylsalicylsäure (Aspirin) zur Blutverdünnung. „Oft endet die Aktivität der Erkrankung nach wenigen Jahren.“

Selten treten viele Jahre später noch Episoden auf, so Kleffner. „Schwere bleibende Schäden, z.B. ein Hörverlust, können jedoch meistens nicht mehr rückgängig gemacht werden.“