"Tatort" aus Stuttgart: Ab welchem Alter ist man strafmündig?
Im "Tatort: Zerrissen" mit den Stuttgarter Ermittlern Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) starb eine Frau beim Überfall auf einen Juwelier. Ein 13-Jähriger stand Schmiere, konnte aber nicht belangt werden. Ab welchem Lebensalter ist man für seine Taten verantwortlich?
Fast fühlte man ich wie in einem "Derrick" aus den 70-ern. Oder wann hat man zuletzt in einem modernen Krimi den Überfall auf einen Juwelier gesehen - bei dem dummerweise eine Kundin ums Leben kam? Im "Tatort: Zerrissen" ging es danach weniger um klassische Ermittlungsarbeit, sondern die Gefühle und Zwänge einer klassischen Kriminellenfamilie: um Wut, Stigma und jene fiesen Methoden, mit denen sich die Täter ihren 13-jährigen Cousin David (Louis Guillaume) gefügig machen wollten.
"Du bist ja noch nicht strafmündig", hieß es da mehrfach - auch als Aufforderung, einen unliebsamen Zeugen zu erschießen. Doch was heißt überhaupt Strafunmündigkeit? Welche Delikte betrifft das in welchem Alter und wie werden junge Täter bei schweren Delikten anders behandelt als ältere?
Worum ging es?
Ein Stuttgarter Juwelier wurde überfallen. Jene Kundin, die kurz vor Ladenschluss noch das Geschäft betrat, kam dabei ums Leben. Die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) hatten wegen des Tatmusters die einschlägig bekannten Brüder Maslov (Nils Hohenhövel, Oleg Tikhomirov) im Visier. Die Berufsverbrecher schwiegen eisern, doch ihr 13-jähriger Cousin, der Schmiere stand, schien eine Schwachstelle des Systems sein.
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Der Junge lebte in einer betreuten Wohngruppe und schwärmte für seine Betreuerin Annarosa (Caroline Cousin). Die lehnte Autoritäten und insbesondere die Polizei streng ab. Konnten die Ermittler den eigentlich gutherzigen David erreichen, sodass er aus dem Verbrechersystem des Clans ausstieg und seine Cousins verriet?
Worum ging es wirklich?
Wird der "gute Junge" seine toxische Familie verraten oder ist Blut am Ende doch dicker als Wasser? Das Kreativduo Martin Eigler (Drehbuch, Regie) und Sönke Lars Neuwöhner (Drehbuch) hat schon etliche "Tatorte" in seiner Vita stehen. Darunter den großartigen Fall "Der Mann der lügt", 2018 ebenfalls fürs Stuttgarter Revier realisiert, über einen notorischen Lügner.
Schaut man sich weitere Plots von Eigler/Neuwöhner an, zum Beispiel den Ludwigshafener Fall "Der böse König" (2021) über einen Täter mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, fällt auf, dass die beiden Kreativen gern ungewöhnliche Persönlichkeiten in den Mittelpunkt ihrer Geschichten stellen. Der Fokus im Stuttgarter Fall liegt auf einem Jungen, dem aufgrund seiner Familienzugehörigkeit ein aufrechtes, gesetzestreues Leben verboten ist. Was macht diese Last mit einem 13-Jährigen? Und was mit jenen, die ihn auf ihre Seite ziehen wollen? "Zerrissen" war nicht nur ein Krimi, sondern auch ein Moralstück über den Umgang mit Schutzbefohlenen.
Ab wann ist man in Deutschland strafmündig?
Gemäß Paragraf 19 des Strafgesetzbuches ist schuldunfähig, wer bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist. Dies gilt - in Deutschland übrigens schon seit 1923 - für jegliche Art von Delikt. Ab 14 Jahren fallen Jugendliche dann unter das Jugendstrafrecht, laut dem sie nur in Teilen strafmündig sind.
Ab 18 Jahren gilt dann das normale Strafrecht, allerdings haben Richter die Chance, bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres noch das Jugendstrafrecht anzuwenden. Das Jugendstrafrecht zielt vor allem auf Erziehung und Rehabilitation ab und legt daher einen besonderen Schwerpunkt auf erzieherische Maßnahmen und Hilfestellungen statt auf streng strafende Maßnahmen.
Wer war der junge Hauptdarsteller - und wer seine Erzieherin?
Louis Guillaume, ein mittlerweile 17 Jahre alter Nachwuchs-Schauspieler aus Eisenach, war erstmals 2019 als Kinderdarsteller in zwei Folgen der ARD-Serie "Familie Dr. Kleist" zu sehen. 2022 spielte er in der bei KiKa ausgestrahlten Serie "Völlig meschugge?!" die Hauptrolle des Benny Levenberg. Im November 2022 folgte dann die Romanverfilmung "Das Licht in einem dunklen Haus".
Schon etwas weiter ist die 24-jährige Schauspielerin Caroline Cousin, die Davids Erzieherin und "Love Interest" Annarosa spielt. Es ist bereits die dritte größere "Tatort"-Rolle für die am Düsseldorfer Schauspielhaus tätige Berlinerin. Im bärenstarken "Tatort: Borowski und die große Wut" spielte sie jene unberechenbare Täterin, die ein Kind entführt hatte und im Schwarzwald-Fall "Das geheime Leben unserer Kinder" jene Stiefschwester, die mit ihrem Liebhaber und Bruder vor der bigotten Erwachsenenwelt ausgebüxt war.
Wie geht es beim Stuttgarter "Tatort" weiter?
Einen weiteren Stuttgarter "Tatort" wird es 2024 erst nach der Sommerpause geben: "Lass sie gehen" soll der Fall heißen, er wurde von Andreas Kleinert inszeniert. Der vierfache Grimme-Preis-Träger und Gewinner des Deutschen Filmpreises ("Lieber Thomas", 2022) erzählt vom Mord an einer jungen Frau, die gerade vom Dorf nach Stuttgart gezogen war, als sie getötet wurde.
Lannert und Bootz ermitteln auch im Heimatdorf des Opfers und im Umkreis der Familie, die eine Gastwirtschaft betreibt und mit der Trauer samt Reue, weil sie die Tochter haben ziehen lassen, nicht zurechtkommt. Moritz Führmann, Julia Jenkins, Irene Böhm, Timocin Ziegler und Sebastian Fritz spielen die Episodenrollen.
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