Spiegel TV: Abtreibungsgegner befördern die USA zurück ins Mittelalter

Spiegel-TV beschäftigt sich am Sonntagabend vor allem mit dem Thema Abtreibung in den USA. Hier sind die Menschen bei weitem nicht so tolerant wie hierzulande.
Spiegel-TV beschäftigt sich am Sonntagabend vor allem mit dem Thema Abtreibung in den USA. Hier sind die Menschen bei weitem nicht so tolerant wie hierzulande.

Nach seiner umstrittenen Äußerung über Hartz-IV-Empfänger machte der CDU-Politiker Jens Spahn jetzt mit seinen Aussagen über Schwangerschaftsabbrüche von sich Reden. Er setzte sich vehement gegen die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen ein. Als Angehöriger einer christlichen Partei sei das seine Überzeugung. Spiegel-TV zeigte nun jedoch, was passieren kann, wenn aus Abtreibungsgegnerschaft religiöser Fanatismus wird.

Es geht um den Paragraphen 219a. Er legt fest, dass es Ärzten verboten ist, Abreibung “anzubieten, anzukündigen oder anzupreisen” oder Mittel, die diese befördern – wenn es in “grob anstößiger Weise” oder aus kommerziellem Interesse geschieht. Verstöße können mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. So geschehen bei einer Gießener Ärztin, die auf ihrer Homepage über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte und nun 6000 Euro Strafe zahlen muss.

Eigentlich hatte die SPD einen Gesetzesentwurf im Bundestag zur Abstimmung stellen wollen, um den Paragraphen 219a abschaffen zu lassen – nach Protesten vom Koalitionspartner CDU jedoch darauf verzichtet. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte die Gegner dieses Verbots scharf angegriffen: “Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos.” In der Debatte um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche werde hingegen “manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht.”

Das ist auch ein Hauptargument der Demonstranten vor einer Abtreibungsklinik in Louisville – der einzigen im Bundesstaat Kentucky. Dort steht auf Plakaten “Abortion is murder” (Abtreibung ist Mord) oder “Pray to end abortion” (Bete, um Abtreibung zu beenden). Später am Tag dann auch krudere Vergleiche wie “Abortion is Americas Holocaust” (Abtreibung ist der amerikanische Holocaust).

Viele christliche Demonstranten machen den Gang zum Klinikeingang für die Patientinnen zum Spießrutenlauf. Sie sagen ihnen: “Es ist noch nicht zu spät. Der Arzt kommt erst um 11 Uhr. Ihr könnt noch gehen.” Eine von ihnen ist Donna Durning. Jeden Morgen meldet sie die Zahlen der jungen Frauen, die in die Klinik gehen an einen katholischen Radiosender. “Heute waren es schon elf oder zwölf Frauen. Für die betet der Radiosender dann.”

Mittlerweile werden die meist jungen Frauen von freiwilligen Helfern begleitet, damit sie sich vor den Anfeindungen schützen können. “Auf deren Westen steht Eskort. Sie eskortieren Menschen in den Tod. Aber diese Westen werden bald im Museum hängen wie Nazi-Uniformen”, sagt Pastor Joseph Surgeon. Jeden freien Tag verbringt der Pastor vor der Klinik, sagt Dinge wie “du hast dich des Mordes schuldig gemacht.” Nächstenliebe, so sagt es der Spiegel-TV-Sprecher, klingt anders. Andere Abtreibungsgegner haben viel profanere Gründe. “All diese Menschen hätten in die Rentenkasse einzahlen können”, sagt ein älterer Herr. Auch das ist ein Argument, wenn auch kein gutes.

Bald schon soll entschieden werden, ob die Abtreibungsklinik in Louisville geschlossen wird. Dann wäre Kentucky der erste Bundesstaat ohne die Möglichkeit für einen Schwangerschaftsabbruch. In Anbetracht dieser Geschehnisse ist die Aussage von Jens Spahn mit Vorsicht zu genießen.

Kinderleben sollen nicht weniger geschützt sein als Tierleben, argumentiert er. Doch vergisst dabei das Recht auf Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper. In Deutschland gibt es bereits gesetzlich vorgeschriebene Bedingungen, wie ein Beratungsgespräch und eine mindestens drei Tage dauernde Bedenkzeit, die verhindern, dass befruchtete Eizellen nach jedem ungeschützten One-Night-Stand einfach wegrationalisiert werden.

Lange haben Frauen und Männer für den Paragraphen 218 gekämpft, der Schwangerschaftsabbrüche legalisiert, ein Rückschritt wie in Louisville sollte für das weltoffene Deutschland unvorstellbar sein.

Foto: RTL