Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Donnerstag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Hier gibt's die aktuellen Entwicklungen.

Ukraine-Krieg: Die aktuellen Entwicklungen. (Symbolbild: Getty)
Ukraine-Krieg: Die aktuellen Entwicklungen. (Symbolbild: Getty)

Unser Ticker ist für heute beendet. Hier können Sie die wichtigsten Ereignisse des Tages nachlesen.

  • Ukrainisches Atomkraftwerk Saporischschja erneut unter Beschuss

  • Selenskyj warnt vor neuer Atomkatastrophe

  • Lettisches Parlament nennt Russland Terror unterstützenden Staat

  • Estland beschränkt Einreise für russische Staatsbürger

  • Scholz gegen Verbot von Touristenvisa für Russen

  • Satellitenaufnahmen zeigen zerstörte russische Jets auf Krim

  • Selenskyj ruft zu Widerstand auf

  • Ukraine will Schweiz Schutzmachtmandat geben - Moskau bremst

+++ Ukrainisches Atomkraftwerk Saporischschja erneut unter Beschuss +++

Das ukrainische Atomkraftwerk Saprischschja ist nach Angaben der russischen Besatzer erneut unter Beschuss geraten. Das Kraftwerk sei mit schwerer Artillerie und Raketenwerfern angegriffen worden, teilte der Vertreter der Besatzungsbehörden, Wladimir Rogow, am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Geschossen werde aus Ortschaften, die unter ukrainischer Kontrolle stünden. Überprüfbar waren die Angaben nicht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte angesichts des Beschusses vor einer möglichen Atomkatastrophe gewarnt.

Der ukrainische Kraftwerksbetreiber Enerhoatom informierte bei Telegram über insgesamt zehn Einschläge in der Nähe des größten europäischen Atomkraftwerks im Süden der Ukraine. «Die Situation im Kraftwerk ist gerade unter Kontrolle», teilte der Konzern mit. Nach diesen Angaben gab es keinen Brand und auch keine erhöhten Radioaktivitätswerte.

Die Ukraine wirft den russischen Truppen vor, das AKW als Festung für Angriffe zu nutzen. Die prorussischen Separatisten wiederum beschuldigen die ukrainischen Streitkräfte, mit Beschuss den Westen zum Eingreifen in den Konflikt bewegen zu wollen. Russlands Staatsfernsehen zeigte Bilder, die Raketeneinschläge am Kraftwerk zeigen sollen.

Rogow lehnte Forderungen der Gruppe sieben führender Industrienationen (G7) - darunter Deutschland - ab, das Kraftwerk wieder unter ukrainische Kontrolle zu geben. «Das wäre, als wenn man einem Affen eine Handgranate in die Hand gibt», sagte Rogow der russischen Staatsagentur Tass.

+++ Kopenhagener Geberkonferenz sammelt 1,5 Milliarden Euro für Ukraine +++

Auf einer internationalen Geberkonferenz in Kopenhagen sind mehr als 1,5 Milliarden Euro an Unterstützung für die Ukraine zusammengekommen. Zu dieser Summe hätten sich die Teilnehmer am Donnerstag auf der Konferenz verpflichtet, sie könne noch steigen, gab der dänische Verteidigungsminister Morten Bødskov anschließend bekannt. Das Geld sei für dieses und nächstes Jahr vorgesehen. Es kann beispielsweise in Waffen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten fließen. Polen, die Slowakei und Tschechien erklärten sich den Angaben zufolge zudem bereit, die Produktion von Artilleriesystemen, Munition und weiterer Ausrüstung auszuweiten.

In einer gemeinsamen Erklärung bekannten sich die Staaten zur weiteren und nachhaltigen militärischen Unterstützung für die Ukraine. Ein nächstes Treffen ist im September online geplant.

