Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Dienstag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Hier gibt's die aktuellen Entwicklungen.

Ukraine-Krieg: Die aktuellen Entwicklungen. (Symbolbild: Getty)
Ukraine-Krieg: Die aktuellen Entwicklungen. (Symbolbild: Getty)

In unserem Nachrichtenticker können Sie die wichtigsten News des Tages zum Krieg in der Ukraine nachlesen. Der Live-Ticker ist für heute beendet. Die aktuellsten Entwicklungen gibt es hier im Überblick!

In Polens Grenzgebiet zur Ukraine sind bei einer Explosion in einem Dorf zwei Menschen ums Leben gekommen. In bislang unbestätigten Berichten ist von einem Raketeneinschlag die Rede. Der Sicherheitsrat des Landes und die Regierung sind zu Dringlichkeitssitzungen einberufen worden.

+++ Nato-Chef Stoltenberg in Kontakt mit Polens Präsident +++

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat nach einer tödlichen Explosion in Polen mit Staatsoberhaupt Andrzej Duda gesprochen. Die Nato beobachte die Situation, die Verbündeten berieten sich eng, teilte er nach dem Austausch am späten Dienstagabend über Twitter mit. Es sei wichtig, dass Fakten gesichert seien, so der Norweger.

Nach einer Explosion mit zwei Toten in einem Dorf im Grenzgebiet zur Ukraine hatte Polen einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt. Außerdem habe man gemeinsam mit den Nato-Verbündeten beschlossen zu überprüfen, ob es Gründe gebe, die Verfahren nach Artikel 4 des Nato-Vertrags einzuleiten, sagte ein polnischer Regierungssprecher.

Artikel 4 sieht Beratungen der Nato-Staaten vor, wenn einer von ihnen die Unversehrtheit seines Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sieht. Zuvor hatte die Regierung in Warschau nach unbestätigten Berichten über einen angeblichen Raketeneinschlag im Grenzgebiet zur Ukraine eine Sitzung des nationalen Sicherheitsrates einberufen. Nach Angaben der Feuerwehr waren bei der Explosion zwei Menschen ums Leben gekommen.

Berichte über Raketeneinschlag in Polen: Wäre dies ein Nato-Bündnisfall?

+++ Nach Explosion: Polens Präsident spricht mit Biden und Selenskyj +++

Nach einer Explosion mit zwei Toten in Polens Grenzgebiet zur Ukraine hat Staatsoberhaupt Andrzej Duda mit US-Präsident Joe Biden und mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen. Dies teilte Dudas Kanzleichef Jakub Kumoch am Dienstag per Twitter mit. Das Weiße Haus bestätigte das Gespräch mit Biden laut mitreisenden Journalisten am Rande des G20-Gipfels auf der indonesischen Insel Bali. Man arbeite mit Polen zusammen, um mehr Informationen zu bekommen, hieß es.

+++ Lettland beruft in Polen Sitzung der Regierung ein +++

In Lettland hat Ministerpräsident Krisjanis Karins nach Berichten über mutmaßliche Raketeneinschläge in Polen für Mittwoch eine außerordentliche Regierungssitzung einberufen. Bei dem Treffen sollen Berichte der zuständigen Ministerien und Institutionen über die Sicherheitslage in der Region angehört werden - auch um «für weitere Maßnahmen bereit zu sein». Dies teilte der Regierungschef des baltischen EU- und Nato-Landes am Dienstagabend auf Twitter mit.

Außenminister Edgars Rinkevics hatte zuvor Polen - wie auch Karins - den Beistand des Baltenstaats versichert. «Lettland bringt seine volle Solidarität mit unserem Verbündeten Polen zum Ausdruck und wird jegliche von Polen als angemessen erachteten Maßnahmen unterstützen», schrieb er auf Twitter. Auch die beiden anderen Baltenstaaten Estland und Litauen bekundeten ihre Unterstützung für den Nato-Verbündeten.

+++ Weißes Haus: Arbeiten mit polnischer Regierung zusammen +++

Das Weiße Haus arbeitet nach eigenen Angaben mit der polnischen Regierung zusammen, um mehr Informationen über die Ereignisse an der Grenze zur Ukraine zu bekommen. Aktuell könne man keine Berichte oder Details bestätigen, teilte der Nationale Sicherheitsrat der USA am Dienstag mit. In der Stadt Hrubieszow nahe der Grenze zur Ukraine hatte es nach Angaben der polnischen Feuerwehr zwei Tote nach einer Explosion auf einem Agrarbetrieb gegeben. In Berichten war die Rede von einem Raketeneinschlag.

Der US-Sicherheitsberater Jack Sullivan habe mit seinem polnischen Kollegen Jacek Siewiera gesprochen, teilte das Weiße Haus weiter mit. Man werde feststellen, was passiert sei und was die angemessenen nächsten Schritte sein werden.

+++ Polen versetzt Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft +++

Nach einer Explosion mit zwei Toten in einem Dorf im Grenzgebiet zur Ukraine hat Polen einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt. Dies gelte auch für andere uniformierte Dienste, sagte ein Regierungssprecher am Dienstagabend in Warschau.

Zudem werde über die Inkraftsetzung von Artikel 4 des Nato-Vertrages nachgedacht.

Artikel 4 des Nato-Vertrags beinhaltet Folgendes: „Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist.“

+++ Ukraine fordert nach Vorfall in Polen geeinte Reaktion gegen Russland +++

Die Ukraine hat nach dem mutmaßlichen Raketeneinschlag im Nachbarland Polen eine geeinte Reaktion gegen Russland gefordert. Ein Nato-Gipfel unter Teilnahme der Ukraine sollte weitere Schritte ausarbeiten, schlug der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Dienstag vor. An den Vorfall in einem grenznahen Dorf in Ostpolen mit zwei Toten knüpfte er die Forderung nach besserer Flugabwehr und US-Kampfjets der Typen F-15 und F-16 für Kiew. «Heute bedeutet Schutz für den Himmel der Ukraine auch Schutz für die Nato», schrieb Kuleba auf Twitter.

