TV-Kritik: Selten hat ein Tatort so viel richtig gemacht

Karow und Rubin ermitteln in einem Labyrinth aus Fakten und Fiktion. (Bild: rbb/Reiner Bajo)
Karow und Rubin ermitteln in einem Labyrinth aus Fakten und Fiktion. (Bild: rbb/Reiner Bajo)

Der Berlinale-Tatort überraschte gleich auf mehreren Ebenen: Ein Kommissar-Duo in Höchstform, eine verworrene Handlung, der man trotzdem folgen konnte und ein Gastspiel von Robert de Niro. Von Zeitungen und Zuschauern wird die Folge mit Lob überschüttet.

So etwas hat es schon lange nicht mehr im Öffentlich-Rechtlichen gegeben: Ein Krimi, mit Gebührengeldern finanziert, der so viel Substanz, so viel Charakter, so viel Finesse aufweist, dass man ihm ein internationales Publikum wünscht. Oder gar ein Remake in Hollywood. Das hätte sich auch Michael Schwarz gewünscht, Regisseur des Films „Meta“, um den sich der aktuelle Tatort dreht.

Schwarz, gespielt von Isaak Dentler, stellt auf der Berlinale sein neuestes Werk vor, das er gerne an die amerikanische Traumfabrik verkaufen würde. „Meta“, so auch der Titel der Tatort-Folge, erzählt die Geschichte von einem Verbrechen. Nichts Besonderes, könnte man meinen. Wären da nicht die Ermittler Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke), die es mit exakt dem gleichen Verbrechen zu tun bekommen, wie es ein Film innerhalb der Folge zeigt.

Kommissar Karow erkennt sich im Film selbst wieder. (Bild: rbb/Reiner Bajo)
Kommissar Karow erkennt sich im Film selbst wieder. (Bild: rbb/Reiner Bajo)

„Meta“ funktioniert anfangs auf zwei Ebenen, später sogar auf drei: Zuerst ist da die gewöhnliche Tatort-Handlung um das Berliner Ermittler-Duo. Parallel werden Ausschnitte des fiktiven Noir-Films „Meta“ gezeigt, in dem ein ebenso fiktives Kommissar-Gespann ermittelt. Im letzten Drittel des Films tauchen zusätzlich Szenen aus dem Kultklassiker „Taxi Driver“ mit Robert de Niro auf.

Was überrascht: Obwohl die Handlung auf drei Ebenen eigentlich verwirren müsste, verliert man als Zuschauer nie den Überblick. Abgesehen davon liefern Meret Becker und Mark Waschke Höchstleistung: Die Ermittlerin, die nicht für ihren Sohn da sein kann, und der sonst so unterkühlte Kommissar, der am Rande des Wahnsinns agiert und dennoch so etwas wie Mitgefühl für seine Kollegin empfindet – das alles kommt sehr überzeugend rüber.

Der eigentliche Kriminalfall hätte wohl auch ohne das Metaebenen-Experiment funktioniert: Karow bekommt ein Päckchen ins Büro zugestellt. Darin findet sich ein abgetrennter Finger. Der Finger führt zu einer Leiche in einem Mietlager und von dort zu einem geheimen Bordell, in dem sich Amts- und Würdenträger an minderjährigen Prostituierten vergehen. Ein im Verborgenen agierender deutscher Geheimdienst namens „Organisation Gehlen“ sowie der Bundesnachrichtendienst (BND) spielen dabei auch eine Rolle. Was, ganz nach dem Motto „Meta“, den echten BND wiederum zu einigen amüsanten Tweets verleitete:

Dass es die „Organisation Gehlen“ tatsächlich einmal gab, darauf weist der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff hin:

Fast durchweg kommt der Berliner Tatort beim Publikum gut an, auch bei FDP-Mann Lambsdorff:

Nicht nur bei den Zuschauern, auch bei den Kritikern punktet der Tatort diesmal. „Spiegel Online“ urteilt: „9 von 10 Punkten … paranoid, prahlerisch, großartig“. Die „Süddeutsche Zeitung“ findet das Mehrebenen-Experiment „sehr überzeugend“ und die „Berliner Morgenpost“ stellt fest: „Ein wahres Krimi-Juwel.“

Fazit: Wenn man bedenkt, dass von den 17,50 Euro Rundfunkbeitrag, die jeder Gebührenzahler monatlich entrichten muss, 14 Cent für die Produktion eines Tatorts verwendet werden, dann hat die Kosten-Nutzen-Rechnung an diesem Sonntag mehr als gestimmt. Ja, der Plot ist an den Haaren herbeigezogen, was der Unterhaltung jedoch keinen Abbruch tut. Die „suspension of disbelief“ (dt. Aussetzung der Ungläubigkeit), wie der Krimi-Experte sagen würde, ist bei diesem Experiment geglückt: Man geht trotz unrealistischer Handlung mit der Geschichte mit. Ein Tatort, der darüber hinaus zu keinem Zeitpunkt langweilt, überfordert oder nervt.