Bei der Konferenz in der dänischen Hauptstadt ging es vor allem um Waffen, die Ausbildung von ukrainischen Soldaten und Hilfe bei der Minenräumung. 26 Länder schickten Delegationen nach Kopenhagen, für Deutschland war Staatssekretär Benedikt Zimmer aus dem Bundesverteidigungsministerium dabei. Das Treffen sollte die Zusammenarbeit im Rahmen der Ukraine-Kontaktgruppe ergänzen, die im April auf dem US-Stützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein ins Leben gerufen worden war. Über diese Gruppe werden vor allem Waffenlieferungen für die ukrainischen Streitkräfte koordiniert.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bat während der Konferenz per Videoansprache um weitere Unterstützung. Die Ukraine brauche zur Verteidigung gegen den russischen Angriff das Maximale an Bewaffnung und Munition, sagte er zum Auftakt des Treffens. Dänemark versprach daraufhin weitere 110 Millionen Euro für Waffen, Ausrüstung und Ausbildung - Co-Gastgeber Großbritannien zudem, weitere Mehrfachraketenwerfer an die Ukraine zu schicken. Hinzu komme eine «erhebliche Zahl» an Präzisionsraketen vom Typ M31A1, erklärte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace.

+++ McDonald's will einige Filialen in Ukraine wieder öffnen +++

Ungeachtet des weiter andauernden russischen Angriffskriegs will die US-amerikanische Fast-Food-Kette McDonald's einen Teil ihrer Restaurants in der Ukraine wieder öffnen. «Nach langen Beratungen und Gesprächen haben wir einen Stufenplan zur Wiederaufnahme der Arbeit einiger Restaurants in Kiew und der westlichen Ukraine», heißt es in einer am Donnerstag auf Facebook veröffentlichten Mitteilung des Unternehmens. In den kommenden Monaten werde daran gearbeitet die Lieferketten wiederherzustellen und die zu Kriegsbeginn am 24. Februar geschlossenen Restaurants wieder vorzubereiten. Einen genauen Öffnungstermin nannte McDonald's nicht.

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+++ Lettisches Parlament nennt Russland Terror unterstützenden Staat +++

Das lettische Parlament hat Russland am Donnerstag als Terror unterstützenden Staat eingestuft. In einer einstimmig angenommenen Entschließung wird die Gewalt gegen Zivilisten in der Ukraine und anderen Ländern als Terrorismus bezeichnet. Die Abgeordneten forderten zudem die anderen EU-Länder dazu auf, die Ausstellung von Touristen- und Einreisevisa für Bürger aus Russland und dem Nachbarland Belarus auszusetzen. Lettland selbst vergibt Visa für Bürger beider Länder nur noch in Ausnahmefällen.

Die Einstufung, die auch mit langjähriger Unterstützung und Finanzierung von terroristischen Regimes und Organisationen begründet wurde, hat vor allem symbolischen Charakter. Zuvor hatte bereits das Parlament im benachbarten Litauen Russland als «Staat, der Terrorismus unterstützt und verübt» bezeichnet. Russlands Außenministerium kritisierte solche Initiativen als «Wunsch des ukrainischen Regimes und seines russlandfeindlichen Unterstützerlagers in der EU, alle kollektiv dafür zu bestrafen, dass sie Bürger eines Landes sind, das einen unabhängigen außenpolitischen Kurs verfolgt».

Auch in den USA mehren sich die Stimmen, die Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine zum Terrorstaat erklären wollen. Auf der US-Staatenliste der Terrorunterstützer stehen derzeit vier Länder: Syrien, Iran, Nordkorea und seit Anfang 2021 auch Kuba. Sie müssen mit entsprechenden Sanktionen rechnen - unter anderem bei der US-Entwicklungshilfe, bei Rüstungsexporten sowie im Finanzsektor. Auch in der Europäischen Union gibt es eine Terrorliste. Sie umfasst allerdings keine Staaten, sondern nur Personen oder Organisationen wie etwa die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas.

