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Steinmeier warnt bei Kirchentagseröffnung vor Spaltung

Der Ökumenische Kirchentag - sonst eine Massenveranstaltung in Präsenz - findet in der Pandemie größenteils digital statt.
Der Ökumenische Kirchentag - sonst eine Massenveranstaltung in Präsenz - findet in der Pandemie größenteils digital statt.

Der Ökumenische Kirchentag in Frankfurt ist gestartet - digital und dezentral, ohne das übliche Gewusel Tausender Teilnehmer. Die Corona-Pandemie hat eine Veranstaltung anderer Art notwendig gemacht.

Berlin/Frankfurt (dpa) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hofft anlässlich der Eröffnung des 3. Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt auf ein «Signal des Aufbruchs».

Engagierte Christinnen und Christen würden gebraucht, um gegen zunehmende Spaltungstendenzen in der Gesellschaft anzugehen, sagte er am Freitagabend bei der Festveranstaltung. Der Kirchentag unter dem Motto «Schaut hin» hatte bereits am Donnerstag mit einem Eröffnungsgottesdienst begonnen. «Ich sehe mit Sorge, dass die Auseinandersetzungen in unserem Land mit immer größerer Erbitterung geführt werden. Dass Familien im Streit zerbrechen, Freundschaften auseinandergehen; dass Räume des Dialogs ersetzt werden durch Filterblasen, in denen Hass und Hetze gedeihen», sagte der Bundespräsident.

Der Kirchentag finde angesichts der Corona-Pandemie in einer für die Kirchen schwierigen Zeit statt, sagte Steinmeier mit Blick auf eingeschränkte Gottesdienste ohne Gemeindegesang. «Und als sei das nicht traurig genug, im Hintergrund die bange Frage, ob es je wieder ein Zurück zur Normalität gibt», sagte er. «Ob die Pandemie nicht auch hier als Brandbeschleuniger wirkt, dem Prozess der Säkularisierung zusätzlichen Schub verleiht, die Kirchen aus der Mitte der Gesellschaft drängt.»

Es müsse aber auch kritisch gefragt werden, wo die Kirchen selbst zum Prozess der Entfremdung beitrügen. «Zuvorderst nenne ich da die quälend langsame Aufdeckung und Aufarbeitung abscheulicher Verbrechen an den Schwächsten unter uns, an Kindern und Jugendlichen. Verbrechen, die in den Kirchen lange Zeit vergessen oder verschwiegen wurden.»

Die beiden Präsidenten - Bettina Limperg für den Evangelischen Kirchentag und Thomas Sternberg für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken - zeigten sich erleichtert, dass der Kirchentag trotz Pandemie und Einschränkungen beginnen konnte. «Der Weg hierher war wirklich nicht einfach», räumte Sternberg ein. Limperg erinnerte an schwierige Themen, die die Glaubwürdigkeit der Kirchen in Frage stellen. «Darüber müssen wir, darüber werden wir reden», sagte sie angesichts der rund 100 Veranstaltungen, darunter auch zum «Tatort Glaubensraum». Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hoffte, dass von dem Kirchentag in schwieriger Zeit auch ein Stück Hoffnung und Orientierung ausgeht.

Der Kirchentag war am Freitag vom interreligiösen Dialog zwischen Christen, Juden und Muslimen bestimmt gewesen. Eine besondere Rolle nahm nicht zuletzt angesichts der Entwicklung im Nahen Osten der Kampf gegen Antisemitismus ein.

Die beiden Präsidenten des Kirchentags zeigten sich bestürzt darüber, «dass der Nahost-Konflikt zum wiederholten Male zur Bedrohung für Jüdinnen und Juden hier in Deutschland wird». Die Angriffe auf die Synagoge in Bonn, das Verbrennen von Israel-Flaggen vor der Synagoge in Münster oder die gebrüllten Hetzparolen in Gelsenkirchen seien alarmierend, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme. «Es handelt sich dabei um die verabscheuungswürdige Diffamierung von Angehörigen der jüdischen Religion und Kultur. Vor diesem Hass dürfen wir die Augen nicht verschließen oder ihn klein reden.»

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, warnte vor einer Zunahme und Verbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien während der Corona-Pandemie gewarnt. Er beobachte «gefährliche gesellschaftliche Verwerfungen», sagte er auf einer Diskussionsveranstaltung. Er wünsche sich, dass Juden in Schulen oder in der Bildungsarbeit nicht nur in der Opferrolle gezeigt werden, «sondern auch, was jüdische Menschen in diesem Land geschaffen haben».

Schuster forderte gesamtgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und hob insbesondere die Rolle der Schulen hervor. «Kein Mensch wird als Antisemit geboren. Es ist wichtig, dass Kinder von Anfang an Bildungsangebote haben, die dafür sorgen, dass sie nicht zu Antisemiten werden.»

Der 3. Ökumenische Kirchentag in Frankfurt findet aufgrund der Corona-Pandemie überwiegend digital statt. Ausnahme sind einige Gottesdienste mit Hygiene-Konzept und begrenzter Besucherzahl.

Wegen der Pandemie kam auch das Oratoriums «Eins» am Freitagabend digital zur Uraufführung. Die biblische Zeitreise sollte ursprünglich im Frankfurter Stadion «mit dem größten Chor der Welt» mit bis zu 50.000 Sängerinnen und Sänger zur Aufführung kommen. Auch eine Verlagerung in die Festhalle scheiterte - dort befindet sich nun das Impfzentrum der Stadt. Stattdessen wurde die vorab mit Abstandskonzept produzierte Aufführung am Abend gestreamt.