Die unterschätzte Gefahr

Nach dem Brexit und dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump sehen sich die EU-Gegner im Aufwind. Entsprechend laut meldeten sie sich bei einer Veranstaltung der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) im Europaparlament am Samstag in Koblenz zu Wort. Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, rief die Europäer dazu auf, wie Briten und Amerikaner „aufzuwachen“. Nach dem Brexit würden andere EU-Staaten dem britischen Beispiel wie Dominosteine folgen. AfD-Chefin Frauke Petry forderte „den Mut, Europa neu zu denken“.

Die Rufe der Populisten klingen wie eine düstere Prophezeiung, an deren Erfüllung keine der traditionellen Parteien wirklich ernsthaft glauben mag. Doch die Rahmenbedingungen für Wahlerfolge sind für die Euro-Gegner derzeit so günstig wie noch nie. In Frankreich, Deutschland und den Niederlanden, wo Wahlkämpfe anstehen, haben die Parteien aus dem rechten Spektrum nach Umfragen gute Chancen auf Zuwächse. Möglicherweise fahren sie sogar größere Siege ein, als manchem lieb ist. Das legt eine Studie der DZ Bank nahe, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.

„Trotz der inzwischen zahlreichen Wahlerfolge von Populisten wird ihr Abschneiden auf Basis demoskopischer Umfragen durchgehend unterschätzt“, heißt es in der Untersuchung. Die Analysen zeigen demnach, dass populistische Parteien in Europa bei landesweiten Wahlen seit dem Jahr 2002 im Durchschnitt 1,3 Prozentpunkte besser als auf Basis der durchschnittlichen Umfragewerte abgeschnitten haben. Erst nach dem Jahr 2011 stellen die Analysten eine leichte Verbesserung bei den Voraussagen fest. Sie führen dies darauf zurück, dass Demoskopen aus den Erfahrungen der vorherigen Wahlen gelernt und ihre Prognosemodelle angepasst hätten.

Allerdings, schränken die Experten ein, sei der Prognosefehler bei neuen populistischen Parteien, die auch als Folge der Staatsschuldenkrise entstanden seien, wie etwa die AfD, umso höher. Für den Zeitraum seit 2012 liegt demnach der durchschnittliche Fehler bei diesen Parteien bei etwa 2,2 Prozentpunkten. Im Zeitraum seit 2012 hätten populistische Parteien sogar in 69 Prozent der untersuchten Fälle bei Wahlen besser als erwartet abgeschnitten.

Die AfD hatte etwa bei einigen Wahlen besser abgeschnitten als zuvor in den Wählerbefragungen. Und selbst in den USA lagen die Meinungsforscher mit ihren Prognosen schon falsch, wie das Beispiel Donald Trump zeigt. Er ist zum Präsident gewählt worden, obwohl die Demoskopen etwas anderes erwartet hatten. Auch beim Brexit-Votum der Briten im Juni wurde die Öffentlichkeit kalt erwischt, zumal die meisten Meinungsumfragen das Lager der Austrittsgegner wochenlang vorn gesehen hatten.

Meinungsforscher sind sich der Prognosefehler durchaus bewusst. „Wir haben das AfD-Problem bei den Landtagswahlen im März (2016), etwa in Baden-Württemberg, noch unterschätzt, weil wir nicht mit solchen Dunkelziffern gerechnet haben“, räumte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim, vor kurzem ein. „Das haben wir korrigiert und bei den letzten Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin richtig eingeschätzt.“

Auch Infratest dimap feilt an seinen Methoden. Um möglichst viel über Wähler aus dem rechten Spektrum zu erfahren, nutzt das Institut zusätzlich zu seinen telefonischen Erhebungen auch Online-Befragungen und persönlich-mündliche Erhebungen. Bei den jüngsten Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin lagen die AfD-Ergebnisse der Umfragen schon deutlich näher am Wahlergebnis als bei den zurückliegenden Wahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt.