Russland hat die Ukraine nach Kiewer Zählung am Dienstag mit über 90 Raketen und Marschflugkörpern angegriffen. In dem polnischen Dorf Przewodow, etwa 6,5 Kilometer von der Grenze entfernt, hatte es nach Feuerwehrangaben eine Explosion gegeben. Nach noch unbestätigten Medienberichten sollen dort zwei fehlgeleitete Raketen eingeschlagen sein. Die polnische Regierung kam zu Krisensitzungen zusammen. Das Verteidigungsministerium in Moskau wies die Berichte über den angeblichen Einschlag in Polen als «gezielte Provokation» zurück.

Der Treffer auf polnisches Gebiet sei ein geplanter Gruß aus Russland, der nur als Versehen getarnt werde, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak auf Twitter. «Wie ich es bereits gesagt habe, sie (die Russen) denken nicht daran, bei der Ukraine aufzuhören», kommentierte der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak den Vorfall.

+++ Polens Feuerwehr: Zwei Tote nach Explosion - Bericht über Raketen +++

In einem polnischen Ort nahe der Grenze zur Ukraine sind bei einer Explosion auf einem landwirtschaftlichen Betrieb zwei Menschen ums Leben gekommen. Die Ursache für die Explosion in dem Ort Przewodow sei noch ungeklärt, sagte ein Sprecher der Feuerwehr in Hrubieszow der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Zuvor hatte die Regierung in Warschau nach unbestätigten Berichten über einen angeblichen Raketeneinschlag im Grenzgebiet zur Ukraine eine Sitzung des nationalen Sicherheitsrates einberufen. Zudem wurde am Dienstagabend kurzfristig eine außerplanmäßige Kabinettssitzung einberufen, teilte das Informationszentrum der Regierung mit.

Offizielle Angaben zur Ursache der Dringlichkeitssitzungen wurden zunächst nicht gemacht. Berichte legten allerdings einen Zusammenhang mit dem massiven russischen Raketenbeschuss am Dienstag auf das Nachbarland Ukraine nahe. Polen, ein Nachbarland der Ukraine, ist Mitglied der EU und des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato.

Polens Ministerpräsident beruft Sicherheitsrat ein

Ministerpräsident Mateusz Morawiecki berief den Sicherheitsrat zu einer außerordentlichen Sitzung ein, wie die polnische Nachrichtenagentur PAP berichtete. Regierungssprecher Piotr Müller warnte allerdings davor, ungeprüfte Informationen zu verbreiten. Alle Informationen aus dem Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung der polnischen Regierung sollten später auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, kündigte er laut PAP an.

Der private polnische Radiosender Zet hatte berichtet, zwei verirrte Raketen seien in einem polnischen Dorf Przewodow nahe der Grenze eingeschlagen. Die russische Armee hatte am Dienstag nach Kiewer Angaben die Ukraine mit über 90 Raketen und Marschflugkörpern beschossen. Auch die westukrainische Stadt Lwiw war nach Behördenangaben am Dienstag Ziel russischer Angriffe gewesen. Bürgermeister Andrij Sadowij sprach von Schäden am Energiesystem.

Moskau dementiert Vorwürfe

Das Verteidigungsministerium in Moskau wies die Berichte über den angeblichen Einschlag in Polen am Abend als «gezielte Provokation» zurück. Es seien keine Ziele im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet beschossen worden, teilte das Ministerium mit. Auch die in polnischen Medien verbreiteten Fotos angeblicher Trümmerteile hätten nichts mit russischen Waffensystemen zu tun, hieß es weiter.

Sollte sich bewahrheiten, dass die Explosion von Raketen ausgelöst wurde, wäre das der erste derartige Vorfall in dem seit fast neun Monaten dauernden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Nato überprüft Berichte

Ein Vertreter der Nato erklärte in Brüssel, die Berichte würden geprüft. Es gebe eine enge Abstimmung mit dem Verbündeten Polen, hieß es weiter. Das US-Verteidigungsministerium wiederum erklärte, Berichte über den angeblichen Einschlag von zwei russischen Raketen in Polen würden geprüft. Die Presseberichte seien dem Pentagon bekannt, sagte ein Sprecher am Dienstag in Washington. Zum jetzigen Zeitpunkt habe das Ministerium aber keine Informationen, die diese Berichte bestätigen könnten. «Wenn wir ein Update zur Verfügung stellen können, werden wir dies tun», sagte der Sprecher weiter.

Außenministerin Baerbock: Gedanken sind bei Polen

Außenministerin Annalena Baerbock hat sich betroffen über die Explosion mit zwei Toten in Polen nahe der Grenze zur Ukraine gezeigt. «Meine Gedanken sind bei Polen, unserem engen Verbündeten und Nachbarn», schrieb die Grünen-Politikerin am Dienstagabend auf Twitter. «Wir beobachten die Situation genau und stehen in Kontakt mit unseren polnischen Freunden und Nato-Verbündeten.» Die Nato hatte zuvor bekannt gegeben, dass sie Berichte über die tödliche Explosion prüfen werde.

Belgien und Tschechien sichern Polen Unterstützung zu

Belgiens Premier Alexander De Croo sicherte Polen angesichts der Explosion die Unterstützung Belgiens zu. «Belgien steht an der Seite Polens. Wir sind alle Teil der Nato-Familie, die mehr denn je geeint und gerüstet ist, um uns alle zu schützen», schrieb er am Dienstagabend auf Twitter. Belgien verurteile den Vorfall aufs Schärfste und spreche den Familien der Opfer und dem polnischen Volk sein tiefstes Beileid aus.

Nach Berichten über angebliche Raketeneinschläge in Polen hat der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala dem Nachbarland Solidarität zugesagt. «Falls Polen bestätigt, dass Raketen auch sein Gebiet getroffen haben, handelt es sich um eine weitere Eskalation vonseiten Russlands», schrieb der liberalkonservative Politiker am Dienstagabend bei Twitter. «Wir stehen fest hinter unserem Verbündeten in EU und Nato», betonte der 58-Jährige.

