So wurde ich zur stärksten Frau Deutschlands

Sie ist "die stärkste Frau Deutschlands" - ein Titel, den Sandra Bradley mit Stolz trägt. Wie sie dazu kam, gigantische LKWs zu ziehen, und wie man das überhaupt schafft, erzählt die Nürnberger Strongwoman im Interview.

Sie stemmte schon 250 Kilogramm schwere Traktorreifen, wuchtete massive Baumstämme und zog 19 Tonnen schwere Lastwagen 20 Meter weit: Sandra Bradley trägt den Titel "Stärkste Frau Deutschlands" nicht umsonst. Weltweit gilt die Polizeiausbilderin aus Nürnberg derzeit als drittstärkste Dame ihrer Gewichtsklasse - mit Ambitionen auf die absolute Weltspitze, versteht sich. Vor gerade einmal sechs Jahren gelangte Bradley über den Crossfit-Sport zur Strongman-Szene, die vor allem in den USA schon lange nicht mehr nur den Männern vorbehalten ist. Seither geht es für die Fränkin, die letztes Jahr unter anderem bei den von Arnold Schwarzenegger initiierten "Arnold Classics" zum "Arnold Amateur Worldchampion" wurde, steil bergauf. Ein weiterer Höhepunkt folgt nun: Als Ausnahmesportlerin tritt die Strongwoman bei der ProSieben-Show "Superhero Germany" in vier Folgen (ab 20 April, immer samstags, 20.15 Uhr) gemeinsam mit Kollegen wie Tim Wiese, Christina Obergföll und Björn Werner gegen ambitionierte Amateur-Athleten an. Wie Sie selbst zu einer der stärksten Frauen der Welt wurde, verrät Sandra Bradley im Interview.

teleschau: Wie viel haben Sie heute schon trainiert?

Sandra Bradley: Noch gar nicht, heute habe ich seit 6.30 Uhr gearbeitet ...

teleschau: Wie sieht denn so ein normaler Tag bei Ihnen aus?

Bradley: Gegen 16 Uhr habe ich meist Schluss, dann geht's vier Tage die Woche zweieinhalb Stunden zum Training und samstags auch mal drei. Während einer Wettkampfvorbereitung noch mehr. Unter der Woche danach meist nur noch nach Hause, essen, duschen und gegen neun ins Bett.

teleschau: Wie schaut es mit der Ernährung aus?

Bradley: Täglich nehme ich etwa 3.000 Kalorien zu mir - wobei das Verhältnis von Eiweiß, Kohlenhydraten und Fetten auch passt. Ich ernähre mich natürlich gesund, versuche immer frisch zu kochen, Hähnchen, Rind oder Fisch, dazu viel Reis, Kartoffeln und Gemüse. Das ergänze ich dann nach dem Training mit einem Eiweißshake. In jedem Fall nützt es nichts, drei Stunden zu trainieren, wenn ich zu wenig esse oder kaum schlafe. Mein Leben ist schon danach ausgerichtet. Ich bleibe nicht zu lang auf und gehe zum Beispiel auch nicht feiern.

teleschau: Klingt, als hätten Sie nicht gerade wahnsinnig viel Freizeit ...

Bradley: Bei Wettkampfvorbereitungen ist das definitiv so - da gibt es nichts anderes.

teleschau: Lassen sich Training und Wettkämpfe eigentlich mit Ihrem Beruf gut vereinbaren?

Bradley: Ich bin Ausbilderin bei der Bereitschaftspolizei, da kann ich mir das dank Gleitzeit ganz gut einteilen. Das Training mache ich ja nicht während der Dienstzeit, auch wenn wir als Polizisten natürlich auch Dienstsport machen. Für die Wettkämpfe nehme ich dann meine Urlaubstage. Da geht es nicht nach Mallorca, sondern zum Wettkampf.

teleschau: Immerhin finden die Wettbewerbe ja nicht selten auch an ganz ansehnlichen Orten statt ...

Bradley: Das stimmt. Zum Beispiel findet der nächste "World's Strongest Woman" in Daytona Beach statt - im November wird das eine schöne Reise sein.

"Die Veranstaltungen sind wie Familientreffen"