Warum Populisten unterschätzt werden

Die Ursachen für die Unterschätzung der Populisten dürften vielfältig sein. Zu den Schwierigkeiten, mit denen sich die Wissenschaftler vor allem bei Umfrageteilnehmern mit Hang zu radikalen oder unpopulären Meinungen konfrontiert sehen, gehört zum Beispiel die „soziale Erwünschtheit“. Darunter verstehen Meinungsforscher, dass jemand bei einer Befragung etwas sagt, dann aber etwas anderes tut, weil er nicht offen zu seiner Ansicht stehen will. Britische Wahlforscher nennen dieses Phänomen, dass sich Rechte weniger gerne outen, den „Tory-shy-away-Effekt“.

Martin Kroh vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat festgestellt: „Menschen, die extreme Ansichten vertreten, tendieren manchmal dazu, sich in neutrale Antworten zu flüchten. Sie antworten dann zum Beispiel: „Ich bin mir nicht sicher.“ Das eigentliche Wahlergebnis hänge zudem immer auch davon ab, wie gut es einer Partei oder einem Kandidaten gelingt, Menschen auf den letzten Metern zu mobilisieren, überhaupt zur Wahl zu gehen, sagte der Forscher kürzlich. Als Motivation kann da vielleicht auch ein Umfrageergebnis dienen, das den bevorzugten Kandidaten hinten sieht.

Die DZ-Bank-Experten weisen in ihrer Untersuchung demoskopischer Erhebungen in der Euro-Zone überdies darauf hin, dass etliche populistische Parteien ganz unterschiedliche Wählergruppen ansprächen. „Alte Links-Rechts-Muster des Parteienspektrums verlieren ihre Gültigkeit wie die Wählerwanderungen am Beispiel der AfD zeigen“, heißt es in der Analyse. „Zum einen sprechen sich viele bisherige Nichtwähler für die AfD aus, zum anderen kann die Partei sowohl Wähler des linken als auch des recht Flügels überzeugen.“ Daraus schließen die Experten, dass es umso schwieriger sei, eine repräsentative Stichprobe zu ziehen, die das tatsächliche Meinungsbild der Wähler widerspiegelt, je differenzierter die Wählerstruktur einer Partei ist.

Daher rechnen die Bankanalysten damit, dass der Aufschwung der Populisten auch Einfluss auf den Ausgang einiger anstehender Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr haben könnte. „Unsere bisherigen Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Wahlergebnisse populistischer Parteien Überraschungspotenzial bergen und im Durchschnitt – wenngleich nicht zwangsläufig in jedem Einzelfall – besser ausfallen könnten als angenommen“, heißt es in der Studie. Mit möglichen negativen Effekten auf die Finanzmärkte.

„Die Sorge um die Einheit Europas sowie die etwaige Ankündigung weiterer EU-Referenden dürfte für Verunsicherung sorgen“, sagte der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier, dem Handelsblatt. Jedenfalls sei mit einer ähnlich positiven Reaktion der Investoren wie beim neuen US-Präsidenten Trump bei Wahlerfolgen populistischer Parteien in Europa nicht zu rechnen.

„Auch die Aussicht auf Konjunkturprogramme könnte angesichts des mäßigen Wirkungsgrades und vor allem der hohen Schuldenstände der Staaten eher zu Sorgenfalten bei den Anlegern führen“, ist Bielmeier überzeugt. „Wie lange die Sorge anhielte, dürfte auch davon abhängen, wie sehr die Wahlkampfrhetorik tatsächlich in die Regierungspolitik einfließen würde.“


EU-Referendum in Niederlande könnte Gemeinschaft in Frage stellen

Bielmeier hält Marktreaktionen in drei wichtigen Euro-Ländern für möglich, sofern es den radikalen Kräften gelingt, künftig die Regierungspolitik mitzubestimmen. In den Niederlanden beispielsweise kann der Vorsitzende der rechtspopulistischen Freiheitspartei (PVV) Geert Wilders auf einen Wahlsieg am 15. März hoffen. Die Aussichten auf eine Regierungsbeteiligung der PVV seien zwar trotzdem gering, so Bielmeier. Aber: „Kann Wilders wider Erwarten eine Regierung bilden, ist mit Belastungen bei niederländischen Staatsanleihen zu rechnen.“