Die tschechische Verteidigungsministerin Jana Cernochova sagte der Onlineausgabe der Zeitung «Denik N», sie halte es für «erwiesen», dass es in Polen zu Raketeneinschlägen gekommen sei. Nun müsse untersucht werden, um welchen Typ von Rakete es sich handelt und ob eine gezielte Aktion, eine Provokation oder ein Irrtum dahintersteht. «In jedem Fall halte ich dies für eine Eskalation der Lage, selbst wenn es sich um einen Fehler handeln sollte», betonte die 49-Jährige.

+++ EU-Ratspräsident Michel: Stehen an der Seite Polens +++

Nach Berichten über angebliche Raketeneinschläge in Polen hat sich EU-Ratspräsident Charles Michel schockiert gezeigt. «Ich bin schockiert über die Nachricht, dass eine Rakete oder andere Munition Menschen auf polnischem Gebiet getötet hat», schrieb Michel am Dienstag auf Twitter. Er drücke den betroffenen Familien sein Beileid aus. «Wir stehen an der Seite Polens», schrieb er. «Ich stehe in Kontakt mit den polnischen Behörden, den Mitgliedern des Europäischen Rates und anderen Verbündeten.»

Zuvor hatte die Regierung in Warschau nach unbestätigten Berichten über einen angeblichen Raketeneinschlag im Grenzgebiet zur Ukraine eine Sitzung des nationalen Sicherheitsrates einberufen. Ein Sprecher der Feuerwehr der Stadt Hrubieszow bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass bei eine Explosion im Ort Przewodow nahe der Grenze zur Ukraine zwei Menschen ums Leben kamen. Die Ursache für die Explosion sei noch ungeklärt.

+++ Selenskyj: Zehn Millionen Menschen nach Angriff ohne Strom +++

Nach dem massiven russischen Raketenangriff auf das Energiesystem der Ukraine sind nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj etwa zehn Millionen Menschen ohne Strom. Das betreffe vor allem die Regionen Charkiw, Schytomyr, Kiew und Lwiw, sagte Selenskxj am Dienstag in seiner abendlichen Videoansprache. In Lwiw und anderen Städten sei die Fernwärme abgeschaltet worden. «Im ganzen Land gibt es Probleme mit der Kommunikation und dem Internet.»

Infolge der Angriffe auf das Stromnetz seien an zwei ukrainischen Kernkraftwerken Reaktorblöcke automatisch abgeschaltet worden, sagte Selenskyj ohne weitere Einzelheiten zu nennen.

Er deutete den schweren Angriff als Russlands Antwort darauf, dass sich beim G20-Gipfel auch Länder wie Indonesien, China und Indien gegen den Krieg ausgesprochen hätten. «Russland sagt der Welt, dass es weitermachen will», sagte Selenskyj. Darauf müsse die Welt reagieren, forderte er.

Die russischen Raketenangriffe schädigten auch Nachbarländer der Ukraine, sagte der Staatschef. Dabei nannte er die Republik Moldau, wo wegen des Beschusses am Dienstag ebenfalls der Strom ausgefallen war. Er erwähnte auch Polen, wo am Dienstag ebenfalls fehlgeleitete Raketen eingeschlagen sein sollen. «Wie oft hat die Ukraine schon gesagt, dass der terroristische Staat sich nicht auf unser Land beschränken wird?», sagte Selenskyj. «Je länger Russland sich straffrei fühlt, desto größer wird die Bedrohung für alle, die russische Raketen erreichen können.»

+++ Tschechisches Parlament bezeichnet Russland als Terror-Regime +++

Das tschechische Parlament hat das «derzeitige russische Regime» wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine in einer Resolution als «terroristisch» eingestuft. Dafür stimmten am Dienstagabend in Prag 129 Abgeordnete, 14 Vertreter der ultrarechten Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) votierten dagegen. Ferner gab es 13 Enthaltungen.

Die Volksvertreter folgten damit einer Empfehlung, welche die Parlamentarischen Versammlung des Europarats Mitte Oktober ausgesprochen hatte. Sie beschuldigten Moskau zudem, mit den jüngsten Angriffen auf Zivilisten und die Energieinfrastruktur Angst und Schrecken in der Ukraine verbreiten zu wollen. Das seien «terroristische Methoden», hieß es in der Resolution weiter.

Tschechien, das noch bis zum Jahresende die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat, gehört zu den wichtigen Unterstützern der Regierung in Kiew. Unter der liberalkonservativen Regierung hat das Nato-Land in diesem Jahr bereits Rüstungsgüter im Wert von umgerechnet mehr als 1,9 Milliarden Euro an die Ukraine geliefert.

+++ Kiew: Energielage nach massiven russischen Raketenangriffen kritisch +++

Die russischen Raketenangriffe auf die Ukraine am Dienstag waren nach Angaben aus Kiew der wohl massivste Beschuss der Energieinfrastruktur seit Kriegsbeginn. Die Energielage sei kritisch, hieß es. «Es sind etwa 100 Raketen auf das Territorium der Ukraine abgefeuert worden», teilte der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte, Jurij Ihnat, im Fernsehen mit. Das seien mehr als bei dem Beschuss Anfang Oktober, kurz nach dem Anschlag auf die Brücke zur von Russland annektierten Halbinsel Krim. Damals wurden 84 Raketen auf das Land abgefeuert.

Der Vizechef des Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, bezeichnete die Situation nach Einschlägen in Energieinfrastrukturobjekte als «kritisch». «Die meisten Treffer wurden im Zentrum und im Norden des Landes festgestellt», schrieb der 33-Jährige im Nachrichtendienst Telegram. Der staatliche Energieversorger Ukrenerho habe zu außerordentlichen Stromabschaltungen übergehen müssen, um das Netz auszubalancieren. Tymoschenko forderte die Bevölkerung zum Stromsparen auf. In Kiew ist den Behörden zufolge etwa die Hälfte der Stadt ohne Strom. Mindestens ein Mensch wurde infolge der Luftangriffe getötet.

