Als eine Fliegenklatsche die Tennis-Welt in Aufruhr versetzte

Der Schläger, der beinahe den Tennissport revolutioniert hätte, steht heute im Wimbledon-Museum. Sein besonderes Merkmal: Er ist doppelt besaitet. Plastikröhrchen verbinden die Quersaiten mit den beiden vertikalen Saiten. Die Optik erinnert an Spaghetti. So kam der Schläger auch zu seinem zeitgenössischen Namen: das "Spaghetti-Racket". (So sieht der Spaghetti-Schläger aus)

Andere bezeichneten den Schläger als "Fliegenklatsche". Oder als die "Vilsbiburger Keule". Dieser Ausdruck geht auf den Wohnort des Erfinders zurück. Sein Name lautet Werner Fischer. Der Mann wohnte im niederbayerischen Vilsbiburg. Er war ein Hobbyhandwerker, der gerne tüftelte. So schreibt es die taz in einem Artikel über Fischer.

Als dieser 1972 in seiner Gartenlaube bastelte, wusste er nicht, dass er später indirekt für einen großen Tennis-Eklat verantwortlich sein würde. Fischer experimentierte mit der Bespannung. Zwei Schichten längs, eine quer – diese Kombination gefiel ihm.

Harte Schläge landen im Feld

Der Schläger, der später auch den Beinamen "Fischer-Patsche" erhielt, hatte zwar einen Nachteil. Er verlangsamte den Ball. Dafür bekam die gelbe Filzkugel beim Absprung vom Boden einen neuen Drall, die Flugbahn war meistens unberechenbar. Der Ball ließ sich auch hart schlagen, ohne im Aus zu landen.

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Einige Spieler des TC Grün-Weiß Vilsbiburg ließen sich fortan den Schläger auf Fischer-Art bespannen. Mit Erfolg. Die "Fliegenklatsche" machte bei den Spielen oft den Unterschied. Den Vilsbiburgern gelangen Außenseitersiege. Es ging aufwärts für die Mannschaft aus dem Landkreis Landshut. 1977 schaffte der Klub sogar den Aufstieg in die Bundesliga.

Die Geschichte vom Wunderschläger machte derweil in der Profiszene die Runde. Spieler ließen sich ihr Racket im Stile der "Fischer-Patsche" besaiten.

Philipps-Moore holt einen Sieg bei French Open

Bei den French Open 1977 schlug Barry Philipps-Moore mit der "Fliegenklatsche" auf. In der ersten Runde schaffte der Australier einen souveränen Dreisatzsieg über den Chilenen Patricio Cornejo. In der zweiten Runde konnte ihm der Schläger auch nicht mehr weiterhelfen. Der Ungar Balazs Taroczy war zu stark.

Das große Spiel mit einem "Spaghetti-Racket" sollte aber erst noch kommen. Es war am 2. Oktober, vor genau 42 Jahren, bei einem ATP-Turnier im französischen Aix-en-Provence.

Im Finale standen sich zwei Größen des Sports gegenüber. Auf der einen Seite: Guillermo Vilas aus Argentinien. Er hatte vor der Partie 46 Spiele am Stück gewonnen – ein Rekord, der bis heute seine Gültigkeit hat. Zudem hatte Vilas den Vorteil, dass in Aix-en-Provence auf seinem Lieblingsuntergrund gespielt wurde: Sand.

Nastase war der große Außenseiter

Sein Gegner war immerhin der ehemalige Weltranglisten-Erste Ilie Nastase. Gegen Vilas galt der Rumäne als der große Außenseiter. Doch dann packte er das "Spaghetti-Racket" aus und brachte den Favoriten zur Verzweiflung.

Den ersten Satz gewann Nastase mit 6:1. Der zweite Durchgang ging mit 7:5 an den Rumänen. Ein Satzgewinn fehlte ihm noch. Doch zu weiteren Ballwechseln kam es nicht mehr.

Vilas gab auf. Nastase sicherte sich somit den Pokal. Sein Gegner zürnte nach dem Spiel. "Ich habe nicht gegen Nastase verloren, sondern gegen einen Schläger", erklärte Vilas.

Tiriac spielt eine Rolle beim Verbot

Dieses Finale von Aix-en-Provence schien für eine Revolution der Sportart gesorgt zu haben.

Doch bevor der Siegeszug der "Fischer-Patsche" weiterging, schaltete sich der Tennis-Weltverband ein. Er verbot die unkonventionelle Bespannung. Ion Tiriac, damals Vilas' Manager, soll laut einem Bericht des Schweizer Tagesanzeiger auf die Regelhüter eingeredet haben.

Nastase gewann hinterher kein Sandplatzturnier mehr. Auch für die Tennisspieler aus Vilsbiburg ging es bald wieder bergab. Das Abenteuer Bundesliga war nur von kurzer Dauer. Immerhin schaffte es ein Klubmitglied noch nach Wimbledon – wenn auch nur als Aussteller im Museum.