Als problematisch aus Sicht der EU und der Finanzmärkte dürfte nach Einschätzung der DZ-Bank-Analysten die Forderung der PVV sein, die europäische Gemeinschaft verlassen zu wollen, um sich dem politischen Einfluss Brüssels und der Haftungsrisiken, resultierend aus den europäischen Rettungsschirmen, zu entziehen. „Da die Niederlande wirtschaftlich eng mit der EU verflochten sind und zu deren Gründungsmitgliedern gehört, könnte der Ausgang eines etwaigen Referendums auch Einfluss auf die Zukunft der EU als solche nehmen und im Fall eines Neins zur EU womöglich Vorbildcharakter für andere Euro-Staaten haben.“

Die Folgen für die Zukunft der EU könnten somit, so die Experten, „ganz erheblich sein und die Gemeinschaft in ihrer jetzigen Form in Frage stellen“. Laut dem Euro-Barometer der EU-Kommission haben 28 Prozent der Niederländer ein kritisches Bild von der EU. Laut weiterer Umfragen befürworten sogar mehr als 40 Prozent der Niederländer einen Austritt aus der Gemeinschaft. Aus Marktsicht wäre daher nur dann von einer positiven Reaktion auf das Wahlergebnis auszugehen, wenn die PVV die relative Mehrheit der Sitze verpasste, so die Analysten.

In Frankreich hat die Chefin der Front National, Marine Le Pen, nach Einschätzung Bielmeiers in einer Stichwahl gegen den konservativen Präsidentschaftskandidaten Francois Fillon zwar nur Außenseiterchancen. Doch es könnte auch anders kommen. „Ein Wahlsieg Le Pens könnte an den Märkten eine Fluchtreaktion zulasten französischer Anleihen auslösen“, sagte der Ökonom. Aus Sorge um die Zukunft der EU könnte dann, so die DZ-Bank-Analysten, eine „Fluchtbewegung“ in Staatsanleihen von Kernstaaten wie Deutschland einsetzen.

Ganz anders stellt sich die Situation in Italien dar, wo der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) des Landes durchaus Chancen eingeräumt werden, den Sieg bei vorgezogenen Neuwahlen davon zu tragen. „Aus Sorge vor einem Ende der Sparpolitik und einem EU-Referendum wäre mit Verlusten bei italienischen Staatsanleihen zu rechnen“, ist Bielmeier überzeugt.

Die fiskalische Austeritätspolitik Italiens wurde zwar ohnehin bereits aufgeweicht. Doch sollte die M5S in Regierungsverantwortung kommen, so die Befürchtung der Experten, dürfte sie den Sparkurs endgültig verlassen und dabei auch einen Konflikt mit der EU-Kommission riskieren, was Investoren kritisch beurteilen dürften. Aber auch Italiens Zukunft in der EU ist mit der M5S-Bewegung unsicher. Vertreter der Partei, konstatieren die Analysten, haben sich bereits wiederholt für ein EU-Referendum ausgesprochen. Derzeit geben rund 30 Prozent der Italiener an, eine EU-kritische Haltung einzunehmen. „Damit entspricht die EU-Skepsis in etwa dem Niveau, das auch in den Niederlanden und Frankreich zu beobachten ist“, heißt es in der DZ-Bank-Studie.


AfD-Wahlerfolg dürfte Märkte kalt lassen

Gelassen blicken die DZ-Bank-Experten auf Deutschland und den zu erwartenden Einzug der AfD in den Bundestag, da es „praktisch aussichtslos“ für die Partei sei, nach der Bundestagswahl im Herbst Einfluss auf die Regierungsbildung nehmen zu können. Selbst wenn sie deutlich besser als gegenwärtig prognostiziert (rund 13 Prozent) abschneiden würde, könne sich keine der etablierten Parteien eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten vorstellen, konstatieren die Analysten. Daher „sollten die Folgen selbst eines sehr guten Abschneidens der AfD keine größeren Spuren an den Märkten hinterlassen“.

Auch wenn die AfD keine regierungspolitische Relevanz im Bund haben wird, so entspricht ihr Aufstieg einer EU-weiten Entwicklung. „Inzwischen ist der Populismus in nahezu ganz Europa auf dem Vormarsch und auch in den Staaten, in den Populisten schon lange eine etablierte Kraft darstellen, erzielen sie weitere Zugewinne“, schrieben die DZ-Bank-Analysten. Den bislang größten Erfolg konnten Populisten in Griechenland markieren, wo die linkspopulistische Partei Syriza zusammen mit dem rechtspopulistischen Koalitionspartner Anel seit 2015 die Regierung stellt.