Die staatlichen Eisenbahnen warnten indessen vor Zugverspätungen von bis zu einer Stunde. Wegen möglicher Stromausfälle seien Dieselloks als Reserve bereit gestellt worden.

+++ Russische Raketenschläge: Selenskyj bekräftigt Durchhaltewillen +++

Nach den massiven russischen Raketenangriffen auf die Energieinfrastruktur der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj den Durchhaltewillen seines Landes bekräftigt. Der Feind werde sein Ziel nicht erreichen, sagte der 44-Jährige in einer Videobotschaft am Dienstag. Alles werde repariert und die Stromversorgung wieder hergestellt, sicherte der Staatschef zu. Gleichzeitig lobte er mit geballter Faust die Ukrainer: «Ihr seid Prachtkerle!» Nach Kiewer Militärangaben umfasste der russische Angriff vom Dienstag etwa 100 Raketen und Marschflugkörper.

Russland ist Ende Februar in die Ukraine einmarschiert. Nach militärischen Rückschlägen und dem Rückzug aus gut der Hälfte der eroberten Gebiete setzt Moskau verstärkt auf Schläge zur Ausschaltung der Stromversorgung. Kiew will daher vom Westen Unterstützung bei der Raketen- und Drohnenabwehr. Außenminister Dymtro Kuleba verlangte, die in Indonesien tagende Zwanziger-Gruppe großer Industrie- und Schwellenländer (G20) solle den Angriff verurteilen.

+++ Baerbock: Wahnsinn um Atomkraftwerk Saporischschja muss enden +++

Außenministerin Annalena Baerbock hat Russland aufgefordert, aus dem besetzten Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine abzuziehen und dessen Beschuss einzustellen. «Dieser Wahnsinn muss enden», sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag nach einem Gespräch mit dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, in Berlin. Sie unterstützte ausdrücklich dessen Konzept, eine Schutzzone um den Atommeiler zu errichten.

«Es ist untragbar, immer wieder und praktisch ohne Vorwarnung in Situationen zu geraten, in denen wir etwa durch die Zerstörung von Stromleitungen nur eine Haaresbreite von einem Nuklearunfall entfernt sind», sagte die Außenministerin. Der russische Angriff auf die Ukraine sei auch «ein nie da gewesener Angriff auf die nukleare Sicherheit und die nukleare Sicherung». Nie zuvor seien aktive Kernkraftwerke Ziel von Kriegshandlungen gewesen. «Nie hätten wir uns vorstellen können, dass ein Land unverantwortlich genug sein könnte, ein Kernkraftwerk zum Faustpfand im Krieg zu machen.»

Grossi erneuerte seinen Vorstoß einer Schutzzone rund um das Atomkraftwerk Saporischschja. Dies sei nicht einfach, weil die Anlage direkt an der Front liege. Es sei aber auch nicht unmöglich. «Ein Atomkraftwerk kann niemals ein legitimes militärisches Ziel sein», betonte Grossi, der Deutschland für die Unterstützung der IAEA dankte.

Mit Blick auf das iranische Atomprogramm forderte Baerbock die Führung im Teheran auf, ihren rechtlichen Verpflichtungen gegenüber der Atomenergiebehörde endlich nachzukommen - «das heißt, Inspektoren wieder in vollem Umfang in ihre nuklearen Anlagen zu lassen». Man dürfe niemals zulassen, dass der Iran eigene Atomwaffen entwickele oder erwerbe. Grossi betonte, die internationale Gemeinschaft habe an Teheran Fragen - «offene Fragen, die beantwortet werden müssen».

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. (Bild: Reuters)
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. (Bild: Reuters)

+++ US-Regierung verurteilt Raketenangriffe Russlands während G20-Gipfel +++

Die US-Regierung hat die jüngsten Raketenangriffe Russlands auf die Ukraine verurteilt. «Während die Staats- und Regierungschefs der Welt auf dem G20-Gipfel auf Bali zusammenkommen, um Fragen zu erörtern, die für das Leben und Auskommen der Menschen auf der ganzen Welt von großer Bedeutung sind, bedroht Russland erneut diese Leben und zerstört die kritische Infrastruktur der Ukraine», teilte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Dienstag mit.

Diese Angriffe würden die Besorgnis der führenden Wirtschaftsmächte über die destabilisierenden Auswirkungen vom Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin nur noch verstärken.

+++ Cherson: Schwerverbrecher fliehen bei Russenabzug aus dem Gefängnis +++

Beim Abzug der russischen Truppen sind in der südukrainischen Großstadt Cherson laut Polizei Hunderte Mordverdächtige und andere Schwerverbrecher aus dem Gefängnis geflohen. Von insgesamt über 450 Flüchtigen seien 166 wieder festgenommen worden, sagte Polizeichef Ihor Klymenko am Dienstag im ukrainischen Fernsehen. Ein zu lebenslänglich verurteilter Mörder etwa sei in ein Gefängnis in der benachbarten Großstadt Mykolajiw gebracht worden. Über den Verbleib von weiteren 14 Häftlingen sei vorerst nichts bekannt. Insgesamt wird nach mehr als 100 Männern gefahndet, denen ein Tötungsdelikt vorgeworfen wird.

Einer Reporterin des Internetsenders Hromadske nach sind die Häftlinge beim russischen Abzug von einem Gefängnismitarbeiter freigelassen worden.

Vergangene Woche Freitag haben die russischen Einheiten ihren Rückzug vom nordwestlichen Ufer des Flusses Dnipro abgeschlossen und dabei auch die Großstadt Cherson geräumt. Diese war als einzige Gebietshauptstadt infolge des russischen Einmarsches in die Ukraine vom Februar unter russische Kontrolle geraten.