+++ Selenskyj warnt vor neuer Atomkatastrophe +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die internationale Gemeinschaft vor einer neuen Atomkatastrophe ähnlich der von Tschernobyl 1986 gewarnt. Russland sei ein terroristischer Staat, der das Atomkraftwerk Saporischschja als Geisel halte und zur Erpressung nutze, sagte er am Donnerstag per Videoschalte zum Auftakt einer Ukraine-Geberkonferenz in Kopenhagen. Russland sei heute noch zynischer und noch gefährlicher als die Sowjetunion, die die Atomkatastrophe von Tschernobyl einst habe verheimlichen wollen.

«Wir müssen Europa vor dieser Bedrohung schützen», sagte Selenskyj. Saporischschja sei nicht nur das größte Atomkraftwerk Europas, sondern auch das drittgrößte der Erde. Die Reaktion auf das russische Vorgehen müsse umfassend sein. Die Ukraine brauche zur Verteidigung das Maximale an Bewaffnung und Munition. «Niemand braucht neue Katastrophen», sagte Selenskyj.

Bei der Geberkonferenz #CopenhagenUkraine sollte es am Donnerstag um Waffen, die Ausbildung von Soldaten und Hilfe bei der Minenräumung für die Ukraine gehen. Repräsentanten von 26 Ländern waren vor Ort dabei, darunter mehrere Verteidigungsminister und -ministerinnen. Deutschland wurde von dem für Rüstung zuständigen Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Benedikt Zimmer, vertreten.

Dänemark kündigte zum Auftakt der Konferenz an, die Ukraine mit weiteren 110 Millionen Euro für Waffen, Ausrüstung und Ausbildung zu unterstützen. Nach fast sechs Monaten Krieg, Zerstörung und Leid kämpften die Ukrainer heldenhaft weiter, sagte Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Diesen ungleichen Krieg könne das Land aber nicht alleine führen. «Wir alle müssen unsere Unterstützung für die Ukraine fortsetzen und stärken, mit Waffen, Ausbildung, Minenräumung, Finanzierung», sagte sie. An Selenskyj und das ukrainische Volk gerichtet betonte sie: «Wir lassen Sie nicht im Stich.»

+++ UN-Sicherheitsrat berät über Lage am AKW Saporischschja +++

Die Sorge um einen atomaren Zwischenfall in Europas größtem Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine beschäftigt jetzt auch die Vereinten Nationen. Auf Antrag Russlands stand am Donnerstag in New York eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats auf dem Programm. UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einer neuen Katastrophe. Im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl hatte sich 1986 der schlimmste atomare Unfall auf europäischem Boden ereignet. International gibt es zunehmend Befürchtungen, dass sich in Saporischschja durch Raketenangriffe etwas ähnlich Schlimmes ereignen könnte. Der russische Krieg gegen das Nachbarland dauert inzwischen schon mehr als fünfeinhalb Monate.

Das Kraftwerk im Süden der Ukraine, das seit Monaten unter russischer Kontrolle steht, war am Wochenende mehrfach mit Raketen beschossen und teils beschädigt worden. Die kritische Infrastruktur soll aber weiter intakt sein. Russland und die Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld. Am Mittwoch griffen russische Einheiten mit Raketenwerfern Ortschaften in der Nähe an. Dabei starben nach ukrainischen Angaben mindestens elf Menschen. Unabhängig zu überprüfen war dies nicht.

+++ Ministerin fordert unabhängige Überprüfung von AKW Saporischschja +++

Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat sich besorgt über die Lage am kürzlich beschossenen Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine geäußert. Die Grünen-Politikerin dringt auf eine Überprüfung der von Russland besetzten Anlage durch internationale Experten. «Für ein objektives Bild von der tatsächlichen Sicherheitslage vor Ort müssen unabhängige Sachverständige der (Internationalen Atomenergie-Organisation) IAEO Zugang bekommen», sagte Lemke den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das hatten zuvor auch die Außenminister und -ministerinnen der G7-Staaten gefordert.