Die Ursachen für die Entstehung populistischer Kräfte, aber auch die Zielsetzungen der jeweiligen Parteien sind jedoch verschieden: In Südeuropa sind vor allem linkspopulistische Parteien in den vergangenen Jahren immer stärker geworden. Neben Syriza in Griechenland gilt dies für Podemos in Spanien und die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) in Italien. In Portugal gelang es den Kommunisten und dem Linksblock, die sozialistische Partei davon zu überzeugen, ein inoffizielles Bündnis in Form einer Minderheitsregierung einzugehen.

Der Erfolg der Linkspopulisten in Südeuropa setzte mit der Staatenfinanzkrise sowie den damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Folgen ein. Die DZ-Bank-Studie zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Arbeitslosenquote sowie dem Rückgang der verfügbaren Einkommen und der steigenden Zustimmungswerte für linkspopulistische Parteien.

In Kerneuropa erleben vor allem rechtspopulistische Parteien einen Aufschwung, der ebenfalls zunächst durch die Staatenfinanzkrise bedingt ist. „Der Unmut der Wähler richtete sich aber wie im Fall Deutschlands oder Finnlands nicht gegen die Sparpolitik, die ohnehin die von der Krise gebeutelten Länder in Südeuropa stärker betraf, sondern vielmehr gegen die Finanzhilfen, die die Kernstaaten den Krisenländern gewährten“, konstatiert die Studie. Diese Finanzhilfen hätten letztlich den Anstoß für die Gründung der AfD in Deutschland Anfang 2013 gegeben.


„Zustrom von Geflüchteten ist Markenzeichen der Populisten“

Inzwischen sind indes die Themen Migration sowie innere Sicherheit in den Vordergrund gerückt. „Der kritische Umgang mit der Migration, vor allem mit dem Zustrom von Geflüchteten, ist inzwischen zu einem Markenzeichen vieler rechtspopulistischer Parteien geworden“, erläutern die Analysten. Hierbei stünden bei den Unterstützern der Populisten sowohl die Sorge vor etwaigen sicherheitspolitischen Entwicklungen als auch vor den finanziellen und mutmaßlich sozialen Folgen der Zuwanderung mit Mittelpunkt.

Die DZ-Bank-Untersuchung belegt denn auch einen „engen“ Zusammenhang zwischen der Bedeutung des Themas Migration in Deutschland und der Zustimmung für die rechtspopulistische AfD. Die Bedeutung des Themas Migration sowie die Zustimmungswerte für die rechtspopulistische Partei seien auch dann hoch geblieben, als die Zahl neuer Asylanträge von Geflüchteten wie im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen ist. „Das dürfte vor allem daran liegen“, so die Experten, „dass viele Menschen hinsichtlich des Erfolgs der Integrationsbemühungen weiter in Sorge sind.“

Andererseits versuchen die meisten populistischen Parteien mit Kritik an den Kompetenzen und der Ausgestaltung der EU bei den Wählern zu punkten. Viele der Gruppierungen wollen daher die Bürger über den Verbleib ihres Landes in der EU abstimmen lassen. Dahinter steht nach Einschätzung der Experten ein besonders ausgeprägtes Gefühl, die Globalisierung als Bedrohung wahrzunehmen. „Die Hoffnung der Wähler der populistischen Parteien richtet sich damit auch darauf, dass eine stärker auf Abschottung ausgerichtete Politik sie vor den Folgen der Globalisierung schützen könne“, heißt es in der Studie.

Die Wähler rechter wie linker populistischer Parteien in Europa vereine zudem, dass sie wirtschaftlich stärker verunsichert seien als die Anhänger etablierter Parteien. „Damit avancieren die Parteien zu Fürsprechern von Bürgern, die sich wirtschaftlich benachteiligt fühlen und machen damit den Mitte-Links-Parteien, die traditionell Gruppen mit geringem Einkommen ansprechen, Konkurrenz.“

KONTEXT

Rechtspopulistische Parteien in Europa

Ungarn

Die nationalkonservative und rechtspopulistische Fidesz regiert das Land seit 2010 mit absoluter Mehrheit. Ministerpräsident Viktor Orban schränkte trotz Protesten der "Brüsseler Bürokraten" Pressefreiheit und Datenschutz ein. Gegen ankommende Flüchtlinge ließ er die Grenzen mit Zäunen abriegeln.