+++ Russischer Raketenangriff auf Kiew - Wohnhäuser beschädigt +++

Bei einem russischen Raketenangriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew und Umgebung sind offiziellen Angaben zufolge zwei Wohnhäuser beschädigt worden. «Mehrere Raketen hat die Luftabwehr über Kiew abgeschossen», schrieb Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko am Dienstag im Nachrichtenkanal Telegram. Insgesamt seien allein über dem Stadtgebiet vier Raketen abgeschossen worden.

Informationen über Opfer lagen zunächst nicht vor. Auch im Umland von Kiew habe es Einschläge gegeben. Über Angriffe wurde auch aus den Gebieten Odessa, Tscherkassy, Kirowohrad, Chmelnyzkyj, Charkiw und Dnipropetrowsk berichtet. Zwischenzeitlich wurde im gesamten Land Luftalarm ausgerufen. Ukrainischen Medienberichten zufolge wurden die Raketen über dem Kaspischen Meer abgefeuert.

Nach Einschlägen in den westukrainischen Großstädten Lwiw und Kowel wurde von massiven Stromausfällen berichtet. Auch in Kiew warnte der Stromnetzbetreiber vor außerplanmäßigen Stromabschaltungen zur Stabilisierung des Netzes. Viele Hauptstadtviertel haben bereits seit knapp einem Monat nur stundenweise Strom.

Die ukrainische Hauptstadt Kiew wurde erneut mit russischen Raketen beschossen. (Archivbild: Reuters)
Die ukrainische Hauptstadt Kiew wurde erneut mit russischen Raketen beschossen. (Archivbild: Reuters)

+++ Nato-Chef: Russland trotz jüngster Niederlagen nicht unterschätzen +++

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnt davor, Russlands militärische Fähigkeiten nach den jüngsten Niederlagen zu unterschätzen. «Wir haben gesehen, dass Russland bereit ist, hohe Verluste in Kauf zu nehmen», sagte der Norweger am Rande eines Treffens der EU-Verteidigungsminister in Brüssel. Moskau verfüge über beträchtliche militärische Fähigkeiten und viele Truppen. Zudem gehe Russland brutal gegen Zivilisten vor. «Wir müssen die Ukraine so lange unterstützen, wie es nötig ist.»

Die ukrainische Armee hatte etwa in der vergangenen Woche einen großen Erfolg verbucht: Nach erfolgreichen Gegenoffensiven zogen sich die Russen im südlichen Gebiet Cherson aus der gleichnamigen Gebietshauptstadt und weiteren Orten auf der rechten Seite des Dnipro zurück. Trotz Niederlagen halten russische Truppen aber immer noch knapp ein Fünftel des Nachbarlandes besetzt.

+++ Gasspeicher-Füllstand knackt 100-Prozent-Marke +++

Der Füllstand der Erdgasspeicher in Deutschland hat die 100-Prozent-Marke geknackt. Dies ging am Dienstag aus im Internet veröffentlichten Daten des europäischen Gasspeicherverbandes GIE hervor. Demnach wurden nach jüngsten Angaben am Montagmorgen in den Speichern 245,44 Terawattstunden Erdgas registriert. Dies lag leicht über der 100-Prozent-Marke von 245,39 Terawattstunden, die das sogenannte Arbeitsgasvolumen angibt. Zum Vergleich: Im Januar und Februar 2022 wurden laut Bundesnetzagentur in Deutschland insgesamt knapp 227 Terawattstunden Erdgas verbraucht.

«Das von den Gasspeicherbetreibern ausgewiesene Arbeitsgasvolumen gibt die gesicherte Kapazität an», hatte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, am Montagabend erklärt, als der bekannte Wert noch knapp unter 100 Prozent lag. Die physikalischen Möglichkeiten der Speicher lägen teilweise darüber, sodass einige mehr Gas einspeichern könnten. «Deshalb kann auch über 100 Prozent hinaus weiter eingespeichert werden.»

Bei der Prozentangabe betrachtet die GIE-Transparenzplattform AGSI den Füllstand nur in Bezug auf das Arbeitsgasvolumen. Daher erreicht der ausgewiesene Wert maximal 100 Prozent. Auch auf EU-Ebene waren die Speicher am Montagmorgen gut gefüllt: Die AGSI-Seite verzeichnete einen Füllstand von 95,6 Prozent.

Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit ein Puffersystem für den Markt. Für gewöhnlich sind sie mit Beginn der Heizperiode im Herbst gut gefüllt. Bis zum Frühjahr nehmen die Füllstände dann ab. Am 1. Februar sollen sie laut Energiewirtschaftsgesetz noch zu 40 Prozent gefüllt sein.

Untergrundgasspeicher in Bad Lauchstädt. (Bild: Getty Images)
Untergrundgasspeicher in Bad Lauchstädt. (Bild: Getty Images)

+++ Verletzte ukrainische Soldaten zur Behandlung in Lettland +++

Lettland hilft bei der medizinischen Versorgung von ukrainischen Truppen, die bei der Verteidigung ihres Heimatlandes gegen Russland verwundet wurden. In dem baltischen EU- und Nato-Land traf zu Wochenbeginn eine Gruppe von 17 verletzten Soldaten ein, um in einem Krankenhaus der Hauptstadt Riga behandelt zu werden. Dies berichtete das lettische Fernsehen am Montagabend. Demnach war es die zweite Gruppe, die aus Kriegsgebieten in der Ukraine mit dem Bus zur Behandlung nach Lettland gebracht wurde.

«Ich habe mein Bein im Krieg verloren. Wir haben in Sjewjerodonezk gegen Panzer gekämpft. Da war schweres Militärgerät, und da habe ich mein linkes Bein verloren. Es war sehr hart, aber ich habe überlebt», sagte Vitaly, der in Lettland behandelt wird. Der Ukrainer zeigte sich dankbar für die medizinische Behandlung, besonders für die Möglichkeit zur Rehabilitation.