Lemke bezeichnete die Lage an dem Kernkraftwerk im Süden der Ukraine als «unübersichtlich und gefährlich». Sie forderte, die Kontrolle über Saporischschja wieder in ukrainische Hände zu geben und jegliche Kriegshandlungen rund um das AKW einzustellen. Ein direkter militärischer Angriff oder auch gezielte Sabotage könnten verheerende Folgen für die Menschen in der Region haben. Lemke fügte aber hinzu: «Es liegen keine Hinweise vor, dass aufgrund des jüngsten Beschusses Radioaktivität aus dem Atomkraftwerk ausgetreten ist.»

Das entspricht auch der Einschätzung des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS). Im Fall einer Freisetzung von Radioaktivität in Saporischschja schätzt das Amt die Gefahr für Deutschland nach wie vor als «relativ gering» ein. Einer älteren Untersuchung zufolge könnte «glücklicherweise nur in 17 Prozent aller Wetterlagen überhaupt kontaminierte Luft nach Deutschland gelangen», sagte Florian Gering, Leiter der Abteilung Radiologischer Notfallschutz im BfS, am Donnerstag dem Nachrichtenportal «ZDFheute.de».

Das AKW Saporischschja war am Wochenende mehrfach beschossen und teils beschädigt worden. Die kritische Infrastruktur soll aber weiter intakt sein. Russland und die Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld.

+++ Mehr als 60.000 Tonnen Sachhilfe über EU-Verfahren für Ukraine +++

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind dort über ein EU-Verfahren für Katastrophenschutz mehr als 60.000 Tonnen Sachhilfe aus 30 Ländern eingetroffen. Dazu zählen 180 Krankenwagen, 125 Löschfahrzeuge, 300 Stromaggregate, 35 Baufahrzeuge und 4 Pontonbrücken, wie die EU-Kommission in Brüssel mitteilte. «Diese Solidarität beweist, dass die EU der Ukraine nicht nur mit Worten zur Seite steht, sondern auch mit Taten», sagte der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarčič.

Mit einem Volumen von mehr als 425 Millionen Euro sei die Ukraine-Hilfe die mit Abstand größte Aktion seit Einführung des Verfahrens 2001. Zur Unterstützung wurden Logistikzentren in den EU-Ländern Polen, Rumänien und der Slowakei geschaffen.

+++ Medien: Satellitenaufnahmen zeigen zerstörte russische Jets auf Krim +++

Nach den schweren Explosionen auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim hat ein US-Unternehmen Satellitenbilder veröffentlicht, die den beschädigten Militärstützpunkt zeigen sollen. Entgegen der Moskauer Darstellung belegen diese Aufnahmen US-Berichten zufolge die Zerstörung mehrerer russischer Kampfjets. Sowohl die Zeitung «The New York Times» als auch das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) berichteten am Donnerstag von mindestens acht abgebrannten Flugzeugen. Russland hatte von einem Brand auf der Basis und explodierter Munition wegen Fahrlässigkeit berichtet, allerdings nicht von zerstörter Militärtechnik.

Ein Satellitenbild von Planet Labs PBC zeigt den Luftwaffenstützpunkt Saki nach einer Explosion. (Bild: Planet Labs Pbc/Planet Labs PBC/AP/dpa)
Ein Satellitenbild von Planet Labs PBC zeigt den Luftwaffenstützpunkt Saki nach einer Explosion. (Bild: Planet Labs Pbc/Planet Labs PBC/AP/dpa)

Der US-Fernsehsender CNN gab die Zahl der auf der 2014 von Russland annektierten Halbinsel zerstörten Jets mit mindestens sieben an. In Kiew war zuvor von zehn Maschinen die Rede gewesen.

Die vom US-Unternehmen Planet Labs zur Verfügung gestellten Satellitenfotos zeigen demnach Verwüstungen nach den Explosionen auf dem Militärstützpunkt Saki am vergangenen Dienstag. Offiziellen russischen Angaben zufolge ist ein Verstoß gegen die Brandschutzregeln für den Vorfall verantwortlich. In Moskau war zudem die Rede von einem Toten und 14 Verletzten.

