Vergessene Heldin: Wangari Maathai – die "Mutter der Bäume"

Den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder lernte die Friedensnobelpreisträgerin auf dem Kirchentag 2005 kennen. Die beiden waren sofort ein Herz und eine Seele. (Bild: ddp)
Den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder lernte die Friedensnobelpreisträgerin auf dem Kirchentag 2005 kennen. Die beiden waren sofort ein Herz und eine Seele. (Bild: ddp)

Wangari Maathai hat Unglaubliches geschafft: Sie war die erste Frau in Ostafrika, die einen Doktortitel bekam und die erste weibliche Professorin an der Universität von Nairobi. Sie bekam als erste Afrikanerin und Umweltschützerin den Friedensnobelpreis und kämpfte auch dann noch für ihre Ideale, als sie im Gefängnis misshandelt wurde.

Der 10. Dezember 2004 ist so ein Tag, an dem Wangari Maathai spürt, dass sich all die Mühe gelohnt hat. Vor den Augen der Welt bekommt sie nicht nur den Nobelpreis verliehen – es wird ihr auch versichert, dass sie mit ihrer Arbeit den Friedensbegriff des altehrwürdigen Komitees erweitert habe. „Frieden auf Erden hängt von unserer Fähigkeit zur Bewahrung einer lebendigen Umwelt ab“, sagt Ole Danholt Mjøs, Chef des Nobelkomitees. Und nichts könnte das deutlicher machen, als die Verleihung des Friedensnobelpreises an die erste Umweltaktivistin in seiner Geschichte.

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Bis zu diesem Moment hat die Kenianerin mit der von ihr 1977 gegründeten Organisation „Green Belt Movement“ („Bewegung Grüner Gürtel“) dafür gesorgt, dass 30 Millionen Bäume dort wachsen, wo in Ostafrika seit 1950 über 90 Prozent des Baumbestands abgeholzt wurden. Damit kämpfen die Bewohner der Region nicht nur gegen die Erosion an, sondern können ihre wirtschaftliche Situation um ein Vielfaches verbessern. Die Bäume liefern armen Familien Brennstoff und Baumaterial, von dem Geld für ihre Arbeit können sie Nahrung kaufen und ihre Kinder auf eine Schule schicken. Da sich vor allem Frauen um die Bäume kümmern, wird auch ihre Rolle in der afrikanischen Gesellschaft gestärkt. Eine Win-win-Situation für alle, könnte man meinen. Allerdings war der kenianische Autokrat Daniel arap Moi da anderer Meinung.

Daniel arap Moi war von 1978 bis 2002 Präsident von Kenia und sorgte dafür, dass Wangari Maathai immer wieder im Gefängnis landete. (Bild: ddp)
Daniel arap Moi war von 1978 bis 2002 Präsident von Kenia und sorgte dafür, dass Wangari Maathai immer wieder im Gefängnis landete. (Bild: ddp)

Moi war von 1978 bis 2002 Präsident von Kenia und fand in Mathaai eine Gegnerin, die sich von seiner Macht nicht einschüchtern ließ. Unter seiner Regentschaft kam es immer wieder zu blutigen Unruhen und ethnischen Konflikten, gegen die die Aktivistin ihre Stimme erhob und sich für Gleichberechtigung und Demokratie einsetzte. Und sie schaffte es, ein Prestigeprojekt des Präsidenten zu verhindern: einen 60 Meter hohen Wolkenkratzer, den Moi 1990 im einzigen öffentlichen Park von Nairobi bauen lassen wollte. Der Uhuru-Park blieb von dem Betonklotz verschont, was den Präsidenten zu der Äußerung trieb, Mathaai hätte wohl „ein Insekt im Gehirn“. Anders konnte er sich nicht erklären, wieso eine Frau, die nach „afrikanischer Tradition vor den Männern Respekt haben“ solle, derart aufmüpfig sein könne. Als sie 1992 auch noch den 11-monatigen friedlichen Protest von Müttern politischer Gefangener anführte, war Moi außer sich. Immer wieder ließ er die Professorin ins Gefängnis werfen, wo sie misshandelt wurde und etliche Male nur mit der Hilfe von Amnesty International wieder freikam. Gebrochen hat sie das nicht.

Durch ihr Engagement wurden bis heute mehr als 45 Millionen Bäume gepflanzt

Denn Wangari Mathaai wusste genau, was sie alles aushalten und schaffen konnte. Am 1. April 1940 in einem kleinen kenianischen Dorf geboren, kam sie auf eine Klosterschule und war dort so gut, dass sie ein Stipendium für ein Biologie-Studium in den USA bekam. Sie ließ sich in Kansas, Pittsburgh, Gießen und München ausbilden, atmete den Geist der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und der Frauenbewegung, die sie Jahre später auch in Kenia anführen sollte. „Ich habe es bis auf den heutigen Tag nicht geschafft, den Mund zu halten, wenn ich Ungerechtigkeit sehe“, erklärte die Frau ihren Ansporn, der 1971 als erster Frau an der Universität von Nairobi ein Doktor verliehen wurde. Wenig später wurde sie dort die erste Professorin für Veterinäre Anatomie, danach Dekanin.

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Dass sie nicht an der Uni blieb, lag vor allem an einer Wesensart, die sie einmal gegenüber der Zeitschrift „Zenith“ äußerte: „Ich mag es nicht, lange über Probleme zu reden.“ Als sie also von den Frauen auf dem Land gehört habe, die kein Feuerholz, kein Futter für die Tiere und kein sauberes Trinkwasser hätten, sei ihr die Idee gekommen, Bäume zu pflanzen. Ihr Engagement, durch das bis heute mehr als 45 Millionen Bäume gepflanzt wurden, verschaffte ihr den Beinamen Mama Kiti, was auf Kisuaheli so viel wie „Mutter der Bäume“ heißt.

Zum Gedenken an Wangari Maathai hält Prinz Charles im Jahr 2013 eine Rede – anschließend pflanzt er einen Baum in den Royal Botanic Gardens in London. (Bild: ddp)
Zum Gedenken an Wangari Maathai hält Prinz Charles im Jahr 2013 eine Rede – anschließend pflanzt er einen Baum in den Royal Botanic Gardens in London. (Bild: ddp)

Umso tragischer, dass ihre tatsächliche Mutterrolle das einzige war, mit dem die mutige Kenianerin zeitlebens nicht im Reinen war. Nachdem ihr Mann 1981 die Scheidung eingereicht hatte, weil ihm seine Frau „zu gebildet, zu stark und zu schwer zu kontrollieren“ war, zerrte die Regierung von Maathais Erzrivalen Moi die Scheidung ins Rampenlicht. In einem öffentlichen Prozess wurde die Mutter einer Tochter und zweier Söhne der Untreue bezichtigt und derart diffamiert, dass sich auch ihre Kinder von ihr abwandten.

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Nach der Scheidung, in dessen Verlauf Maathai den Richter als “entweder korrupt oder inkompetent” bezeichnet hatte und dafür kurzzeitig im Gefängnis saß, wuchsen sie beim Vater auf. Als die Frauenrechtlerin und Umweltaktivistin in einem ihrer letzten Interviews gefragt wurde, was sie bereue, nannte sie nur eine Sache: nicht mehr Zeit mit ihren Kindern Waweru, Wanjira und Muta verbracht zu haben. 2011 starb sie mit 71 Jahren an den Folgen ihrer Krebserkrankung.

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