Spahn über Anti-Israel-Demos: "Wasserwerfer waren bei Corona-Rentnern schneller im Einsatz"

 

Fassungslos blickte die "Markus Lanz"-Runde auf den sich Bahn brechenden Antisemitismus in Deutschland. CDU-Politiker Jens Spahn sprach mit Blick auf muslimische Communities von einer "kulturellen Prägung" und verlangte, irreguläre Migration notfalls mit "physischer Gewalt" zu stoppen.

Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn verurteilte im Gespräch mit Lanz den
Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn verurteilte im Gespräch mit Lanz den "importierten Antisemitismus". (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel steigt auch in Deutschland die Zahl antisemitischer Straftaten. Wie sehr der offen ausgelebte Judenhass an die Substanz geht, machte Journalist Philipp Peyman Engel am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" deutlich.

"Wir können uns nicht mehr als Juden äußerlich erkennbar auf die Straße trauen", sagte Engel, der erzählte, dass einige Menschen jüdischen Glaubens ihre Kippa mittlerweile unter Baseballkappen verstecken. Zudem offenbarte der Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen", dass viele seiner Abonnenten sogar darum bäten, "dass die Printausgabe in einem neutralen Umschlag geliefert wird". Der bittere Grund? "Man muss sich als Jude verstecken, um sicher zu sein."

Nicht nur Journalistin Petra Pinzler reagierte geschockt: "Mich macht das sprachlos." Auch Personalberater Kubilay Dertli verurteilte die Schilderungen und sagte: "Antisemitismus ist ein Problem von uns allen. Der Kampf gegen Antisemitismus ist Aufgabe von allen Menschen, die in Deutschland leben."

Dem stimmte CDU-Politiker Jens Spahn zu, der mit Blick auf die jüngsten pro-palästinensischen Demonstrationen einen "Kontrollverlust" in den Städten konstatierte: "Das macht ja was mit den Leuten auch." Gerade deshalb forderte der Ex-Gesundheitsminister ein hartes Durchgreifen der Polizei und eine klare Antwort der Politik, "um das grundsätzliche Sicherheitsempfinden aller auch wieder geradezurücken".

Bei Markus Lanz (links) debattierten Kubilay Dertli (rechts), Petra Pinzler, Philipp Peyman Engel (Mitte) und Jens Spahn über den wachsenden Antisemitismus in Deutschland. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Bei Markus Lanz (links) debattierten Kubilay Dertli (rechts), Petra Pinzler, Philipp Peyman Engel (Mitte) und Jens Spahn über den wachsenden Antisemitismus in Deutschland. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

 

Jens Spahn über muslimischen Antisemitismus: "Das ist eine kulturelle Prägung"

Spahn verurteilte in dem Zusammenhang vor allem den muslimischen Judenhass und stellte klar, dass er bereits vor Jahren "über importierten Antisemitismus gesprochen" habe, damals jedoch nicht ernst genommen worden sei. Aus diesem Grund sei er über die jüngsten Szenen aus Städten wie Essen wenig überrascht.

Dennoch tue es "unendlich weh, das zu sehen. Es macht sprachlos, es macht wütend." Der offen homosexuell lebende Politiker ergänzte, dass diejenigen, bei denen "Antisemitismus Teil der Alltagskultur" ist, auch häufig dieselben seien, "die auch gegen Schwule hetzen". Er stelle sich deshalb immer häufiger die Frage, "wo zeigst du eigentlich öffentlich noch, dass du schwul bist".

undefined

Infografik: Antisemitismus wird gewalttätiger | Statista
Infografik: Antisemitismus wird gewalttätiger | Statista

Der Politiker ergänzte in Bezug auf die von ihm angesprochenen muslimischen Communitys: "Das ist ja nicht angeboren. Das ist angelernt. Das ist eine kulturelle Prägung." Diese kulturelle Prägung könne nicht einfach abgelegt werden, "indem man eine Grenze übertritt".

Während sich Jens Spahn auf den islamischen Antisemitismus fokussierte, machte Petra Pinzler deutlich, dass das Problem viel tiefgreifender sei und auch auf der politischen Rechten sowie der Linken existiere. "Wir müssen die ganze Karte zeichnen und dann schauen, was können wir in diesem Land tun", mahnte die Journalistin. Sie plädiere dafür, Antisemitismus von allen Seiten zu bekämpfen.

"Wir können uns nicht mehr als Juden äußerlich erkennbar auf die Straße trauen", sagte Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen". (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
"Wir können uns nicht mehr als Juden äußerlich erkennbar auf die Straße trauen", sagte Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der "Jüdischen Allgemeinen". (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

 

Lanz kontert Spahn-Aussage: "Das ist jetzt ein bisschen polemisch"

Jens Spahn wollte dem nur teilweise zustimmen. Er machte deutlich, dass der muslimische Antisemitismus "auf der Straße, in dieser Art und Weise, mit Davidsternen an der Tür, mit körperlicher Gewalt" eine "andere, neue Qualität" habe. Der CDU-Mann behauptete, dass die deutsche Polizei bei Demonstrationen von "Rechtsradikalen in Stiefeln" tendenziell schneller eingreifen würde. "Ich sage das jetzt mal etwas zugespitzt: Die Wasserwerfer waren bei den Corona-Rentnern schneller im Einsatz...", raunte Spahn. Moderator Lanz konterte gequält: "Das ist jetzt ein bisschen polemisch."

Gegenüber Markus Lanz machte Jens Spahn deutlich, dass die Einigung von Bund und Ländern im Kanzleramt kein historischer Moment sei. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Gegenüber Markus Lanz machte Jens Spahn deutlich, dass die Einigung von Bund und Ländern im Kanzleramt kein historischer Moment sei. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Mit ähnlich spitzer Zunge sprach er auch über den Migrationsgipfel von Bund und Ländern im Kanzleramt. Die Beschlüsse bezeichnete er zwar als "nicht falsch", er kritisierte jedoch, dass sie "nicht reichen" würden, denn: "Es setzt nicht an der Kernfrage an, die irreguläre Migration (...) zu begrenzen oder zu beenden." Die aktuelle Migrationspolitik habe laut Spahn "in einer großen Mehrheit der Bevölkerung so keine Akzeptanz". Deshalb warnte er: "Wenn die demokratische Mitte diese Frage der irregulären Migration nicht beendet, wird die irreguläre Migration die demokratische Mitte beenden. Heißt: Es werden Radikale (...) möglicherweise dann an die Macht kommen."

Für Jens Spahn sei daher klar, dass irreguläre Migrationsbewegungen gegebenenfalls "mit physischer Gewalt" an den Grenzen aufgehalten werden müssen. Ein Vorschlag, der bei Petra Pinzler und Markus Lanz für Unverständnis sorgte. Jens Spahn konterte jedoch unbeirrt: "Versuchen Sie mal, am Frankfurter Flughafen durch die Passkontrolle zu rennen. Man wird Sie aufhalten!" Markus Lanz überzeugte die Vorstellung nicht: "Menschen lassen sich nicht von Grenzen aufhalten, das habe ich zu oft gesehen."

Video: "Markus Lanz": Anton Hofreiter bezeichnet Olaf Scholz als "Hauptproblem im Kanzleramt"