Die Führung in Kiew hat offiziell nicht die Verantwortung für die Explosionen übernommen. Trotzdem gehen viele Beobachter aufgrund der Zahl und Wucht der Explosionen mittlerweile von einem gezielten ukrainischen Angriff aus. ISW-Militärexperten zufolge will die russische Führung einen ukrainischen Angriff aus Imagegründen nicht eingestehen. Dann müsste Moskau einräumen, dass seine Luftabwehr versagt habe, hieß es.

+++ Estland beschränkt Einreise für russische Staatsbürger +++

Estland verschärft die Visa-Regelungen für Menschen aus Russland und beschränkt deren Einreise. Die Regierung in Tallinn beschloss am Donnerstag, dass russische Staatsbürger vom 18. August an nicht mehr mit einem von Estland ausgestellten Schengen-Visum einreisen dürfen. Ausgenommen von der Regelung sind Russen, deren Heimatland Estland ist oder die ihren ständigen Wohnsitz in dem baltischen EU- und Nato-Staat haben. Daneben gelten weitere Ausnahmen, etwa für Verwandtschaftsbesuche. Weiter einreisen dürfen auch russische Bürger mit von anderen EU-Mitgliedern ausgestellen Visa.

«Wir sehen, dass die Zahl der russischen Bürger, die durch Estland reisen oder aus Russland nach Estland kommen, massiv zugenommen hat», sagte Außenminister Urmas Reinsalu. Die Möglichkeit, massenhaft Estland zu besuchen oder über das Land nach Europa zu gelangen, entspreche nicht dem Zweck der verhängten Sanktionen.

Estland hatte als eine Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die Vergabe von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen an Russen ausgesetzt. Mit einem gültigen Visum war es aber weiterhin möglich, per Bus oder Auto über die estnische Grenze in den Schengenraum einzureisen.

Reinsalu kündigte zudem an, dass Estland noch im August der EU einen Vorschlag unterbreiten werde, die Vergabe von Schengen-Visa für russische Bürger auszusetzen. Dafür hatte sich zuletzt auch Finnland stark gemacht. Lettland forderte am Donnerstag andere europäische Länder ebenfalls dazu auf, keine Einreise- und Touristenvisa mehr an Russen zu vergeben.

+++ UN-Generalsekretär Guterres warnt vor Atomkatastrophe in Ukraine +++

Angesichts der Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine um das Atomkraftwerk Saporischschja hat UN-Generalsekretär António Guterres vor einer Atomkatastrophe gewarnt. Vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Mittwoch in New York zur Situation des größten europäischen AKW im Süden der Ukraine äußerte sich Guterres «zutiefst besorgt». «Bedauerlicherweise gab es in den letzten Tagen keine Deeskalation, sondern Berichte über weitere zutiefst besorgniserregende Vorfälle. Wenn sich diese fortsetzen, könnte dies zu einer Katastrophe führen.»

Das AKW im Süden der Ukraine, das seit Monaten unter russischer Kontrolle steht, war am Wochenende mehrfach beschossen und teils beschädigt worden. Die kritische Infrastruktur soll aber weiter intakt sein. Russland und die Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld. Am Mittwoch griffen russische Einheiten mit Raketenwerfern Ortschaften in der Umgebung an. Dabei starben nach ukrainischen Angaben mindestens elf Menschen. Unabhängig zu überprüfen war dies nicht.

Der UN-Sicherheitsrat - das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen - soll sich auf russische Initiative mit dem Beschuss beschäftigen. Dabei soll auch der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, Auskunft über den Zustand des AKW geben. Russland verwehrt internationalen Experten bislang den Zugang.

Guterres appellierte an beide Seiten: «Ich fordere die Streitkräfte der Russischen Föderation und der Ukraine auf, alle militärischen Aktivitäten in unmittelbarer Nähe des Werks unverzüglich einzustellen und nicht auf seine Einrichtungen oder Umgebung zu zielen.» Truppen müssten abgezogen werden, die Anlage dürfe nicht für Kämpfe genutzt werden. Das Gebiet müsse entmilitarisiert werden.

