Tatort: Herrscht die Technik schon über uns?

image

Computer überlisten Menschen. Die Angst vor dem digitalen Kontrollverlust ist fast so alt, wie der Computer selbst. Maschinen entwickeln ein Eigenleben, versuchen die Herrschaft auf Erden zu übernehmen, den Menschen zu unterjochen. Filme spielen immer wieder mit diesem Motiv. Den brillantesten Film über einen neurotischen Gruselcomputer hat wohl Stanley Kubrick mit seinem Epos „2001 – Odyssee im Weltraum“ gedreht, in dem der Raumschiff-Bordcomputer HAL 9000 ein Eigenleben entwickelt, sich gegen die Besatzung wendet und diese zu töten beginnt. HAL ist auch der Name des Tatorts aus Stuttgart, der gestern ausgestrahlt wurde. Ein Wortspiel des Regisseurs Kubrick: Die Buchstaben HAL stehen im Alphabet jeweils vor IBM.

Der Tatort hat sich dann auch nicht nur beim Titel von Kubrick inspirieren lassen: Auch in Stuttgart versucht eine Maschine, das Kommando über das menschliche Handeln übernehmen. „Bluesky“ heißt das selbstlernende Social-Analysis-Programm, an dem auch das LKA Interesse hat und das sich in Stuttgart gegen seinen Erfinder wendet, weil dieser eine Art Not-Ausschalter in das Programm schreiben will.

• Lesen Sie auch: Darum will Gaststar Ken Duken kein “Tatort”-Ermittler sein

• Bildergalerie: Die heißesten “Tatort”-Stars

Bluesky soll den Menschen analysieren, sein Verhalten, seine Vorlieben, seine Mimik, um vorhersagen zu können, was ein Mensch in der Zukunft gerne kaufen oder machen möchte, soll seine Gedanken erkennen, bevor diese Handlungen werden. Auch das LKA will mit dem Programm Verbrechen erkennen, bevor sie begangen werden. Das Programm macht sich nun aber selbstständig und wird selber kriminell, versucht seinem Programmierer Bogmann einen Mord in die Schuhe zu schieben, indem es beginnt Daten, und damit Menschen zu manipulieren. Was war passiert?

Wir alle verlassen uns auf Technik, die wir nicht mehr verstehen

Eine junge Frau, eine Schauspielstudentin, die sich über ein Onlineportal als Prostituierte verdingt, ist eines der Gesichter des Programms, eine Art virtuelle Empfangsdame. Kurz nachdem sie ihre Affäre mit dem Programmierer David Bogmann (Ken Duken) beendet, schwimmt sie tot auf dem Neckar. Ermordet bei einem SM-Spiel, so suggeriert es ein Video das bald auftaucht. Erschaffen von Bluesky, wie die Erfinder am Ende des Films einsehen müssen. Den beiden eher analogen Stuttgarter Kommissaren fliegen Begriffe wie Overlay Network, Darknet und Social Analysis um die Ohren. Sie arbeiten sich aber erstaunlich souverän hinein, in die digitale Parallelwelt und in einen überraschend guten und interessant erzählten Tatort.

• Bildergalerie: Die zehn skandalösesten Momente beim “Tatort”

Die grundlegende Frage, die hier verhandelt wird, ist: Wie lange noch ist es der Mensch, der die Technik lenkt? Ist er es noch? Kann man digitalen Bildern noch vertrauen? Wie verhalten wir uns zur Überwachung? Was ist echt, was ist Trugbild? Wie kann man noch die Echtheit digitaler Informationen überprüfen? Denn vieles, was man in „HAL“ sieht, gibt es ja schon: Gesichtsscans, Verfälschung digitaler Aufzeichnungen, Stilllegung der Elektronik von Autos.

Die Botschaft des Filmes wird überdeutlich gemacht: Wir alle verlassen uns auf Technik, die wir nicht mehr verstehen und beherrschen.

„Gehirne der Serie 9000 sind die besten Computer, die jemals gebaut worden sind. Kein Computer der Serie 9000 hat jemals einen Fehler gemacht oder unklare Informationen gegeben. Wir alle sind hundertprozentig zuverlässig und narrensicher – wir irren uns nie.“ Das sagt HAL in „2001 – Odyssee im Weltraum“ und doch wird er abgeschaltet. So optimistisch ist man beim Tatort schon nicht mehr: „Bluesky“ lebt weiter, verstreut auf Servern auf der ganzen Welt. So wie heute schon die Daten von Milliarden von Menschen. (fs)

Was denken eigentlich die Amis über Deutschlands liebsten Krimi?

Foto: SWR