+++ Kreml lehnt UN-Resolution über Reparationszahlungen an Ukraine ab +++

Der Kreml hat scharfe Kritik an einer neuen UN-Resolution geübt, die eine Grundlage für spätere Reparationszahlungen Russlands an die Ukraine darstellen soll. «Wir sind kategorisch dagegen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. «Die Organisatoren dieses Prozesses versuchen natürlich, den Raub unserer Währungsreserven, die auf völlig illegale Weise blockiert wurden, zu vollenden.»

In der Resolution wird unter anderem die Ukraine aufgefordert, Informationen über Kriegsschäden in einer Art Register zu dokumentieren. Bei der UN-Vollversammlung hatten am Montag in New York 94 Länder dafür gestimmt. 73 Länder enthielten sich, 14 stimmten dagegen - neben Russland unter anderem auch China, der Iran und Kuba.

Kremlsprecher Dmitri Peskow. (Bild: Reuters)
Kremlsprecher Dmitri Peskow. (Bild: Reuters)

+++ Lambrecht: Deutsche Waffen für Ukraine werden in Slowakei repariert +++

Im Ukraine-Krieg beschädigte deutsche Waffen werden künftig in der Slowakei repariert. «Das kann sofort losgehen. Die Vereinbarung ist getroffen», sagte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Dienstag am Rande eines Treffens mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel. Es sei wichtig, dass all das, was geliefert worden sei, auch nach dem Kampf wieder instand gesetzt werden könne. Konkret gehe es etwa um die Panzerhaubitze 2000 oder Mehrfachraketenwerfer, sagte Lambrecht.

Die Panzerhaubitzen waren von Deutschland und den Niederlanden als Militärhilfe an die Ukraine geliefert worden, die sich seit Februar gegen einen russischen Angriffskrieg verteidigt.

+++ Russische Armee verspricht Kopfgeld und Abschussprämien +++

Das russische Militär versucht, die eingezogenen Rekruten mit Abschussprämien und Kopfgeldern im Krieg gegen die Ukraine zu motivieren. Der Armeesender «Swesda» veröffentlichte am Dienstag eine Preisliste auf seinem Telegram-Kanal. Demnach wird der Abschuss eines ukrainischen Flugzeugs mit umgerechnet 5.000 Euro vergütet, ein Hubschrauber mit etwas mehr als 3.200 Euro, ein Kampfpanzer mit gut 1.600 Euro. «Darüber hinaus sind Auszahlungen an Soldaten, die sich bei der Vernichtung von Kämpfern und der Erfüllung anderer Aufgaben besonders hervorgetan haben, möglich - bis zu 100.000 Rubel» (gut 1600 Euro), heißt es.

Bescheidener sind die Prämien für den Abschuss von Drohnen, Schützenpanzern, Artilleriegeschützen und Luftabwehrsystemen. Hier verspricht die Moskauer Militärführung den Rekruten umgerechnet 800 Euro.

Die russische Führung hat den Soldaten auch hohe Gehälter und eine finanzielle Absicherung bei Verletzungen oder Tod - in dem Fall für die Hinterbliebenen - versprochen. Demnach liegt das monatliche Mindestgehalt brutto bei 3.100 Euro. Verletzte erhalten eine Abfindung von rund 50.000 Euro, bei Tod zahlt Moskau den Angehörigen rund 80.000 Euro. In sozialen Netzwerken und Medien sind in den vergangenen Wochen und Monaten aber schon zahlreiche Klagen aufgetaucht, dass versprochene Zahlungen nicht getätigt wurden.

+++ UN: Ukrainische und russische Kriegsgefangene sind gefoltert worden +++

In der Ukraine sind Kriegsgefangene nach Erkenntnissen von UN-Menschenrechtsexperten sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite misshandelt und gefoltert worden. Das berichtete die Leiterin der UN-Menschenrechtsdelegation in der Ukraine, Matilda Bogner, am Dienstag via Videolink aus Kiew nach Genf.

Demnach hat nur die ukrainische Seite den Expertinnen und Experten gemäß internationalem Recht Zugang zu gefangen genommenen Soldaten gewährt. Mit ukrainischen Gefangenen hätten die Experten nach ihrer Freilassung aus russischem Gewahrsam gesprochen. Die Delegation beruft sich auf detaillierte Angaben der Gefangenen.

Die Delegation habe in den vergangenen Monaten insgesamt 159 Kriegsgefangene gesprochen, die von Russland oder mit Russland verbundenen Konfliktparteien festgehalten wurden, unter ihnen 20 Frauen. In ukrainischer Kriegsgefangenschaft sprach das Expertenteam mit 175 Männern.

Leiterin der UN-Menschenrechtsdelegation in der Ukraine, Matilda Bogner. (Bild: Getty Images)
Leiterin der UN-Menschenrechtsdelegation in der Ukraine, Matilda Bogner. (Bild: Getty Images)

+++ London: Russen richten sich nach Abzug aus Cherson in Henitschesk ein +++

Die russischen Invasionstruppen haben nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten als vorläufiges Hauptquartier im Süden der Ukraine die Stadt Henitschesk am Asowschen Meer ausgewählt. In der vergangenen Woche hatten sich die Besatzer aus der Regionalhauptstadt Cherson zurückgezogen. Dass die Wahl nun auf Henitschesk gefallen sei, gebe Hinweise auf die Prioritäten und Sorgen der russischen Kommandeure bei der Festigung ihrer Verteidigungsposition in der Südukraine, hieß es im täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Dienstag.

Henitschesk sei an einer geeigneten Position, um potenziellen Bedrohungen aus Cherson oder auch Melitopol im Nordosten zu begegnen und Nachschub von der besetzten Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu erhalten, so die britischen Experten weiter. Vor allem aber sei die Stadt außerhalb der Reichweite ukrainischer Artillerie, die den russischen Kommandozentralen schwere Schäden zugefügt hätten.