+++ Scholz gegen Verbot von Touristenvisa für Russen +++

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich gegen ein Verbot von Touristenvisa für Russen ausgesprochen. «Das ist Putins Krieg, und deshalb tue ich mich mit diesem Gedanken sehr schwer», sagte Scholz am Donnerstag vor Journalisten in Berlin. Scholz verwies auf die «sehr weitreichenden Sanktionen» gegen Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine. Es würde nach Einschätzung von Scholz die Wirksamkeit der Sanktionen abschwächen, «wenn es sich gegen alle richtete, auch gegen Unschuldige». Die Regierungen von Estland und Finnland hatten andere europäische Länder zu einem Verbot von Touristenvisa für Russen aufgefordert.

Olaf Scholz hat sich gegen ein Verbot von Touristenvisa für Russen ausgesprochen (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)
Olaf Scholz hat sich gegen ein Verbot von Touristenvisa für Russen ausgesprochen (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)

Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte am Donnerstag, dass ein grundsätzliches Verbot von Touristenvisa nach geltendem Recht gar nicht möglich sei. Jeder Antrag müsse einzeln geprüft werden, sagte sie. Die EU-Kommission habe im Mai jedoch Leitlinien an die Mitgliedstaaten geschickt. Danach können Anträge nach individueller Prüfung abgelehnt werden, etwa weil die Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die internationalen Beziehungen sei.

Zugleich dürften die EU-Staaten nicht gegen internationales Recht verstoßen, sagte die Sprecherin. Einige Personen müssten etwa aus humanitären Gründen ein Visum bekommen oder deshalb, weil sie Familienangehörige, Journalisten oder Dissidenten seien. Es gebe derzeit Gespräche auf EU-Ebene, um über die neuesten Entwicklungen zu informieren und koordinierte Maßnahmen zu gewährleisten.

+++ Selenskyj ruft zu Widerstand auf +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Bewohner der von Russland besetzten Gebiete zum Widerstand aufgerufen. Sie sollten den ukrainischen Streitkräften über sichere Kanäle Informationen zum Feind oder über Kollaborateure übermitteln, sagte Selenskyj am Mittwoch in seiner abendlichen Videoansprache.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Bewohner der von Russland besetzten Gebiete zum Widerstand aufgerufen (Bild: Igor Golovniov/SOPA Images/LightRocket via Getty Images)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Bewohner der von Russland besetzten Gebiete zum Widerstand aufgerufen (Bild: Igor Golovniov/SOPA Images/LightRocket via Getty Images)

Zugleich erneuerte der Präsident die Bitte um ausländische Waffenhilfe für sein Land. Je entschiedener sie ausfalle, desto eher werde der Krieg enden, sagte er mit Blick auf eine Konferenz in Kopenhagen ab Donnerstag. Dort beraten die Verteidigungsminister aus gut einem Dutzend Ländern, darunter Deutschland, über militärische und finanzielle Unterstützung für das von Russland angegriffene Land.

Mit der gespannten Lage in dem von russischen Truppen besetzten ukrainischen Kernkraftwerk Saporischschja wird sich am Donnerstag der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York befassen. Für die Ukraine ist es der 169. Tag seit Beginn der russischen Invasion.

+++ Lettisches Parlament: Russland ist Terror unterstützender Staat +++

Das lettische Parlament hat Russland als Terror unterstützenden Staat eingestuft und dessen Gewalt gegen Zivilisten in der Ukraine und anderen Ländern als Terrorismus anerkannt. Eine entsprechende Entschließung wurde am Donnerstag in Riga angenommen. Darin hebt die Volksvertretung des baltischen EU- und Nato-Landes hervor, Russland gehe vorsätzlich gegen ukrainische Zivilisten vor. Auch setze Moskau Leid und Einschüchterung als Mittel bei seinen Versuchen ein, das ukrainische Volk und dessen Armee zu demoralisieren. Damit solle die Funktionsfähigkeit des Staates gelähmt werden, um die Ukraine zu besetzen, hieß es weiter.

