Streit um Kritik an Erdogan - Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?

Erst löst ein Satirebeitrag des NDR-Magazins “extra 3” über den türkischen Präsidenten Erdogan eine diplomatische Krise aus. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ZDF-Fernsehmoderator Jan Böhmermann wegen seines Erdogan-Schmähgedichts. Wie viel Kritik am türkischen Präsidenten Erdogan ist erlaubt und kuscht die Bundesregierung vor der Türkei? Das wollte am Sonntag Anne Will in ihrer Sendung wissen.

Zu Gast in der Sendung waren Serdar Somuncu (Kabarettist) Elmar Brok (CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments) Sevim Dagdelen (Die Linke, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Bundestagsfraktion) Bernhard Pörksen (Medienwissenschaftler) und Fatih Zingal (stv. Vorsitzender der Union Europäisch-Türkischer Demokraten).

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Der Grimmepreisträger Jan Böhmermann ist derzeit in aller Munde. Wegen seines Gedichtes, einer Schmähkritik an Erdogan, droht dem ZDF-Moderator nun sogar ein Strafverfahren vor Gericht. Von den Gästen fand nur Fatih Zingal dieses auch für gerechtfertigt. Seiner Meinung nach hat Böhmermann eindeutig gegen Paragraf 103 des Strafgesetzbuches verstoßen. Alle anderen Gäste teilten diese Meinung nicht. Vielmehr erklärten sie, dass ein Strafverfahren in die falsche Richtung gehe.

Besonders Kabarettist Serdar Somuncu nahm seinen Kollegen in Schutz. „Es ist eine gute Satire, denn sie deckt etwas auf“, erklärte Somuncu, der sich im Laufe der Sendung immer wieder ein Scharmützel mit dem CDU-Politiker Elmar Brok gab. Zwar verteidigte dieser ebenfalls Böhmermann, stellte sich zugleich aber auch hinter die Kanzlerin. Diese hatte das Gedicht als „bewusst verletzend“ kritisiert. Somuncu forderte Brok und die Bundesregierung dagegen auf, sich hinter Böhmermann zu stellen.

Auch Sevim Dagdelen von den Linken kritisierte das Verhalten der Bundesregierung, während der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen versuchte, eine ganz andere Rolle der Satire durch die neuen Medien aufzuzeigen. Denn aufgrund sozialer Netzwerke werden Nachrichten und Meinungen viel schneller unter den Menschen verteilt als das noch früher der Fall war, erklärte Pörksen.

Kritik am Flüchtlings-Pakt mit der Türkei

Vom Thema Böhmermann wechselte die Sendung jedoch schnell zum Flüchtlings-Deal zwischen der EU und der Türkei. Während Somuncu und Dagdelen diesen kritisierten, nahm Brok ihn hingegen in Schutz. Somuncu und Dagdelen erklärten, dass die Türkei in Sachen Menschenrechte, Pressefreiheit und Religionsfreiheit weit hinter der EU zurückliegt und das Land somit kein sicherer Drittstaat ist. Brok gab den beiden in Teilen sogar Recht, wies aber darauf hin, dass die Türkei ein ganz wichtiger Partner sei, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen.

Seiner Meinung nach ist die Bundesregierung von Erdogan nicht erpressbar, für Somuncu und Dagdelen dagegen auf jeden Fall. Während Pörksen kaum noch ein Wort sagte, sorgte Zingal, der im beruflichen Leben ein Rechtsanwalt ist, für Lacher im Publikum. Auf die Frage von Will, im welchem Land mehr Rechtssicherheit herrsche, Türkei oder Deutschland, wich er zunächst aus. Doch Will bohrte nach und entlockte dem Rechtsanwalt, dass er beide Länder für rechtssicher hält. Das Publikum fand diese Antwort mehr als amüsant.

Ob sich die Bundesregierung von der Türkei erpressbar gemacht hat, das werden wohl erst die nächsten Tage und Wochen zeigen. Die Themen Jan Böhmermann und Flüchtlingspakt werden noch länger für Gesprächsstoff sorgen.

Bilder: dpa

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