Polen

Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) regiert seit 2015 in Warschau mit absoluter Mehrheit. Muslime sind ihr und weiten Teilen der Bevölkerung nicht willkommen.

Österreich

Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist nicht erst seit Beginn der Flüchtlingskrise im Aufschwung. "Österreich zuerst" ist ihre Devise. Bei den Landtagswahlen 2015 verzeichnete sie massive Zugewinne. Sie ist an zwei Regierungsbündnissen beteiligt. In Umfragen liegt sie derzeit deutlich vor der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP.

Frankreich

Die rechtsextreme Front National (FN) ist seit Jahrzehnten eine politische Größe. Die Partei um Marine Le Pen bemüht sich um ein bürgerliches Image. Inhaltlich haben sich die Positionen im Vergleich zur Zeit des Parteigründers Jean-Marie Le Pen aber kaum verändert. Bei der Wahl zum Europaparlament 2014 wurde die FN stärkste Kraft im Land. Sozialisten und Republikaner lehnen eine Zusammenarbeit bisher ab.

Italien

Schon seit Ende der 80er Jahre gibt es die rechtspopulistische Lega Nord. Bei den Wahlen 2013 knackte die europafeindliche Partei nur ganz knapp die Vier-Prozent-Hürde. Seit ihr Chef Matteo Salvini in der Flüchtlingskrise eine immer fremdenfeindlichere Ausrichtung vorangetrieben hat, steigen die Umfragewerte der Partei wieder.

Niederlande

Die Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders sitzt seit zehn Jahren im Parlament. Hauptthema ist eine scharfe Islam-Kritik. Seit 2012 ein Tolerierungsabkommen zwischen Christdemokraten, Rechtsliberalen und PVV zerbrach, schließen fast alle Parteien eine Zusammenarbeit mit Wilders aus.

Großbritannien

Die UK Independence Party (UKIP) hat mit dem Brexit-Votum beim britischen EU-Referendum ihr Ziel erreicht. Seit Parteichef Nigel Farage zurückgetreten ist, herrscht in der Partei allerdings Chaos.

Schweden

Die Schwedendemokraten (SD) geben sich national-gesinnt und eurokritisch. Bei der Reichstagswahl 2014 kamen sie auf fast 13 Prozent der Stimmen. Die anderen Parteien lehnen eine Zusammenarbeit mit der rechten Partei ab.

Schweiz

Die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die von der AfD als ein Vorbild angesehen wird, ist seit Jahren die wählerstärkste Partei. Mit einem Programm zur Verschärfung des Asylrechts und zur Abgrenzung von der EU kam sie 2015 mit 29,4 Prozent auf ihr bislang bestes Ergebnis. Die SVP ist seit langem in der Regierung vertreten. In der Schweiz ist es üblich, dass die vier wählerstärksten Parteien die siebenköpfige Regierung bilden.

Dänemark

Die Dansk Folkeparti (DF) ist ein akzeptierter Teil des Parteienspektrums. Die strenge Asylpolitik Dänemarks trägt die Handschrift der Rechtspopulisten. Obwohl die DF bei der Wahl im Juni 2015 stärkste bürgerliche Kraft wurde, lehnte sie eine Regierungsbeteiligung ab. In Norwegen dagegen regiert die einwanderungskritische Fortschrittspartei mit, in Finnland die rechtspopulistische Partei Die Finnen.

KONTEXT

Rechte Parteien in den Landtagen

Rechte Parteien in Deutschland

Immer wieder haben rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien den Sprung in deutsche Landesparlamente geschafft. Von langer Dauer war ihr parlamentarisches Wirken meist nicht. Die Fraktionen machten häufig eher durch interne Streitigkeiten von sich reden als durch politische Initiativen. In Mecklenburg-Vorpommern könnte die NPD nun am Sonntag aus dem letzten Landtag fliegen - auch wegen der AfD, die mit einem zweistelligen Ergebnis einziehen dürfte. Ein Überblick.

