Sturmtief "Sabine" legt Deutschland lahm

In Frankfurt kippte ein Kran auf den Dom, auf Wangerooge brachen Teile des Nordseestrands weg, bei der Bahn und an Flughäfen herrschte zeitweise Stillstand: Orkantief “Sabine” hat seine Spuren in Deutschland hinterlassen. Dabei verlief der Sturm noch glimpflich.

An der Nordseeküste von Wilhelmshaven wütet das Sturmtief "Sabine" bereits (Bild: Mohssen Assanimoghaddam/dpa)
An der Nordseeküste von Wilhelmshaven wütet das Sturmtief "Sabine" bereits (Bild: Mohssen Assanimoghaddam/dpa)

Das Wichtigste in Kürze:

  • Pendler mit starken Einschränkungen bei Bahn- und Autoverkehr

  • Unwetterwarnungen bis zum frühen Montagabend herausgegeben

  • Mehrere Menschen verletzt

  • Zahlreiche Flugausfälle

  • Skispringen-Weltcup in Willingen abgesagt

  • Bundesliga: Rhein-Derby zwischen Köln und Gladbach abgesagt

Probleme für Bahn-Pendler am Montagmorgen

Die Deutsche Bahn hat damit begonnen, den Fernverkehr nach und nach wieder aufzunehmen, der in der Nacht auf Montag vollständig eingestellt worden war. Eine Ausnahme sei Bayern, wo es noch stürmisch sei. Die Deutsche Bahn (DB) rechnet dabei auch am Dienstag mit Zugausfällen und Verspätungen. Vor allem im Werdenfelser Land rund um Garmisch-Partenkirchen und im Allgäu seien immer noch Bahnstrecken blockiert, teilte die DB am späten Montagnachmittag mit. “Andernorts läuft der Zugverkehr wieder an.” An mehr als 100 Stellen seien Schäden behoben worden. “Vor allem umgestürzte Bäume auf Oberleitungen und Gleise blockierten die Strecken.”

Zugausfälle und Verspätungen durch “Sabine”: Diese Rechte haben Bahnreisende

Ein Reisender übernachtet in einem abgestellten Zug am Kölner Hauptbahnhof (Bild: Reuters/Wolfgang Rattay)
Ein Reisender übernachtet in einem abgestellten Zug am Kölner Hauptbahnhof (Bild: Reuters/Wolfgang Rattay)

Hunderte Flugausfälle

“Sabine” hat zu Hunderten Flugausfällen in Deutschland geführt. Am größten deutschen Airport in Frankfurt am Main lief der Flugbetrieb am Morgen normal an: Es gebe bislang keine massiven Verspätungen wegen des Sturms, sagte ein Sprecher. Einige Airlines hatten im Vorfeld vorsorglich Flüge abgesagt. Wegen des Sturms waren am Vortag 190 Starts und Landungen in Frankfurt gestrichen worden.

Größer dagegen die Auswirkungen in München: 420 von normalerweise mehr als 1000 Flügen wurden annulliert, wie ein Sprecher sagte. Vor allem die Lufthansa, der größte Kunde des Flughafens München, hatte alle Kontinentalflüge bis 13.00 Uhr und alle Interkontinentalflüge bis 14.00 Uhr an Deutschlands zweitgrößtem Airport ausgesetzt.

Hintergrund: So kam Sturm “Sabine” zu seinem Namen

Auch an Flughäfen in Nordrhein-Westfalen fielen wegen des Orkantiefs am Morgen zahlreiche Flüge aus. Vor allem die Entscheidung von Eurowings, während des Sturms fast alle Flüge zu streichen, führte an den beiden großen NRW-Flughäfen in Düsseldorf und Köln zu rund 150 gestrichenen Starts und Landungen.

Dutzende Flüge wurden auch in Stuttgart annulliert. Nach Angaben einer Sprecherin wurden bis zum Montagmorgen mindestens 35 Starts abgesagt. Mit Einschränkungen rechnete der Flughafen bis in den Nachmittag hinein.