+++ Scholz warnt bei G20-Gipfel erneut vor Einsatz vor Atomwaffen +++

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Russland beim G20-Gipfel erneut eindringlich vor einem Einsatz von Atomwaffen im Angriffskrieg gegen die Ukraine gewarnt. «Mit seinen unverantwortlichen nuklearen Drohgebärden betreibt Präsident Putin gezielt eine weitere Eskalation der Situation», heißt es in dem Manuskript für die Rede, die der Kanzler am Dienstag in der Auftaktsitzung des Gipfels hielt. «Der Einsatz von Nuklearwaffen und jede Drohung damit sind und bleiben unzulässig: dies sollte als klares, gemeinsames Signal von diesem Gipfel ausgehen.»

Wladimir Putin und seine Unterstützer würden die volle Verantwortung für die massiven globalen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Krieges tragen, mit denen Menschen weltweit auf die eine oder andere Weise täglich konfrontiert seien, betonte Scholz. Er begrüßte die Einigung der G20-Unterhändler auf eine Abschlusserklärung, in der eine «große Mehrheit» der Teilnehmer den russischen Angriffskrieg verurteilten.

+++ Lawrow trifft bei G20-Gipfel chinesischen Kollegen und hält Rede +++

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat beim G20-Gipfel seinen chinesischen Kollegen Wang Yi auf der indonesischen Insel Bali getroffen. Russland und China pflegten eine «allumfassende Partnerschaft und eine strategische Zusammenarbeit», sagte Lawrow am Dienstag der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge in Nusa Dua. Lawrows Sprecherin Maria Sacharowa veröffentlichte ein Video, das den Minister beim Händeschütteln mit Wang zeigt.

Moskaus Chefdiplomat musste sich bei dem Treffen der 20 führenden Wirtschaftsnationen und Schwellenländer scharfe Kritik anhören an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Allerdings sieht Russland in seinem Konflikt mit dem Westen und der Ukraine China als Verbündeten.

Lawrow nahm zwar nicht am offiziellen Mittagessen der Staats- und Regierungschefs teil, hielt dann aber bei der zweiten Arbeitssitzung des Gipfels eine Rede. Nach Informationen russischer Staatsmedien wollte der Minister bereits am Abend noch vor Ende des Gipfels wieder nach Russland zurückreisen.

Der 72-Jährige hatte am Morgen auch die Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gehört, der Russland erneut zum Abzug seiner Truppen aus dem Land aufforderte. Auch der Entwurf einer Gipfelerklärung, die Moskau mittragen will, enthält eine Verurteilung des Krieges gegen die Ukraine.

Russland hatte immer wieder Verhandlungen mit der Ukraine angeboten. Selenskyj wiederum nannte in seiner Rede zehn Bedingungen für ein Ende des Krieges, darunter auch die Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine. Beide Seiten werfen sich gegenseitig vor, kein echtes Interesse an Friedensgesprächen zu haben.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow. (Bild: REUTERS)
Der russische Außenminister Sergej Lawrow. (Bild: REUTERS)

+++ Von der Leyen verurteilt bei G20-Gipfel Russlands Umgang mit Gas +++

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in der ersten Sitzung des G20-Gipfels in Indonesien scharfe Kritik am Umgang Russlands mit Energie geübt. «Wir sehen, dass Russland sein Gas lieber abfackelt anstatt es zu verkaufen», sagte die Deutsche am Dienstag nach Angaben von Diplomaten. «Das sorgt für Verknappung auf den globalen Energiemärkten und lässt die Preise in die Höhe schnellen.»

Die EU unterstützte deswegen die Einführung einer Ölpreisobergrenze. Davon würden auch die Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen stark profitieren, sagte von der Leyen in Nusa Dua auf der Insel Bali.

«Unsere beste Antwort auf die Lage ist aber die Beschleunigung des Übergangs zu sauberen Energieformen», ergänzte von der Leyen. Dies sei «die einzige Antwort sowohl auf die Energie- als auch auf die Klimakrise» und sie biete auch enorme Chancen für andere Regionen der Welt. Europa werde so in den nächsten fünf Jahren mindestens vier Milliarden Euro in erneuerbare Energien wie Wasserstoff investieren. Dies werde auch massive private Investitionen auslösen.

EU-Ratspräsident Charles Michel kritisierte nach Angaben von Sitzungsteilnehmern ebenfalls Russland. Energie sei als Waffe instrumentalisiert worden, wurde der Belgier zitiert. Dies habe nicht nur in Europa, sondern weltweit negative Auswirkungen auf die Wirtschaft.

+++ Selenskyj spricht bei G20-Gipfel über Plan für Kriegsende +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat per Video beim G20-Gipfel einen Plan für ein mögliches Ende des russischen Krieges aufgezeigt. Nötig seien dafür ein Abzug der russischen Truppen und eine Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine, sagte der Staatschef am Dienstag zum Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer auf der indonesischen Insel Bali. Für Russland nahm Außenminister Sergej Lawrow teil, der Kremlchef Wladimir Putin vertritt.

«Ich möchte, dass dieser aggressive russische Krieg gerecht endet und auf Grundlage der Charta der Vereinten Nationen und des internationalen Rechts», sagte Selenskyj laut Redemanuskript. Für die Ukraine seien nach dem Krieg «effektive Sicherheitsgarantien» notwendig.

Für die Schaffung einer Nachkriegs-Sicherheitsarchitektur schlug Selenskyj eine internationale Konferenz vor, bei der ein Kiewer Abkommen geschlossen werden könne.

Selenskyj forderte auch eine Verlängerung des unter Vermittlung der Türkei und der UN geschlossenen Abkommens über den Export von ukrainischem Getreide. Seit dem Ende der russischen Blockade im Schwarzen Meer habe das Land mehr als zehn Millionen Tonnen Lebensmittel ausgeführt, sagte er.

Das Abkommen läuft am 19. November aus. Über eine Verlängerung wird verhandelt. Nach Darstellung Selenskyjs könnten in diesem Jahr 45 Millionen Tonnen aus der Ukraine für die Ernährungssicherheit in der Welt bereitgestellt werden.