NPD

Die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) erlebte in den 60er Jahren eine erste Erfolgswelle. Ihr gelang der Einzug in sieben der damals elf Landesparlamente, bei der Bundestagswahl 1969 scheiterte sie mit 4,3 Prozent nur knapp an der Fünfprozenthürde. Der Aufstieg war aber nur ein vorübergehendes Phänomen, in den 70er Jahren verschwand sie weitgehend wieder von der Bildfläche, ohne in den Landesparlamenten nennenswerte Ergebnisse erzielt zu haben.

Einen Wiederaufstieg mit neuem Personal erlebte die NPD nach der Wiedervereinigung. Wurde sie in den 60er Jahren noch von alten NSDAP-Anhängern getragen, konnte sie nun vor allem bei jenen Wählern in Ostdeutschland punkten, die sich als Verlierer der Wende sahen. 2009 zog sie in den Landtag von Sachsen ein, nach heftigen internen Querelen verfehlte sie 2014 den Wiedereinzug. Seit 2011 ist die NPD nur noch im Schweriner Landtag vertreten.

Republikaner

Unter Führung des früheren SS-Manns Franz Schönhuber wirbelten die rechten Republikaner vor einem Vierteljahrhundert die Parteienlandschaft auf. 1989 gelang ihnen völlig überraschend der Einzug ins Europaparlament und ins Abgeordnetenhaus von Berlin. 1992 erreichten sie bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 10,9 Prozent.

Vier Jahre später kam die Partei mit 9,6 Prozent erneut in den Landtag - und stellte damit eine Ausnahme von der Regel dar, dass rechte Protestparteien normalerweise nach einer Legislaturperiode wieder aus den Landtagen fliegen. Allerdings wurden auch die Republikaner von internem Streit zerrissen, inzwischen ist die Partei bedeutungslos.

DVU

Die Deutsche Volksunion (DVU) bot sich in den 90er Jahren als Auffangbecken für enttäuschte NPD-Wähler an und erzielte teils überraschende Wahlerfolge. 1991 zog sie ins Bremer Landesparlament ein, ein Jahr später in den Landtag von Schleswig-Holstein. In Sachsen-Anhalt erzielte sie 1998 mit 12,9 Prozent ihr bestes Ergebnis, auch in Brandenburg wurde sie in den Landtag gewählt.

Die DVU war voll auf ihren Gründer, den reichen Münchener Verleger Gerhard Frey, zugeschnitten. Bei den Wahlen trat sie in der Regel mit völlig unbekannten Kandidaten an. In den Landtagen machte sie vor allem mit internen Streitereien von sich reden, die DVU-Fraktionen zerfielen rasch. 2010 gingen die Reste der Partei in der NPD auf.

Schill-Partei

Eine weitere rechte Partei, die klar auf eine Führungsfigur zugeschnitten war, war die Partei Rechtsstaatliche Offensive des Hamburger Richters Ronald Schill. Sie schaffte es sogar in die Regierungsverantwortung. 2001 zog sie mit 19,4 Prozent in die Bürgerschaft ein und trat unter CDU-Bürgermeister Ole von Beust in die Regierung ein. Schill hatte sich als Richter mit umstrittenen harten Urteilen gegen Straftäter einen Namen gemacht.

Die Regierungskoalition zerbrach 2003 unter spektakulären Umständen. Von Beust entließ Schill als Justizsenator. Der Bürgermeister warf Schill den Versuch vor, ihn wegen seiner Homosexualität erpressen zu wollen. Bei der Wahl 2004 kam die Schill-Partei nicht mehr ins Landesparlament.

KONTEXT

Die Sprüche der AfD

Immer wieder im Mittelpunkt

Ob Flüchtlingspolitik oder Fußball - mit markigen Sprüchen sorgen führende AfD-Politiker immer wieder für Kopfschütteln und Empörung, wie jetzt die stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch. Einige Zitate.

Quelle:dpa

Undeutsches Nationalteam

"Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr deutsch oder englisch im klassischen Sinne." (Der AfD-Bundesvize Alexander Gauland am 3. Juni im "Spiegel")

Unerwünschter Nachbar

"Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." (Gauland in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vom 29. Mai über Fußball-Nationalspieler JérÁ´me Boateng)

Bitte abschotten

"Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen." (Gauland am 24. Februar im Magazin der Wochenzeitung "Die Zeit" über Flüchtlinge)

Schießbefehl dringend erwünscht

"Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt." (Die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry in einem Interview des "Mannheimer Morgen" vom 30. Januar 2016. Angesichts des Flüchtlingszustroms forderte sie im Notfall auch den Einsatz von Schusswaffen.)