Die Auswirkungen von “Sabine” werden am Hamburger Flughafen auch am Montag weiter spürbar sein. Zwar starten und landen Maschinen, aber 42 Ankünfte und 47 Abflüge wurden gestrichen, wie eine Sprecherin sagte. Normalerweise gebe es 200 Starts und Landungen an einem Tag.

Auch Autoverkehr mit Einschränkungen

Vergleichsweise entspannt war die Lage auf den Autobahnen: Der WDR meldete um 7.50 Uhr am Montagmorgen in ganz Nordrhein-Westfalen knapp 140 Kilometer Stau - eher wenig für einen Montagmorgen. “Vielleicht arbeiten heute einige von zu Hause aus oder nehmen Urlaub”, spekulierte ein Sprecher der Polizei. Ganz ohne Behinderungen blieb es jedoch auch auf den Straßen nicht. So war etwa die A7 als zentrale Nord-Süd-Verbindung in Niedersachsen zwischen Hildesheim und dem Dreieck Salzgitter die komplette Nacht und am Morgen wegen Sturmschäden gesperrt.

Umgestürzte Bäume und Stromausfälle

In nahezu ganz Deutschland berichteten die Leitstellen der Polizei in der Nacht von einer Vielzahl an umgestürzten Bäumen, die zum Teil auf geparkte Autos gestürzt waren. Bauzäune wurden umgerissen, Werbetafeln umhergeweht, Klohäuschen stürzten um, Trampoline flogen durch die Gegend. In vielen Regionen hielten sich die Schäden aber in Grenzen.

In Hamburg zählte die Feuerwehr bis zum Montagmorgen etwa 300 Einsätze wegen “Sabine”. Eine Kastanie krachte am Sonntagabend auf ein Einfamilienhaus, das Dach und zwei Wände stürzten ein, verletzt wurde niemand.

In Freiburg (Baden-Württemberg) ist ein Baum auf ein Auto gestürzt. (Bild: Patrick Seeger/dpa)
In Freiburg (Baden-Württemberg) ist ein Baum auf ein Auto gestürzt. (Bild: Patrick Seeger/dpa)

In Frankfurt am Main knickte in dem schweren Sturm der Ausleger eines Baukrans um und beschädigte das Dach des Frankfurter Doms. Das Ausmaß des Schadens war nach Angaben eines Feuerwehrsprechers zunächst noch unklar. Verletzt worden sei niemand. Eine Gefahr für Passanten durch den umgestürzten Kranausleger bestehe nicht.

Das Dach des Frankfurter Doms wurde durch einen umgeknickten Baukran beschädigt. (Bild: Arne Dedert/dpa)
Das Dach des Frankfurter Doms wurde durch einen umgeknickten Baukran beschädigt. (Bild: Arne Dedert/dpa)

In mehreren Regionen Bayerns ist die Stromversorgung ausgefallen. Etwa drei Stunden nach Mitternacht habe es erste Stromausfälle in Unterfranken gegeben, teilte die Bayernwerk AG am Montagmorgen in Regensburg mit. Gegen 5.00 Uhr weiteten sich die Stromausfälle auf Oberfranken aus, in den Morgenstunden auf die Oberpfalz und Oberbayern. Rund 50 000 Haushalte seien ohne Strom. “Ursache für die Ausfälle sind meistens Bäume oder Äste, die Stromleitungen berühren oder beschädigen”, erklärte ein Sprecher. Die ersten Kunden in Oberfranken würden über sogenannte Schaltmaßnahmen wieder versorgt. Techniker seien in allen Regionen des Bayernwerk-Netzgebiets im Einsatz oder in Bereitschaft.

Tödlicher Unfall bei Aufräumarbeiten

Bei Aufräumarbeiten wegen des Sturms ist es auf der Autobahn 67 im Süden Hessens zu einem tödlichen Unfall gekommen. Ein Lastwagenfahrer kam am Montagvormittag ums Leben, als er mit seinem Lkw mit einem auf der rechten Fahrspur aufgestellten Sperranhänger der Autobahnmeisterei kollidierte, wie die Polizei mitteilte. Demnach fanden auf der Standspur zwischen Lorsch und Viernheim Aufräumarbeiten wegen des Sturms statt, als es zu dem Unfall kam. Weshalb der Lastwagen auf den Sperranhänger auffuhr, ist unklar. Der Fahrer wurde in seinem Fahrzeug eingeklemmt und starb noch an der Unfallstelle. Genaue Angaben zur Identität des Mannes konnte die Polizei nicht machen.

