Terrorverdacht: Aufgeschobener Prozess gegen Franco A. beginnt im Frühjahr 2021

Der Prozess gegen den ehemaligen Bundeswehr-Oberleutnant Franco A. wird voraussichtlich im Frühjahr 2021 beginnen. Der obskure Fall könnte als Vorlage für einen Krimi dienen.

Soldat*innen der Bundeswehr im Jahr 2018. Damals war Franco A. bereits angeklagt und suspendiert. Foto: REUTERS / Fabrizio Bensch
Soldat*innen der Bundeswehr im Jahr 2018. Damals war Franco A. bereits angeklagt und suspendiert. Foto: REUTERS / Fabrizio Bensch

Der Prozess gegen Franco A., einen ehemaligen deutschen Bundeswehr-Oberleutnant, soll im Frühjahr 2021 vor dem Oberlandesgericht Frankfurt beginnen. Ursprünglich sollte er bereits Anfang dieses Jahres verhandelt werden, aufgrund zu hoher Belastung des Gerichts wurde er jedoch verschoben. Ein genaues Startdatum steht bislang nicht fest.

Aufgrund dieser Verzögerung geriet die Ermittlung gegen Franco A. wegen Terrorverdachts in Vergessenheit. Dabei schlug sie damals mit jedem neu bekannt gewordenen Detail hohe Wellen. Das dürfte voraussichtlich wieder ähnlich sein, sobald der Prozess in den kommenden Wochen aufgenommen wird. Grund genug, zurückzublicken auf das, was bislang bekannt ist.

Die Waffe in der Tasche vergessen

Festgenommen wurde Franco A. im Februar 2017 in Wien. Er war gerade dabei, eine geladene Pistole samt Munition aus dem Putzschacht einer stillgelegten Toilette herauszuholen. Er hatte sie dort zuvor selbst versteckt. Doch ein Flughafen-Mitarbeiter hatte das Versteck gefunden und die Polizei informiert. Die beließ die Waffe – eine französische Pistole aus der Zeit zwischen 1928 und 1944, die damals häufig von Nazis während der Besetzung Frankreichs getragen wurde – dort, und versah den Schacht mit einer elektronischen Falle. Die schnappte wenig später zu.

Bundeswehr: Keine Beweise für Schattenarmee, aber Sorge um Rechtsextreme

Der Polizei erzählte Franco A. nach seiner Verhaftung folgende Geschichte: Ja, er habe die Pistole dort versteckt. Aber nicht, um sie zu nutzen. Er habe sie erst zwei Woche zuvor auf einer Kneipentour durch Wien mit Bekannten in einem Busch gefunden und mitgenommen. Kurz vor dem Security-Check seines Rückflugs sei ihm dann die Waffe in seiner Tasche wieder eingefallen und er habe sie deshalb versteckt.

Die Polizei in Wien sah keinen Grund, weiter zu ermitteln. Sie nahm seine Fingerabdrücke ab und schickte sie zur Bestätigungen seiner Identität nach Deutschland. Dann wurde er freigelassen.

Doch die Überprüfung förderte nicht eine Identität zutage. Sondern zwei.

Zwei Identitäten

Franco A., mittlerweile 31 Jahre alt, Berufssoldat, stationiert im französischen Elsass.

David Benjamin, syrischer Geflüchteter aus der Nähe Aleppos, gemeldet in einer Erstaufnahmestelle, erfolgreiches Asylverfahren, Empfänger von Asyl-Leistungen.

Niemand bemerkte seine Abwesenheit

Im November 2015 hatte sich Franco A. beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorgestellt – als eben jener David Benjamin.

Wie die New York Times (NYT), die zahlreiche exklusive Interviews mit Franco A. geführt hat, aktuell berichtet, habe er dafür sein Gesicht und seine Hände mit Schminke seiner Mutter und Schuhcreme dunkler gefärbt. Er habe damals gesagt, dass er durch halb Europa gelaufen sei, seine Papiere verloren habe und Schutz suche. Der wurde ihm nach einem Asylverfahren, das auf eigenen Wunsch hin auf Französisch geführt wurde, gewährt.

Er führte fortan ein Doppelleben als Geflüchteter und Berufssoldat. Das war in Deutschland offenbar lange Zeit niemand aufgefallen. Dabei tauchte er in seinem Asylheim höchstens einmal im Monat auf.