Einmal mehr kritisierte Selenskyj die gezielte Zerstörung der Energieinfrastruktur der Ukraine. Russland versuche, «Kälte als Waffe gegen Millionen von Menschen» einzusetzen. Er warf Moskau vor, mehr als 430 Kinder in dem Krieg getötet und 11 000 Mädchen und Jungen nach Russland verschleppt zu haben. Die Kinder seien von ihren Eltern getrennt worden. Er kritisierte, dass das Internationale Komitee des Roten Kreuzes nicht genug tue, um etwa Zugang zu ukrainischen Kriegsgefangenen zu bekommen.

Selenskyj beklagte in seiner Rede nicht zuletzt die schweren Folgen des Krieges für die Umwelt in der Ukraine. Unter anderem seien Millionen Hektar Wald verbrannt durch den Beschuss; im Donbass seien Kohlegruben geflutet und im Land Millionen von Hektar Boden durch schädliche Substanzen verseucht worden. Im Schwarzen Meer seien zudem mindestens 50 000 Delfine im Zuge des Kriegs getötet worden, sagte Selenskyj. Der Krieg dauert seit mehr als acht Monaten an.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Besuch in Cherson. (Bild: Reuters)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Besuch in Cherson. (Bild: Reuters)

+++ Pentagon: Russische Truppen verschanzen sich auf Dnipro-Ufer +++

Das US-Verteidigungsministerium rechnet nach der Rückeroberung der Stadt Cherson durch die Ukraine damit, dass sich russische Truppen am gegenüberliegenden Ost-Ufer des Flusses Dnipro verschanzen werden. Auf der östlichen Fluss-Seite seien zehntausende russische Soldaten, betonte ein ranghoher Pentagon-Vertreter am Montag. «Unsere aktuelle Einschätzung ist, dass sie die Absicht haben, dieses Territorium unter ihrer Kontrolle zu behalten.» Man habe derzeit keine Hinweise darauf, dass ukrainische Einheiten den Fluss überquert hätten.

Mehr als achteinhalb Monate nach dem russischen Einmarsch hatte die ukrainische Armee in der vergangenen Woche einen großen Erfolg verbucht: Nach erfolgreichen Gegenoffensiven zogen sich die Russen im südlichen Gebiet Cherson aus der gleichnamigen Gebietshauptstadt und weiteren Orten auf dem West-Ufer des Dnipro zurück.

Auf der östlichen Uferseite halten die Russen den Großteil des Gebiets Cherson. Die Ukraine hatte angekündigt, mit Unterstützung von Waffen- und Munitionslieferungen aus dem Westen alle Gebiete des Landes von der russischen Besatzung befreien zu wollen.

+++ Ukraine spricht von Tausenden verschleppter Kinder +++

Die Ukraine sucht internationale Hilfe bei der Rückholung Tausender Kinder, die nach Kiewer Angaben nach Russland verschleppt worden sein sollen. Es gehe mindestens um 11 000 Kinder, deren Namen bekannt seien, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videoansprache. «Aber das sind nur die, von denen wir wissen. In Wahrheit sind mehr verschleppt worden.»

Der Leiter des Präsidialamtes in Kiew, Andrij Jermak, beriet am Montag in einer großen Online-Konferenz über das Problem. Daran nahmen auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres sowie die Botschafter der Zwanziger-Gruppe großer Industrie- und Schwellenländer (G20) teil. Der jährliche G20-Gipfel tagt derzeit in Indonesien.

«Unser Ziel ist, die gewaltsame Verschleppung oder Deportation von Kindern aus der Ukraine in die Russische Föderation zu stoppen», sagte Jermak nach offiziellen Angaben. Es müsse alles getan werden, um diese Kinder zurückzuholen und sie mit ihren Familien zu vereinen.

Das russische Militär und russische Behörden bestätigen durchaus, dass Kinder aus der Ukraine nach Russland geholt werden. Sie würden aus den Kampfzonen in Sicherheit gebracht oder kämen zur Behandlung oder Erholung nach Russland. Es gibt auch Berichte, dass ukrainische Kinder in Russland zur Adoption freigegeben worden sind. Die ukrainische Kinderrechtsbeauftragte Darija Gerassymtschuk sprach von 10 764 verschleppten Kindern.

Selenskyj dankte Guterres für dessen Bereitschaft, sich der Frage der Kinder anzunehmen. «Um alle Deportierten zurückzubringen, braucht es die Macht der ganzen Welt», sagte er.

+++ Ukrainischer Armeechef: Werden keine Kompromisse akzeptieren +++

Das ukrainische Militär wird nach Worten seines Oberkommandierenden Walerij Saluschnyj keine Kompromisse bei der Befreiung des Landes von der russischen Besatzung akzeptieren. Das teilte Saluschnjy nach einem Telefonat mit US-Generalstabschef Mark Milley mit. «Unser Ziel ist es, das gesamte ukrainische Land von der russischen Besatzung zu befreien», schrieb Saluschnyj am Montag auf Telegram. Auf diesem Weg werde man nicht stehen bleiben. «Das ukrainische Militär wird keine Verhandlungen, Vereinbarungen oder Kompromissentscheidungen akzeptieren. Es gibt nur eine Bedingung für Verhandlungen: Russland muss alle besetzten Gebiete verlassen.»

Saluschnjy gilt als der Mann, der den erfolgreichen Widerstand der ukrainischen Armee gegen die russische Invasion organisiert hat. Seine Worte richten sich gegen immer wieder vereinzelt geäußerte Ratschläge westlicher Unterstützer, die Ukraine solle eine Verhandlungslösung nicht ausschließen. Milley hatte vergangene Woche gesagt, sollten sich die Frontlinien im Winter stabilisieren, könnte es eine Chance geben, ein Ende des Konflikts auszuhandeln.

Auch Russland betont angesichts militärischer Niederlagen wieder stärker seinen vorgeblichen Willen zu Verhandlungen. Allerdings halten russische Truppen trotz Gebietsverlusten gut acht Monate nach Kriegsbeginn immer noch knapp ein Fünftel des Nachbarlandes besetzt.

VIDEO: UN legen Grundlage für russische Reparationszahlungen