In Polen wurden im Skiressort Bukowina Tatrzanska im Süden des Landes am eine Frau und ihre Tochter auf einem Parkplatz von herabfallenden Dachteilen erschlagen. Laut einem Polizeisprecher wurden eine weitere Frau und ein Junge bei dem Unglück verletzt und mit leichteren Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht.

In Deutschland sind mehrere Menschen verletzt worden. In Saarbrücken wurden zwei Frauen schwer verletzt, als auf dem Parkplatz des Klinikums ein Baum auf sie niederstürzte, wie ein Polizeisprecher in der Nacht zum Montag mitteilte. Eine der Frauen befinde sich in Lebensgefahr.

In Nordrhein-Westfalen gab es mindestens 13 Verletzte. In Mülheim an der Ruhr hatten zwei Insassen eines Autos riesiges Glück: Ein 25 Meter hoher Baum erwischte ihren fahrenden Wagen im hinteren Bereich. Nur leicht verletzt kamen sie in ein Krankenhaus. “Wäre das Fahrzeug nur eine Sekunde eher an der Stelle gewesen, hätte es wesentlich schlimmer ausgehen können”, erklärte die Feuerwehr.

In Paderborn wurde ein 17-Jähriger durch einen herabstürzenden Ast lebensgefährlich verletzt. Er kam mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus.

In Thüringen ist ein Mann vom Dach seines Hauses geweht worden. Er sei schwer verletzt nach Erfurt in ein Krankenhaus gekommen, sagte eine Sprecherin des Landratamtes des Ilm-Kreises am Montag. Der Mann habe am Sonntagabend versucht, das Dach seines Hauses in Bechstedt-Wagd, einem Ortsteil des Amtes Wachsenburg, zu sichern.

Sturmfluten an den Küsten

Geschlossene Fluttore, überflutete Anleger und “Land unter” auf den Halligen - am Montagnachmittag ist es an der nordfriesischen Küste zur einer Sturmflut gekommen. Unter anderem standen die Fähranleger in Dagebüll und Wyk auf Föhr unter Wasser. Auf den Halligen hieß es “Land unter”. Fährfahrten nach Amrum und Föhr sowie zu den Halligen fielen am Montagnachmittag aus.

In Dagebüll wurde nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ein Pegelstand von 2,18 Metern über dem mittleren Hochwasser gemessen. In Husum wurde das mittlere Hochwasser um 2,28 Meter überschritten. In Wittdün auf Amrum wurde ein Pegelstand von 1,97 Metern über dem mittleren Hochwasser gemessen. Auch die kommenden Hochwasser werden nach BSH-Angaben erhöhte Pegelstände aufweisen, aber deutlich niedrigere als am Montagnachmittag.

Von einer Sturmflut spricht man an der Nordseeküste, wenn die Pegelstände 1,50 bis 2,50 Meter über mittlerem Hochwasser (MHW) liegen. Bei einer schweren Sturmflut wird das MHW um 2,50 bis 3,50 Meter überschritten. Bei einer sehr schweren Sturmflut werden an der Nordsee mehr als 3,50 Meter über MHW erreicht.

Der Strand auf Wangerooge wurde stark beschädigt. Die Abbruchkante sei teilweise bis zu zwei Meter hoch und erstrecke sich am Hauptstrand über eine Länge von etwa einem Kilometer, sagte am Montag der stellvertretende Ratsvorsitzende der Insel, Peter Kuchenbuch-Hanken (Grüne). Wangerooges Bürgermeister Marcel Fangohr (parteilos) sagte, der Scheitelpunkt der Flut sei höher gewesen als vorausberechnet. “Wenn das drei Tage so anhält, dann werden wir vielleicht nachher gar keinen Strand mehr haben.”