In der Erklärung verurteilten die Abgeordneten scharf den seit fast einem halben Jahr andauernden Angriffskrieg Russlands. Sie forderten zudem die EU-Länder dazu auf, die Ausstellung von Touristen- und Einreisevisa für russische und belarussische Bürger unverzüglich auszusetzen. Lettland selbst vergibt Visa für Bürger der beiden Länder auf unbestimmte Zeit nur noch in Ausnahmefällen. Daher dürfte die Einstufung, die auch mit Russlands langjähriger Unterstützung und Finanzierung von terroristischen Regimes und Organisationen begründet wurde, vor allem symbolischen Charakter haben.

Vor Lettland hatte bereits das Parlament im benachbarten Litauen Russland als «Staat, der Terrorismus unterstützt und verübt» anerkannt. Auch in den USA mehren sich die Stimmen, die Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine zum Terrorstaat erklären wollen.

Auf der US-Staatenliste der Terrorunterstützer stehen derzeit vier Länder: Syrien, Iran, Nordkorea und seit Anfang 2021 auch Kuba. Sie müssen mit entsprechenden Sanktionen rechnen - unter anderem bei der US-Entwicklungshilfe, bei Rüstungsexporten sowie im Finanzsektor. Auch in der Europäischen Union gibt es eine Terrorliste. Sie umfasst allerdings keine Staaten, sondern nur Personen oder Organisationen wie etwa die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas.

+++ Ukraine will Schweiz Schutzmachtmandat geben - Moskau bremst +++

Die Ukraine möchte ihre Interessen in Russland nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die Schweiz vertreten lassen. Die Verhandlungen für ein solches Schutzmachtmandat seien abgeschlossen, teilte das Schweizer Außenministerium in Bern am Donnerstag auf Anfrage mit. «Damit das Schutzmachtmandat in Kraft treten kann, muss noch Russland sein Einverständnis geben», hieß es.

Ob es dazu kommt, ist aber fraglich. Die russische Botschaft in Bern schrieb dem «Tages-Anzeiger», die Schweizer Regierung sei durch die Übernahme der Sanktionen gegen Russland nicht mehr neutral. Russland sei «nicht bereit, Vermittlungsangebote von Ländern, die sich den antirussischen Sanktionen angeschlossen haben, in den Verhandlungen mit der Ukraine zu berücksichtigen.»

Die Schweiz hat als Schutzmacht lange Tradition. Erstmals nahm sie im deutsch-französischen Krieg 1870–1871 in Frankreich die Interessen des Königreichs Bayern und des Großherzogtums Baden wahr. Sie ist als Schutzmacht zum Beispiel Anlaufstelle für Staatsangehörige, die in dem anderen Land wohnen, dort aber keine heimische Botschaft mehr haben, wenn Heimat- und Gaststaat ihre Beziehungen abgebrochen haben. Sie kann bei Bedarf auch diplomatische Depeschen überbringen und bei Verhandlungen als Vermittler helfen. Solche Dienste übernimmt die Schweiz zur Zeit für den Iran in Ägypten, die USA im Iran, Russland und Georgien, Iran und Saudi-Arabien sowie den Iran und Kanada.

+++ «Trud»: Ende des Ukraine-Kriegs wird mit Putin vereinbart +++

Mit einem möglichen Ende des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine befasst sich am Donnerstag die bulgarische Zeitung «Trud». Das Blatt schreibt unter anderem:

«Welches Ende auch immer dieser Krieg haben mag, wird es von den Weltlenkern vereinbart und legitimiert werden - zusammen mit dem russischen Präsidenten (Wladimir) Putin und Außenminister (Sergej) Lawrow. Diese Menschen, die verteufelt wurden, werden wie Gleiche akzeptiert werden - und als Teil der Entscheidung, dass der Krieg endet. Dies wird für viele Menschen enttäuschend sein, die Welt wird aber nicht durch emotionelle Impulse bewegt, sondern von Kaltblütigkeit, Rationalität und Legitimität. Es mag uns nicht gefallen, wir müssen es aber akzeptieren. Was Europa anbetrifft: Wir danken für die Ohrfeige zum Aufwachen! Es war eher eine Tracht Prügel. Wir haben die Chance, manche Lektionen zu lernen, und es wird gut sein, es zu tun.»