<p>teleschau: Was sagen Ihre Arbeitskollegen und Auszubildenden zu Ihrer stetig ansteigenden Prominenz?</p> <p>Bradley: Die freuen sich für mich. Immer wenn ich im Fernsehen zu sehen bin, wird der Link zu den Mediatheken geteilt. Die Auszubildenden sind ja zweieinhalb Jahre da, die wissen inzwischen was ich mache. Meist sage ich denen aber gar nichts - die finden das dann immer recht schnell raus (lacht). Die sind dann immer begeistert und verwundert und fragen mich zum Strongman-Sport aus. Als ich letztes Jahr beim &quot;Arnold Sports Festival&quot; gewonnen hatte, holte mich meine Klasse sogar mit Banner am Flughafen ab.</p> <p>teleschau: Wie kamen Sie nun zur ProSieben-Show &quot;Superhero Germany&quot;?</p> <p>Bradley: Aufmerksam wurde ProSieben durch verschiedene kleine TV-Auftritte. Die Aufzeichnung der Show hat wirklich super viel Spaß gemacht. Vor allem auch die Zusammenarbeit mit den anderen &quot;Heroes&quot; war super - wir konnten uns viel über unsere verschiedenen Sportarten austauschen. Meist sind bei Sportlern das gleiche Mindset und die gleiche Leidenschaft dahinter.</p> <p>teleschau: Sehen Sie sich immer noch als Pionierin in einer Männerdomäne - oder ändert sich das aktuell?</p> <p>Bradley: Es ändert sich schon viel. In Deutschland ist es allerdings noch eine Männerdomäne - vor allem, weil sich Frauen viele Jahre lang nur wenig dafür interessiert haben. Aktuell gibt es aber einen Aufschwung. Und in den USA, in Australien und in England geht es richtig ab - in den Staaten gibt es zum Teil Wettkämpfe, für die sich mehr Frauen als Männer anmelden.</p> <p>teleschau: Herrscht unter den Frauen im Sport eher Solidarität oder entwickelt sich auch privat eine Konkurrenz?</p> <p>Bradley: Meiner Erfahrung nach geht es im gesamten Strongman-Sport sehr familiär zu. Das beste Beispiel: Meine beste Freundin, die gerade in Los Angeles lebt, ist die amtierende stärkste Frau der Welt in meiner Gewichtsklasse, ich bin die drittstärkste. Zu alledem sind wir auch noch mit der amtierenden Zweitstärksten befreundet (lacht). Da unterstützt jeder jeden. Natürlich sind wir am Wettkampftag Konkurrentinnen, geben alles und versuchen die anderen zu schlagen. Aber hinter den Kulissen pushen wir uns gegenseitig. Ich bin super dankbar, dass ich über den Sport tatsächlich auch meine besten Freunde kennengelernt habe.</p> <p>teleschau: Wahrscheinlich kennt auch jeder jeden?</p> <p>Bradley: Die Veranstaltungen sind wie Familientreffen. Vor allem in der deutschen Szene, kennt man sich und freut sich, wenn man sich wiedersieht. Jeder gibt den anderen Tipps, jeder hilft den anderen - egal, ob Männer oder Frauen.</p> <p>teleschau: Wie sieht es im Kontakt mit &quot;normalen&quot; Menschen aus? Existieren da noch Vorurteile?</p> <p>Bradley: Manchmal gibt es im Fitnessstudio noch Kommentare, aber das ist auch das einzige. Ansonsten habe ich noch nie erfahren, dass jemand mir persönlich etwas ins Gesicht gesagt hätte. Bei Social Media hingegen erfährt man immer ein bisschen Gegenwind. Aber das passiert ja in jedem Bereich, wenn die Menschen einen nicht in eine Schublade stecken können - da könnte ich auch wettkampfmäßig häkeln.</p>

"Hey, ihr Mädels könnt das auch!"

<p>teleschau: Mit Ihrer Teilnahme an der Show wird Ihr Bekanntheitsgrad noch einmal steigen. Freuen Sie sich über noch mehr Prominenz?</p> <p>Bradley: Vor allem freue ich mich, den Sport damit nach vorne zu bringen. Ich möchte insbesondere den Frauen zeigen, dass es diesen Sport gibt und dass sie keine Angst davor haben müssen, ins Fitnessstudio zu gehen. Dass sie sich auch trauen können, schwerere Sachen anzugehen - etwa LKWs zu ziehen. Mit der Sendung kann ich zeigen: Hey, ihr Mädels könnt das auch! Es reicht schon, wenn das ein paar Frauen motiviert, die sich denken: Wenn die das kann, warum sollte ich das nicht können?</p> <p>teleschau: Wie sind Sie denn zu dem Sport gekommen?</p> <p>Bradley: Früher sah ich im Fernsehen die Strongman-Wettkämpfe und fand das supertoll. Schon damals wollte ich das auch immer mal machen - wusste aber nicht, dass es das hier überhaupt gibt. Dann begann ich mit Crossfit, machte einen Trainerschein und lernte die damals stärkste Frau Deutschlands kennen. Die lud mich 2013 zu einem Anfängerwettkampf ein - und seither bin ich drangeblieben.</p> <p>teleschau: Was war seitdem das Größte und Unvorstellbarste, dass Sie gezogen oder gehoben haben?</p> <p>Bradley: Die meisten Leute können sich sehr schwer hineinversetzen, wenn ich einen 19-Tonnen-LKW über 20 Meter ziehe. Das war wohl bislang das Krasseste. Beim Kreuzheben, das man ja kennt, schaffte ich bislang 240 Kilo. Aktuell habe ich mit 140 Kilo auch den deutschen Rekord im Atlassteinheben. Das würde ich gern in diesem Jahr steigern.</p> <p>teleschau: Wie gehen Sie denn mit dem Label &quot;stärkste Frau Deutschlands&quot; um?</p> <p>Bradley: Das trage ich natürlich mit Stolz! Als ich anfing, hätte ich das niemals gedacht - das war so ein Lebensziel. Das nächste Ziel ist dann stärkste Frau der Welt. Weshalb ich allen anderen Frauen immer rate: Beschränkt euch nicht! Wenn man mit Leidenschaft dahintersteht, kann man alles erreichen!</p> <p>teleschau: Ist der Sport wirklich für jeden etwas?</p> <p>Bradley: Ja. Ich habe auch ganz klein angefangen, das muss nicht gleich der LKW sein. Die Disziplinen gibt es schon mit viel weniger Gewicht. Man kann Strongman als Wettkampfsport betreiben, aber eben auch als Freizeitsport. Viele Fitnessstudios bieten das mit an. Man darf auch keine Scheu haben, uns zu kontaktieren, einfach nachfragen! Es gibt auch einen Verband und eine eigene Liga - man kann sich da online informieren. Ansonsten: Jeden Strongman kann man persönlich anschreiben und fragen.</p>