Von der Leyen: EU offen für Debatte über Impfstoff-Patente

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zeigt sich offen für eine Debatte über den US-Vorstoß zur Aussetzung von Corona-Impfstoffpatenten. "Die Europäische Union ist bereit, jeden Vorschlag zu diskutieren, der diese Krise wirksam und pragmatisch angeht", sagte von der Leyen am Donnerstag. Man müsse sehen, wie der US-Vorschlag diesem Ziel dienen könne. "Kurzfristig rufen wir jedoch alle Länder mit Impfstoffproduktion auf, Exporte zu erlauben und alles zu vermeiden, was Lieferketten stören könnte."

Von der Leyen betonte in ihrer online übertragenen Rede für eine Konferenz in Italien: "Um es klar zu sagen, Europa ist die einzige demokratische Region der Welt, die Exporte im großen Maßstab erlaubt." Bisher seien mehr als 200 Millionen Dosen Corona-Impfstoff in den Rest der Welt geliefert worden. Das sei fast so viel, wie hier in der EU verabreicht worden sei. Die EU sei die Apotheke der Welt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn blieb dazu zunächst vage. "Die ganze Welt mit Impfstoff zu versorgen, ist der einzig nachhaltige Weg aus dieser Pandemie", sagte er am Donnerstag. Eine Lockerung des Patentschutzes befürwortete er nicht. Entscheidend sei vor allem der weitere Ausbau von Produktionsstätten und mehr Exporte aus Ländern, in denen produziert wird.

Dagegen zeigte sich Außenminister Heiko Maas offen für eine Aufweichung des Patentschutzes. "Wenn das ein Weg ist, der dazu beitragen kann, dass mehr Menschen schneller mit Impfstoffen versorgt werden, dann ist das eine Frage, der wir uns stellen müssen", sagte er. Die Pandemie könne nur besiegt werden, wenn weltweit geimpft werde.

USA unterstützen Aussetzung

Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai hatte am Mittwoch Unterstützung für die Aussetzung von Impfstoffpatenten signalisiert, die viele Länder seit langem fordern. Die USA stünden hinter dem Schutz geistigen Eigentums, die Pandemie sei aber eine globale Krise, die außerordentliche Schritte erfordere, erklärte Tai. Das Ziel sei, "so viele sichere und wirksame Impfungen so schnell wie möglich zu so vielen Menschen wie möglich zu bringen". In Genf streiten Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) seit Wochen über das Thema. Am Donnerstag standen weitere Beratungen an.

Im von der Pandemie schwer betroffenen Indien geht den Impfzentren immer wieder der Impfstoff aus (Bild: REUTERS/Francis Mascarenhas)
Im von der Pandemie schwer betroffenen Indien geht den Impfzentren immer wieder der Impfstoff aus (Bild: REUTERS/Francis Mascarenhas)

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, sprach von einer "historischen Entscheidung" der USA. Damit könne der globalen Ungleichheit bei der Verteilung der Impfstoffe begegnet werden, um gemeinsam daran zu arbeiten, "diese Pandemie zu beenden", schrieb er auf Twitter. Hilfsorganisationen, darunter zum Beispiel Ärzte ohne Grenzen, hatten zuvor vehement eine Aussetzung der Patente gefordert.

Pharmaverband gegen Öffnung

Der Dachverband der Pharmafirmen (IFPMA) hatte die Entscheidung der USA kritisiert. Das werde die Impfstoffproduktion kaum ankurbeln, teilte der in Genf ansässige Verband in der Nacht zu Donnerstag mit. Problem seien vielmehr Handelsbarrieren sowie Mangel an Rohstoffen und Bestandteilen, die für die Herstellung der Impfstoffe nötig seien. Bei der Unterversorgung der ärmeren Länder könnten auch Regierungen reicher Länder in die Bresche springen und einen Teil der Impfdosen, die sie sich in bilateralen Verträgen gesichert haben, an ärmere Länder abgeben.

Gerade weil ihre Patente geschützt seien, hätten Impfstoffhersteller bereits mehr als 200 Technologietransfer-Abkommen abgeschlossen, um mit Partnern in ärmeren Ländern mehr Impfstoffe bereitstellen zu können. "Wir werden keine Mühe scheuen, um die Herstellung der Covid-19-Impfstoffe auszuweiten, denn niemand ist sicher, bis nicht alle sicher sind", teilte der Verband mit. Der Verband macht stets geltend, dass Pharmafirmen nur durch einen Patentschutz, der später Einnahmen garantiert, genügend Anreiz hätten, in Forschung zu investieren.

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