"Dann hat's gefetzt in der Kabine" - VfB mit irrem Sieg gegen HSV

Gonzalo Castro sprintete zur Eckfahne, riss sich sein Trikot vom Leib und warf es in die Luft.

Nach seinem Siegtreffer in der dritten Minute der Nachspielzeit kochten die Emotionen in der leeren Mercedes-Benz Arena über. Das Tor zum nicht mehr geglaubten 3:2-Sieg des VfB Stuttgart im Topspiel gegen den Hamburger SV löste beim früheren Nationalspieler aber nicht nur Freude aus.

"Ich bin eigentlich ein sehr ruhiger Typ, aber es war auch ein bisschen Frust dabei, weil ich ja die letzten Spiele nicht gespielt habe", erklärte Castro bei Sky. "Umso mehr konnte ich nun die Antwort auf dem Platz geben."

Für die Stuttgarter war es ein emotionales Comeback-Sieg nach einem doppelten Tiefschlag: Trotz 0:2-Pausenrückstand entrissen die Schwaben den Hanseaten im direkten Duell der Aufstiegskandidaten den sicher geglaubten Dreier noch.

Stenzel hofft auf Signalwirkung

Am Ende erkämpfte sich das Team von Trainer Pellegrino Matarazzo nach einer ganz schwachen ersten Hälfte einen 3:2 (0:2)-Erfolg und schob sich an den Hanseaten vorbei auf den direkten Aufstiegsrang zwei. Souveräner Spitzenreiter ist Arminia Bielefeld.

"Es war eine Achterbahnfahrt, mit ganz vielen Höhen und Tiefen", sagte VfB-Abwehrspieler Pascal Stenzel im Anschluss. "Ich saß in der Halbzeit todstill in der Kabine. Ich wusste, wenn alles perfekt läuft, geht vielleicht noch was. Aber vom Kopf her war es richtig schwer. Dann hat's gefetzt in der Kabine. Aber genau solche Spiele machen Spaß. Ich glaube, das haben wir in dieser Situation gebraucht."

Für Stenzel könnte der Sieg Signalwirkung haben: "Wenn wir aufsteigen sollten, dann werden wir sagen: 'Genau so ein Spiel war es, das die Kurve gebracht hat.'"

Bakery Jatta (L) gegen Pascal Stenzel (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)
Bakery Jatta (L) gegen Pascal Stenzel (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Auch Siegtorschütze Castro glaubt an einen Wendepunkt im Aufstiegsrennen. "Nach den zwei bitteren Niederlagen zuletzt und der katastrophalen ersten Halbzeit war das enorm wichtig für den Kopf, auch mit Blick auf die nächsten Spiele. Wie gehen auf jeden Fall gestärkter hier raus als Hamburg. Es war ein Happy End."

Joel Pohjanpalo hatte den HSV in der 16. Spielminute per Kopf in Führung gebracht. Aaron Hunt legte per Handelfmeter nach (45.+2). Wataru Endo hauchte den Gastgebern dann aber kurz nach dem Wiederanpfiff mit einem Kopfballtor wieder Leben ein (47.), Nicolas Gonzalez traf per Foulelfmeter zum Ausgleich (60.). Castro erzielte in der Nachspielzeit den Siegtreffer (90.+2).

Stuttgart vor der Pause schwach

Stuttgarts Coach Matarazzo, dem die Klubführung am Mittwoch per Vertragsverlängerung bis 2022 ein deutliches Signal des Vertrauen gesendet hatte, jubelte über den ersten Erfolg nach der Coronapause. Der HSV kassierte dagegen seine erste Pleite seit dem Restart und spürt auf dem Relegationsplatz den heißen Atem des FC Heidenheim im Nacken.

Pellegrino Matarazzo (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)
Pellegrino Matarazzo (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Vor allem der VfB stand vor dem Anpfiff unter Druck, die Schwächephase der vergangenen Spieltage zu beenden. "Extrem viel Feuer" im Spiel hatte Matarazzo angekündigt, doch davon war zunächst überhaupt nichts zu sehen. Der HSV erwischte den klar besseren Start, wirkte strukturierter und gefährlicher.

Pohjanpalo kam kurz nach seinem Treffer erneut aus guter Position zum Abschluss (19.), der VfB brachte Hamburgs Keeper Daniel Heuer Fernandes mit einem Schuss von Silas Wamangituka (25.) und einem harmlosen Kopfball von Gonzalez (26.) zunächst nicht in Gefahr. Die erste Hälfte genügte in keinerlei Hinsicht den hohen Ansprüchen der Stuttgarter.

Der Anschlusstreffer tat Matarazzos Team dann aber sichtlich gut, die Heimmannschaft presste höher und stellte die Norddeutschen damit vor deutlich größere Probleme. Nach dem Ausgleich blieb der VfB am Drücker, der HSV suchte zeitweise nach seiner defensiven Ordnung. In der 89. Minute hatten die Gäste Glück, als Stuttgarts Pascal Stenzel nach einem Freistoß nur den Pfosten traf, doch dann schlug Castro zu.