Ein Sprecher des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz sagte, es würden nach der leichten Sturmflut am Montagmittag noch vier weitere bis Mittwoch erwartet. Danach werde man den Schaden begutachten.

Eine Sturmflut hat am Montagnachmittag den Fischmarkt in Hamburg-St. Pauli überschwemmt. Das Wasser stieg nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie auf 2,70 Meter über dem mittleren Hochwasser. Die Hamburger Feuerwehr musste deswegen vorerst aber nicht zu einem Einsatz ausrücken, wie ein Sprecher sagte. Am Dienstag und Mittwoch soll es jeweils zwei weitere Sturmfluten in Hamburg geben, die der Vorhersage zufolge etwas geringer ausfallen sollen.

Viele Schulen haben am Montag geschlossen

Nicht nur den Tagesablauf Hunderttausender Pendler, auch den vieler Familien mit Schulkindern wirbelt “Sabine” durcheinander: In vielen deutschen Schulen fällt der Unterricht aus, etwa in etlichen Großstädten Nordrhein-Westfalens sowie in Teilen von Bayern, Hessen, Niedersachsen und Bremen.

Auch der baden-württembergische Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald hat allen Schülern empfohlen, daheim zu bleiben.

Weitere Absagen für Sport-Events

Wegen des Sturmtiefs ist der Weltcup der Skispringer in Willingen für diesen Sonntag abgesagt worden. Starker Wind hatte am Freitag bereits zum Abbruch des Trainings geführt, die Qualifikation musste verlegt werden. Derzeit ist noch nicht bekannt, wann und ob ein Ersatztermin zustande kommt.

Wegen Orkan "Sabine": Andrea Berg muss Konzert in Halle absagen

In Großbritannien, wo das Sturmtief als “Ciara“ bekannt ist, wurde das Spiel des englischen Fußball-Meisters Manchester City gegen West Ham United abgesagt. Dort fegt der Orkan bereits den ganzen Sonntag mit Windgeschwindigkeiten von bis 130 Kilometern pro Stunde hinweg.

Bundesliga-Derby zur Sicherheit der Fans abgesagt

Das Bundesliga-Derby zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln am Sonntagnachmittag wurde abgesagt, wie beide Vereine auf Twitter bekanntgaben. Während des Spiels, das um 15:30 Uhr angepfiffen werden sollte, war zwar noch kein Unwetter erwartet worden, allerdings unmittelbar nach dem Schlusspfiff.

Der Wetter-Ausblick: Es bleibt stürmisch

Auch wenn “Sabine” inzwischen über nach Norden weitergezogen ist, bleibt es stürmisch in Deutschland. Nach einer nur sehr kurzen Verschnaufpause am Montagnachmittag im Westen nehme am Abend und in der Nacht zum Dienstag der Wind von Frankreich und Belgien her erneut kräftig zu, teilte der Deutsche Wetterdienst (DWD) mit. Dabei seien Sturmböen mit Geschwindigkeiten von 80 bis 100 Kilometern in der Stunde möglich, hieß es. Auch schauerartige Niederschläge, teilweise mit Gewittern wurden erwartet.

Ungemütlich soll es auch am Dienstag und Mittwoch bleiben. Bei Höchsttemperaturen zwischen vier und zehn Grad muss am Dienstag mit Regen- und Graupelschauern gerechnet werden, in den Mittelgebirgen in Höhen oberhalb von 300 bis 400 Metern auch mit Schnee. Zeitweise könne es auf den Straßen glatt werden, hieß es. Dazu bleibe es weiterhin windig bis stürmisch, vor allem in Schauernähe sowie im Norden kann es auch noch einzelne Sturmböen geben. Auch an den Küsten bleibt es durchweg stürmisch.

Am Donnerstag hingegen soll es zunächst trocken bleiben, im Ostteil Deutschlands kann es auch längere sonnige Phasen geben. Von den Mittagsstunden an ziehen dann von Westen kommend allerdings wohl erneut Regenwolken durchs Land. Weitere Stürme werden in den Folgetagen derzeit nicht ausgeschlossen.