Nur Gedanken, keine Pläne

Die österreichischen Behörden meldeten den Fund ihren deutschen Kolleg*innen, die schalteten den Militärischen Abschirmdienst (MAD) ein. Dessen Chef, Christof Gramm, sagte damals dem Spiegel: "Wir haben einen solchen Fall in der Extremismusabwehr des MAD noch nie gehabt."

Franco A. wurde zunächst nicht festgenommen, stattdessen ermittelte der MAD verdeckt. Und fand zahlreiche Hinweise auf rechtsextremes Gedankengut, in Videos, Telegram-Nachrichten, Aufzeichnungen. Auch eine Ausgabe von "Mein Kampf". Dazu weitere Waffen und Sprengmaterial, teils aus Bundeswehr-Bestand, auch Hakenkreuze.

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Laut NYT habe Franco A. in den Aufzeichnungen Adolf Hitler verherrlicht, den Holocaust geleugnet, sich auf eine angebliche jüdische Weltverschwörung bezogen und die ethnische Reinheit Deutschlands aufgrund von Migration in Gefahr gewähnt. Doch das seien alles nur private Gedanken, keine Pläne, juristisch nicht relevant, sagte Franco A. im Interview.

Ein Verdacht erhärtet sich

Doch der MAD hegte einen anderen Verdacht: Franco A. plante demnach Anschläge auf "das Leben hochrangiger Politiker und Personen des öffentlichen Lebens", die er für besonders "flüchtlingsfreundlich" hielt. Laut "Deutsche Welle" fanden sich auf Listen die Namen des damaligen Justizministers Heiko Maas, der Grünen-Politikerin Claudia Roth oder von Anetta Kahane. Kahane ist eine bekannte jüdische Aktivistin. In Franco A.s Unterlagen fanden sich auf Handyfotos des Gebäudes, in dem Kahane ihr Büro hat.

Die Vermutung des MAD: Die geplanten Taten sollten Franco A.s Flüchtlingsidentität David Benjamin angehängt werden.

Frühe Hinweise wurden ignoriert

Franco A. hatte, bevor er Berufssoldat auf Lebenszeit wurde, an einer französischen Militärakademie eine Masterarbeit mit rechtsextremem Gedankengut zum Thema “Durchmischung der Rassen” und “Auflösung des Volkes” vorgelegt. Doch obwohl seine französischen Vorgesetzten Warnungen nach Deutschland schickten, ob des Themas und der vermuteten Gesinnung dahinter, kam es nur zu einer Ermahnung Franco A.s. Sonst folgten keine Konsequenzen.

Verhaftung und Freilassung und erneute Anklage

Aufgrund der Ergebnisse der MAD-Ermittlungen wurde Franco A. am 26. April 2017 verhaftet. Er verbrachte sieben Monate in Untersuchungshaft, dann hob der Bundesgerichtshof (BGH) den Haftbefehlt gegen ihn auf – es gebe keinen Anfangsverdacht für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, trotz “nationalistischer, völkischer und antisemitischer Einstellungen” des Angeklagten.

MAD: Geheimdienst zählt rund 550 rechtsextreme Verdachtsfälle in der Bundeswehr

Dennoch wurde Franco A. seines Dienstes enthoben, erhielt ein Uniform-Trageverbot, musste zuhause bleiben, bis zur gerichtlichen Klärung seines Falles. Denn der ist weiterhin offen. Kurz nach der Entscheidung des BGH erhob der Generalbundesanwalt erneut Anklage, dieses Mal wegen Vorbereitung eines Terrorakts. Der Fall wird deshalb Anfang 2021 neu aufgerollt.

Welle der Ermittlungen gegen Rechts

In der Zwischenzeit haben zahlreiche Untersuchungen besorgniserregende Ergebnisse hervorgebracht. So ermittelte der MAD seither und aktuell gegen rund 550 Bundeswehrsoldat*innen wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus.

Für besonders viel Aufsehen hat auch der Verein “Uniter” gesorgt, der seit diesem Jahr vom Verfassungsschutz als Rechtsextremismus-Verdachtsfall geführt wird. Zu seinem Gründer, einem ehemaligen KSK-Soldaten, der in Chatgruppen unter dem Pseudonym “Hannibal” fungierte, pflegte Franco A. ebenfalls gute Kontakte.

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