Ein Verein am Abgrund

Ein Verein am Abgrund
Ein Verein am Abgrund

Donnerstag, der 21. Dezember 2023. Ein extrem ungemütlicher Tag, den die Kölner so schnell nicht vergessen werden. Nicht nur, weil schwere Sturmböen, heftige Gewitter und Regenschauer unaufhörlich durch die Straßen der Stadt peitschten, sondern weil der rheinische Traditionsverein von gleich zwei schlechten Nachrichten erschüttert wurde - und plötzlich vor einer vollkommen ungewissen Zukunft steht.

Was war passiert? Um 15:32 Uhr teilte der Klub zuerst mit, dass die Verantwortlichen „gemeinsam zu dem Entschluss gekommen“ seien, die Zusammenarbeit mit Steffen Baumgart zu beenden. „Der FC steht über allem – und obwohl wir in den letzten Wochen und Monaten sehr viel investiert haben, fehlen die Ergebnisse. Wahrscheinlich braucht es dazu dann eben doch einen neuen Impuls. Zu gehen tut weh“, sagte der 51-Jährige. Schließlich habe sich Köln in den vergangenen zweieinhalb Jahren für ihn zu einer „Heimat“ entwickelt.

Köln mit heftiger Niederlage

Gerade einmal 75 Minuten nach dem für viele Fans schon frustrierenden Baumgart-Aus flatterte dann die nächste Meldung rein, die für den „Effzeh“ sogar noch größere Folgen nach sich ziehen dürfte: Die kriselnden Domstädter haben im Streit um den Transfer des Nachwuchsspielers Jaka Cuber Potocnik eine heftige Niederlage vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS kassiert und eine Transfersperre über zwei Perioden auferlegt bekommen. Somit kann Köln erst im Januar 2025 wieder neue Spieler verpflichten.

„Wir hätten uns ein anderes Urteil gewünscht und auch erwartet“, hieß es in einem Statement des Geschäftsführers Christian Keller. „Entsprechend sind wir sehr enttäuscht, dass der CAS trotz zahlreicher Gegenbeweise die Kündigung von Jaka Potocnik als nicht rechtswirksam eingestuft und gleichzeitig auch keine hinreichenden Beweise für eine Nicht-Anstiftung zu dieser Kündigung durch den 1. FC Köln gesehen hat.“ Fraglos ist dies ein harter Schlag für den ohnehin in einer sportlichen Krise steckenden Verein. Ist der Abstieg nun sogar unvermeidbar?

Selbst der „Baumgart-Effekt“ ist verpufft

Das große Problem: Tatsächlich waren die FC-Bosse bis zuletzt fest davon ausgegangen, dass die drastische Entscheidung wieder einkassiert wird und der Klub bereits im Winter nachrüsten kann. Wie Keller unlängst ankündigte, sollte ein neuer Stürmer, ein weiterer Sechser und Verstärkung für die Innenverteidiger her. Doch externe Neuzugänge sind jetzt ausgeschlossen - bei den Profis wie im Leistungsbereich der Nachwuchsteams.

Zwar ist der „mehrmonatige Schwebezustand ist endlich vorüber“ und der Verein besitze nun „Klarheit“, stellte Keller fest. Trotzdem hätte es dringenden Bedarf gegeben, den Kader rasch zu verstärken. Mit nur zehn erzielten Treffern stellt Köln die schwächste Offensive der gesamten Liga, gegen die unmittelbaren Konkurrenten im Abstiegskampf folgte auf ein maues 0:0 gegen Mainz zuletzt das ernüchternde 0:2 gegen Union Berlin. Zehn Punkte nach 16 Spielen heißt: Rang 17 und akute Abstiegsgefahr.

Haben Baumgart und sein Team in der vergangenen Saison zumindest noch bewiesen, dass die rich­tige Arbeits­ein­stel­lung und ein guter Spirit gewisse Mängel ausgleichen können, besitzt der aktuelle Kader deutlich weniger Qualität. Der langjährige Kapitän Jonas Hector (Karriereende) und Mittelfeldstratege Ellyes Skhiri (Eintracht Frankfurt) sind unter anderem nicht mehr dabei. Seither werden Spieler, die regelmäßig den Unterschied ausmachen, vergeblich gesucht.

Im Sommer hat sich der auf einen strengen Sparsamkeitskurs bedachte Verein gleichwertigen Ersatz nicht leisten wollen. Aufgrund der Erlebnisse der Vorjahre waren die Bosse offenbar der Meinung: Der Baumgart wird‘s schon hinbiegen. Doch Baumgart, lange der große Hoffnungsträger einer ganzen Stadt, war eben auch kein Zauberer, sodass die bran­chen­üb­li­chen Mecha­nismen griffen. Viel wird nun von seinem Nachfolger abhängen.

Köln um Jahre zurückgeworfen?

Zwangsläufig stellt sich jedoch die Frage: Wer soll sich der heiklen Situation in Köln überhaupt annehmen? Abstiegsplatz, eine klamme Kasse, die Transfersperre und ein Team, dem zuletzt vermehrt der Widerstandsgeist fehlte - da fallen so manchen Trainer sicherlich auf Anhieb reizvollere Aufgaben ein.

Kölns U21-Trainer Evangelos Sbonias wäre eine interne Lösung, die sowohl mit dem Verein und auch Baumgarts Spielweise vertraut ist. Doch der 41-Jährige hat die nötige Lizenz für die Bundesliga nicht. Auch der Name des Assistenten André Pawlak fällt, soll aber unwahrscheinlich sein. Dagegen ist laut Medienberichten der frühere Schalker und Bochumer Thomas Reis im Gespräch. Ob der sich allerdings vom CAS-Urteil beeinflussen lassen würde, ist unklar.

Fakt ist nun: In Köln wächst die Angst vor dem siebten Abstieg der Vereinsgeschichte rapide - das hat auch seine Berechtigung. Im Grunde liegt der Verein drei Tage vor Weihnachten ohne eine echte Perspektive am Boden. Und schon am 2. Januar nehmen die Rheinländer die Vorbereitung für die Rückrunde auf. Da bleibt kaum Zeit, sich neu zu orientieren.

Keine rosigen Aussichten für alle, die den Rheinländern die Daumen drücken. Schauen Fans und Verantwortliche eines Tages auf den 21. Dezember zurück, erinnern sie sich womöglich an die beiden Nachrichten, die den Verein um etliche Jahre zurückgeworfen haben.