+++ London: Russland kann wahrscheinlich Rüstungsexporte nicht erfüllen +++

Russland kann nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten seine Auslandsaufträge in der Rüstungsindustrie nicht mehr in vollem Umfang erfüllen. «Russland ist höchstwahrscheinlich nicht in der Lage, einige seiner Exportaufträge für gepanzerte Fahrzeuge auszuführen», hieß es in dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukrainekrieg des Verteidigungsministeriums in London am Donnerstag. Hintergrund seien die außergewöhnliche Nachfrage für gepanzerte Kampffahrzeuge für Russlands eigene Streitkräfte in der Ukraine und der zunehmende Effekt westlicher Sanktionen, so die Mitteilung weiter.

So habe Belarus kürzlich Details über einen im eigenen Land weiterentwickelten Kampfpanzer vorgestellt. Zuvor sei diese Aufgabe dem staatlichen russischen Rüstungskonzern UralVagonZavod zugefallen.

Auch das Ansehen der russischen Rüstungsindustrie im Ausland hat nach Ansicht der Briten gelitten: «Die Glaubwürdigkeit vieler ihrer Waffensysteme wurde durch die Verbindung mit der schwachen Leistung russischer Streitkräfte im Ukraine-Krieg untergraben», hieß es in der Mitteilung.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar veröffentlicht die britische Regierung regelmäßig Geheimdienstinformationen zu dessen Verlauf. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.

Die Ursache war weiterhin nicht ganz klar. Doch legen Zahl und Wucht der Explosionen einen gezielten Angriff der Ukraine nahe. Es wäre die erste militärische Attacke auf Ziele auf der Schwarzmeerhalbinsel, die Russland 2014 annektiert hatte. Symbolisch wäre es für die Moskauer Führung ein ähnlich schwerer Schlag wie Mitte April das Versenken des Kreuzers «Moskwa», des Flaggschiffs der russischen Schwarzmeerflotte.

Im Osten der Ukraine im Donbass versuchten russische Truppen unterdessen, weiter vorzustoßen. Die Sorgen der Ukraine und der internationalen Gemeinschaft gelten am Mittwoch weiter der Lage in dem von russischen Truppen besetzten Kernkraftwerk Saporischschja. Für die Ukraine es der 168. Tag ihrer Abwehr der russischen Invasion.

+++ Ostukraine: Giftiges Ammoniak ausgeströmt - Toter und Verletzte +++

Aus einer brennenden Brauerei in der ostukrainischen Separatistenhochburg Donezk ist nach Angaben örtlicher Behörden giftiges Ammoniak ausgetreten. Bei dem durch ukrainischen Beschuss ausgelösten Brand seien ein Mensch getötet und zwei weitere verletzt worden, teilte die prorussischen Behörden in Donezk am Donnerstag mit. Der Austritt von Ammoniak sei gestoppt worden. Das Gas verteilte sich demnach in der Nacht im Umkreis von zwei Kilometern. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, in Gebäuden zu bleiben und Fenster geschlossen zu halten. Ammoniak - bekannt für seinen stechenden Geruch - dient beim Bierbrauen als Kühlmittel.

Zur Zeit des Beschusses hätten sich mehr als 30 Menschen in der Bierbrauerei aufgehalten, hieß es. Die Front zwischen ukrainischen Truppen und den Einheiten der von Moskau gesteuerten Separatisten verläuft seit 2014 nordöstlich der größten Stadt im Donbass. In der Region toben die schwersten Kämpfe. Die Separatisten wollen mit Hilfe russischer Truppen die gesamte Region Donezk einnehmen. Durch ukrainischen Beschuss seien am Mittwoch in Donezk drei Zivilisten getötet worden, teilten die Separatisten mit. Die Berichte sind in der Regel nicht unabhängig zu überprüfen.