The Social Pulse: Ausweichmanöver: Interview von SPD-Landtagsabgeordnetem geht viral

Viele Politiker haben das geschickte Umtänzeln von direkten Fragen perfektioniert. Doch dieser SPD-Landespolitiker hat es zu einer wahren Kunstform erhoben.

Nachdenklicher SPD-Politiker: Philipp da Cunha ist Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, (Bild: Jens Büttner/dpa)
Nachdenklicher SPD-Politiker: Philipp da Cunha ist Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, (Bild: Jens Büttner/dpa)

In einem Interview des NDR bekommt der SPD-Landtagsabgeordnete Philipp da Cunha eigentlich eine recht einfache Frage gestellt. Es geht darum, wieviel die Miete eines Hotelsaals gekostet hat, die seine Partei für eine Bürgersprechstunde gezahlt hat. Doch offensichtlich möchte der 35-Jährige diese Frage nicht direkt beantworten. Stattdessen wiederholt er den gleichen Satz in verschiedenen Varianten ein ums andere Mal und redet sich dabei um Kopf und Kragen.

Interview geht auf Twitter viral

Auf Twitter kann man das denkwürdige Interview mit dem SPD-Politiker anschauen, Wirtschaftsexperte und Autor Marc Friedrich hatte es geteilt. Fast vier Minuten lang ist der Clip und zeigt par excellence, wie man viel reden kann, ohne etwas zu sagen.

Da Cunha ist bereits seit 2016 im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten und könnte eigentlich in dieser Zeit gelernt haben, wie man kritischen Fragen begegnet. Doch er wählt hier die Verteidigungsstrategie vom repetitiven Standardsatz und die geht gründlich nach hinten los.

Statt die Frage nach der Miete zu beantworten, wiederholt er leicht abgewandelt die Formulierung, die sich wie direkt aus einer Pressemitteilung entnommen anhört: "Wir haben als SPD-Fraktion seit 15 Jahren Bürgerforen gemacht. Der Golchener Hof war nicht unsere erste Wahl." Man habe zuvor von anderen Lokalitäten bereits Absagen bekommen. Und es sei "ein ortsüblicher Preis" bezahlt worden.

Was steckt dahinter?

Nun gibt es einen Grund, warum der NDR-Reporter so interessiert an der Saalmiete ist. Denn das Hotel "Golchener Hof" bei Brüel gehört nicht irgendeinem beliebigen Besitzer, sondern dem Ehemann von Vize-Fraktionschefin Christine Klingohr. Im Raum stand daher der Vorwurf der Vetternwirtschaft, nachdem neben dem NDR auch weitere Medien über die fragwürdige Ortswahl berichtet hatten.

Zu dem Bürgerforum im Landkreis Ludwigslust-Parchim kamen Anfang Juli insgesamt mehr als 200 Besucher*innen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hielt zunächst eine Rede in der Bauernhof-Tenne und stellte sich dann den Fragen der Gäste. Ein Großteil der SPD-Landtagsabgeordneten und deren Mitarbeiter*innen waren ebenfalls vor Ort. Essen und Getränke seien frei gewesen, berichtete der NDR. Die Kosten übernahm die SPD-Fraktion, sprich sie wurden aus Steuergeldern finanziert. Insgesamt, so der Sender, soll das Bürgerforum rund 15.000 Euro gekostet haben. Das seien 59 Euro pro Person, wie auch die SPD im Nachhinein bestätigte.

Vermutlich transparenter als viele anderePhilipp da Cunha (SPD)

In der Buchung des Saales sah die Partei kein Problem, ein Fraktionssprecher erklärte, man gehe mit "Transparenz, Wahrheit und Klarheit" vor. Auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig wies die Kritik zurück, es sei alles rechtlich sauber abgelaufen. Aus der FDP-Fraktion im Landtag gab es zumindest den Vorwurf eines wenig sensiblen Umgangs mit dem Thema. FDP-Fraktionschef René Domke sagte im "NDR": "Mit eigenen Compliance-Regeln sollte im Vorfeld jedes Geschmäckle vermieden werden."

So reagiert der SPD-Politiker

Nachdem das Interview zum Thema Saalmiete viral ging, äußerte sich auch da Cunha in den Sozialen Medien. Auf Twitter schrieb der SPD-Politiker unter den Post von Marc Friedrich: "Dem Sender lagen schon Tage vor dem Interview zwei Seiten Antworten auf einen Fragenkatalog vor, dann das Interview und nach Vorlage der Schlussrechnung auch die Kosten pro Person." Man sei damit "vermutlich transparenter als viele andere", rechtfertigte sich da Cunha.

Warum er dennoch mit solchem Ehrgeiz versuchte, der simplen Frage auszuweichen, beantwortete der Parlamentarische Geschäftsführer allerdings in seinem Tweet nicht. Fraktionschef Julian Barlen nahm da Cunha für sein misslungenes Interview in Schutz und sagt im NDR, dass dieser die Frage nicht habe beantworten können, hätte daran gelegen, dass die Endabrechnung zu dem Zeitpunkt noch nicht komplett vorgelegen habe.

Netz-Reaktionen

So ganz scheint das aber viele Kritiker*innen online nicht überzeugt zu haben. Nachdem Bestseller-Autor Friedrich das Interview geteilt hatte, wurde es mehr als 215.000 mal auf Twitter angeschaut. Friedrich schrieb dazu: "Platte kaputt? Platine durchgeschmort? Oder einfach nur Angst, transparent zu sein?"

Das sahen viele User*innen anscheinend ähnlich. In den Kommentaren gingen sie hart mit da Cunhas "Eiertanz" ins Gericht. "Einfach nur zum Fremdschämen", kommentierte ein User unter dem Video. Ein anderer Kommentator erkannte gleich ein tiefer liegendes Problem: "Bei einer derartigen 'Antwort', einem derartigen Gebaren vor der Kamera KANN es doch gar keinen mehr wundern, daß der Zuschauer nur noch gewisse Dinge unterstellt." Der Schaden, der in den letzten Jahren an der Einrichtung Wahl, der gesamten Politiklandschaft angerichtet worden sei, sei nie wieder gutzumachen, fand dieser User.

Auch der konservative Journalist Jan Fleischhauer mischte sich in die Debatte ein und schrieb auf Twitter zusammenfassend: "Die SPD zahlte 15.000 Euro für das „Bürgerforum“ im Golchener Hof. Das Hotel gehört dem Ehemann der stellvertretenden SPD-Fraktionschefin Christine Klingohr. Immerhin: Jetzt kennen wir alle hier den Golchener Hof."

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