Der Flüchtling als Angreifer

"Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen. (...) Es gibt keinen Grund, mit Gewalt unsere Grenze zu überqueren." (Die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch Ende Januar auf ihrer Facebook-Seite über Flüchtlinge)

Nachhilfe in Rassenkunde

"Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp." (Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke am 21. November 2015 in einem Vortrag über Asylbewerber aus Afrika)

Flucht als Naturkatastrophe

"Das ist ungefähr so, als würden Sie mit Plastikeimern einen Tsunami stoppen wollen." (Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen am 24. Oktober 2015 bei einem Landesparteitag in Baden-Württemberg über die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise)

KONTEXT

Die Gesichter der AfD

Frauke Petry

Geboren in Dresden, promovierte Chemikerin und Unternehmerin, Bundesvorsitzende der AfD. Mutter von vier Kindern, verheiratet mit dem AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell. Petry gilt als pragmatisch und ehrgeizig. Auch wenn sie verbal gerne Gas gibt - inhaltlich steht Petry eher in der Mitte der Partei.

Björn Hocke und Alexander Gauland

Björn Höcke, Chef der Thüringen-AfD, und Alexander Gauland, Brandenburger AfD-Chef und Bundesparteivize, haben einst gemeinsam "Fünf Grundsätze für Deutschland" veröffentlicht. Darin wettern sie gegen die "multikulturelle Gesellschaft" und behaupten, "die politische Korrektheit liegt wie Mehltau auf unserem Land".

Jörg Meuthen

Meuthen ist geboren in Essen, promovierter Volkswirt, seit 1996 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Kehl (Baden-Württemberg), Co-Bundesvorsitzender der AfD, Fraktionschef seiner Partei im Landtagswahl von Baden-Württemberg; verheiratet, fünf Kinder. Meuthen gehört zu den wenigen prominenten Vertretern des liberalen Flügels, die nach dem Abgang von Bernd Lucke in der AfD geblieben sind.

Beatrix von Storch

Sie ist geboren in Lübeck, Jurastudium in Heidelberg und Lausanne (Schweiz), Rechtsanwältin, stellvertretende Bundesvorsitzende und AfD-Landesvorsitzende in Berlin, seit 2014 im EU-Parlament, verheiratet. Gilt als ultrakonservativ.

Marcus Pretzell

Marcus Pretzell (42) ist geboren in Rinteln (Niedersachsen), Jurastudium in Heidelberg, Rechtsanwalt und Projektentwickler, seit 2014 Vorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen, Vater von vier Kindern, verheiratet mit Frauke Petry. Der Europaabgeordnete hat die AfD als "Pegida-Partei" bezeichnet. Parteifreunde rechnen ihn aber nicht zum rechtsnationalen Flügel.

KONTEXT

AfD-Programm: Das fordert die Partei

Mindestlohn

Die AfD ist für den gesetzlichen Mindestlohn. Damit liegt sie auf einer Linie mit SPD, Grünen, der Linkspartei und Teilen der Union.

Erbschaftssteuer

Geht es nach der AfD soll die Erbschaftssteuer abgeschafft werden. Dafür setzt sich aktuell auch die FDP ein.

Bundespräsident

Die AfD möchte, dass der Bundespräsident künftig direkt vom Volk gewählt wird. Dieser Vorschlag kam 2009 auch vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Zustimmung erhielt er dafür nur aus der FDP.

Volksentscheid

Die AfD will mehr direkte Demokratie durch Volksentscheide. Auch die SPD, die Linke und die Grünen wollen, dass die Hürden für Volksentscheide abgesenkt werden. Ihre Vorschläge gehen aber nicht so weit wie die Ideen der AfD.

Familie

Die traditionelle Familie gilt der AfD als Keimzelle der Gesellschaft. Das Loblied auf die traditionelle Vater-Mutter-Kind-Familie taucht in dieser Form auch im Parteiprogramm der CSU auf.

Freihandelsabkommen

Die AfD lehnt die Freihandelskommen TTIP und CETA ab. Auch die Linke und die Grünen sind dagegen.