Tacheles bei Maischberger: "Die haben doch den Schuss nicht gehört!"

Rudolf Dreßler ist sauer. Er schimpft bei Sandra Maischberger ganz gewaltig auf die eigene Partei. Ob das der Weg ist, sie wieder nach vorn zu bringen? Foto: Screenshot / ARD
Rudolf Dreßler ist sauer. Er schimpft bei Sandra Maischberger ganz gewaltig auf die eigene Partei. Ob das der Weg ist, sie wieder nach vorn zu bringen? Foto: Screenshot / ARD

Irgendwo zwischen der Landtagswahl in Bayern, dem Deutschlandspiel gegen Frankreich und der Landtagswahl in Hessen gibt es eine Talksendung mit Sandra Maischberger, die die berechtigte Frage stellt: “Watschn für die Volksparteien – wer braucht noch Union und SPD?” Ihre Gäste reagieren darauf wie auf eine Erlösung: Endlich können sie mal so richtig loswettern. Und das tun sie auch.

Wie in manchen vergangenen Sendungen sucht Maischberger zu Beginn ihrer Sendung den Vergleich zum Fußball. Was könnte für den deutschen Zuschauer denn näher liegen als sich an einem Abend über den Bundestrainer und die Kanzlerin aufzuregen? Der Löw, der klebe ja ebenso an seinem Job wie die Spitzen von CDU, CSU und SPD, zieht Maischberger die Parallele. Und bekommt von Sky-Fußballmoderatorin Jessica Libbertz gleich die Prognose: Löw sei noch da, wenn Angela Merkel sich längst im Ruhestand sonnt. Im Frankreich-Spiel am Dienstag habe der Bundestrainer Mut bewiesen und nach vorherigem Scheitern etwas völlig Neues versucht. Das habe seine Position wieder gefestigt.

„Lieber schiebt man die Schuld auf andere“

In der Politik vermisse die Moderatorin so ein Gebahren. “Lieber schiebt man die Schuld auf andere”, ist ihr Eindruck. Der Kabarettist Florian Schroeder geht sogar noch einen Schritt weiter und behauptet: “Es ist aus der Mode geraten, zurückzutreten. Heute bleiben alle.” Nachdem vergangene Woche Kabarettist Urban Priol die Runde auflockern sollte, sich aber eher durch das Imitieren zahlreicher Stimmen hervortat, als durch inhaltliche Einwürfe, kann nun in dieser Runde Schroeder zeigen, ob er mehr politischen Input beitragen kann. Kann er nicht. Was er und Libbertz in der Runde verloren haben, ist bis zum Ende der Sendung nicht ganz klar.

Um es kurz zu machen. Ob Löw nun bleibt oder geht – sie wissen es alle nicht. Genauso wenig wissen sie es über die Causa Seehofer oder Merkel oder Nahles. Aber die Gäste von Maischberger begeben sich gern auf Spurensuche nach Gründen und Fehlern, die zur jetzigen Situation geführt haben. Normalerweise werden sie bei der gegnerischen Partei fündig, doch nicht so Rudolf Dreßler.

Seit 1969 ist er Sozialdemokrat und an diesem Mittwochabend ist seine Zeit gekommen. Seine Zeit der Abrechnung. “Wenn mir jemand aus der Parteispitze erzählt, mit neun Prozent in Bayern, mit zwölf Prozent in Thüringen, mit 16 Prozent auf Bundesebene sind wir noch Volkspartei – dann sage ich, man hat den Schuss nicht gehört”, schimpft er. Seit Dreßler in die SPD eingetreten ist, hat sich in ihr viel getan. Damals war noch Willy Brandt Bundeskanzler. Ein Mann, der vor allem für seine rhetorischen Qualitäten und sein mitreißendes Auftreten bekannt war. Andrea Nahles kann davon nur träumen.

Weiter wettert SPD-Mann Dreßler: „Das Schlimmste am Sonntagabend nach der Wahl an Erklärungen der SPD war: ‚Der Streit zwischen CDU und CSU hat unser Wahlergebnis ausgemacht’. Für wie bescheuert muss man den Wähler halten, ihm so einen Unfug vorzulegen!“ Dass die Grünen bei der Landtagswahl in Bayern so gut abgeschnitten hätten, ist für Spiegel-Journalist Markus Feldenkirchen, ein Zeichen, dass die SPD als Partei der Mitte abgelöst worden sei.

„Nahles ist die glatteste Fehlbesetzung seit Jahrzehnten“

Und auch der ehemalige ARD-Moderator Sigmund Gottlieb, der als Ex-Chef des Bayerischen Rundfunks die Gepflogenheiten dieses Bundeslands sehr gut kennt, ist kein Fan von Andrea Nahles: „Frau Nahles im Bund ist die glatteste Fehlbesetzung seit Jahrzehnten. Sie hat es nicht im Kreuz, intellektuell nicht und auch führungstechnisch nicht.“ Selbst die Spitzenkandidatin Natascha Kohnen für den bayerischen Landtagswahlkampf der SPD halte Gottlieb für schwach.

Nun fehlt nur noch Seehofer, der sein Fett wegbekommen muss. Für ihn sitzt der Shootingstar der CDU Philipp Amthor in der Runde. Der junge Mann spricht wie immer sehr gewählt, hat seine Politikerfloskeln gut trainiert und sagt genau das, was seine Kollegin Dorothee Bär vergangene Woche schon erzählt hat: Personaldiskussionen seien out bei den Wählern, man müsse sich mehr um die Sache kümmern. Und zwar die Folgen der Landtagswahl: “Klar, dass das eine Schlappe ist. Aber jetzt muss man erstmal eine Koalitionsregierung suchen. Das Spiel von Angela Merkel und Horst Seehofer ist noch nicht abgepfiffen.”

Journalist Feldenkirchen hat sogar ein wenig Mitleid mit Seehofer. Er sagt: “Der war nicht immer die Hass- und Witzfigur, für die viele ihn heute halten. Der war ein honoriger Politiker.” Doch wo ist dieser Politiker nur hin? Diese Frage stellt sich nach dem Talk bei Maischberger ebenso wie die Frage vom Anfang: Brauchen wir nun weiter Volksparteien? Feldenkirchen hat darauf die Antwort: “Mit den Volksparteien ist es vielleicht ein bisschen wie bei Wetten, dass…? Es gibt nicht mehr das eine Programm, das für alle passt. Auch weil es heute mehr Angebot gibt.“