«Christian» hat gewütet - Bahn kämpft mit den Folgen

Einer der schwersten Herbststürme der vergangenen 15 Jahre hat in Norddeutschland und Nordeuropa massenhaft Bäume umgeknickt, Dächer abgedeckt und Autos eingedrückt.

Mindestens 16 Menschen starben europaweit bei den Unwettern mit Sturmböen von bis zu 172 Stundenkilometern Geschwindigkeit. Nach dem Wüten des Orkantiefs «Christian» war ein großer Teil der Zugverbindungen im Norden auch am Dienstag noch erheblich gestört. Frühestens am Mittwoch sollten laut Deutscher Bahn Reisende wieder mit ihren Zügen von Hamburg in Richtung Kiel, Flensburg, Dänemark oder an die Nordseeküste fahren können.

Die Höhe der Schäden ist nach Angaben des weltgrößten Rückversicherers Munich Re noch nicht absehbar. Von der Stärke her sei «Christian» vergleichbar mit den Orkanen «Lothar» (Dezember 1999) und «Kyrill» (Januar 2007), teilte der Deutsche Wetterdienst (DWD) mit. Der DWD habe zwei Tage vorher auf bevorstehende Gefahren hingewiesen.

In Deutschland hatten die Stürme seit Sonntag mindestens sieben Menschen das Leben gekostet. Im niedersächsischen Bad Bentheim und in Schleswig-Holstein in Braderup kamen zudem bei Verkehrsunfällen zwei weitere Menschen ums Leben. In beiden Fällen schloss die Polizei einen Zusammenhang mit dem Unwetter nicht aus. In Europa gab es zusammen mindestens 16 Tote - davon 4 in Großbritannien, je 2 in Dänemark und den Niederlanden und 1 in Frankreich. Meist waren umgestürzte Bäume die Ursache.

Besonders schwer hat Orkan «Christian» in Schleswig-Holstein gewütet, wo rund 50 000 Haushalte zeitweise ohne Strom waren. Die stärkste Böe im Flachland sei mit 172 Kilometern pro Stunde in St. Peter Ording gemessen worden, sagte DWD-Meteorologe Lars Kirchhübel. Allein in diesem Bundesland mussten Polizei und Feuerwehr zu mehr als 3600 Einsätzen ausrücken. «Für unsere Leitstellen war die Zählung elektronisch nicht mehr zu bewältigen», erklärte die Sprecherin des Lagezentrums: «Wir stiegen auf Papier und Bleistift um.»

Nach Angaben der Provinzial-Versicherung sind allein ihr in Schleswig-Holstein Schäden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden. Die Hamburger Feuerkasse bezifferte ihre Schäden in der Hansestadt mit einem einstelligen Millionenbetrag.

Mehrere Tausend Mitarbeiter der Deutschen Bahn waren damit beschäftigt, beschädigte Oberleitungen zu reparieren und umgestürzte Bäume von den Gleisen zu holen. Für die Deutsche Bahn könnte «Christian» teuer werden. Bahnreisende bekommen bei großen Verspätungen Geld zurück. Kommt der Zug 60 Minuten später an, muss das Unternehmen 25 Prozent des Fahrpreises erstatten, ab 120 Minuten sogar 50 Prozent. Bis vor wenigen Wochen waren Fahrgäste bei höherer Gewalt noch auf die Kulanz der Bahnunternehmen angewiesen.

In Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen blieb vor allem der regionale Bahnverkehr noch erheblich eingeschränkt. Für weiter gesperrte Zugstrecken sollten Ersatzbusse eingesetzt werden. Das sei aber auch nicht in allen Fällen möglich, weil zum Teil auch Straßen nicht richtig befahrbar seien, sagte eine Bahnsprecherin. In Hamburg normalisierte sich der öffentliche Nahverkehr. Durch die Sturmschäden fuhren einige S-Bahn-Züge nicht. Glimpflich kam Mecklenburg-Vorpommern davon, da sich der Sturm hier schon abgeschwächt hatte.

Wegen umgestürzter Bäume auf Gleisen und beschädigter Stromleitungen waren Regional- und Intercityverbindungen der Bahn in Teilen Dänemarks reduziert worden, wie das Bahnunternehmen DSB berichtete. In Schweden waren rund 60 000 Haushalte ohne Strom, im Baltikum waren es Hunderttausende.